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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Vorkämpferin für Sozialismus, Frieden und Menschenwürde

Prof. Dr. sc. Heinz Karl, Berlin, zum 150. Geburtstag Clara Zetkins

 

"Sie spricht. Sie spricht nicht wie eine einzelne Frau, wie eine Frau, die für sich selbst eine große Wahrheit gewonnen hat. Sie spricht vielmehr wie eine Frau für alle andern Frauen, um auszudrücken, was alle Frauen einer Klasse denken. Sie ist die Frau von morgen, oder besser, wagen wir es auszusprechen: Sie ist die Frau von heute." [L. Aragon: Die Glocken von Basel. Zit. nach: L. Dornemann, Clara Zetkin. Leben und Wirken, Berlin 1973, S. 247/248] So schildert der Romancier Louis Aragon ihr Auftreten auf dem Internationalen Sozialisten-Kongreß 1912 in Basel. Und Franz Mehring sagt von ihr, daß "in der Kenntnis der marxistischen Theorie wenige Lebende sich mit ihr messen können und sicherlich keiner ihr darin überlegen ist" und widmet ihr, als "der Erbin marxistischen Geistes", seine große Marx-Biographie. [F. Mehring: Gesammelte Schriften, Bd. 3, Berlin 1960, S. 1; Bd. 4, Berlin 1963, S. 506.]

Die Rede ist von Clara Zetkin, die vor 150 Jahren, am 5. Juli 1857, im sächsischen Dorf Wiederau geboren wurde. Ihr Vater war der Dorfschullehrer, Sohn eines Tagelöhners, ihre Mutter kam aus einer Leipziger deutsch-französischen Bürgerfamilie. Nach Absolvierung eines liberalen privaten Lehrerinnenseminars war sie als Hauslehrerin tätig. Durch ihren späteren Lebensgefährten, den russischen revolutionären Emigranten Ossip Zetkin, fand sie 1878 zu der durch das Sozialistengesetz in die Illegalität gedrängten revolutionären deutschen Sozialdemokratie. Seit 1882 lebte sie mit dem aus Deutschland ausgewiesenen Ossip und ihren beiden 1883 und 1884 geborenen Söhnen in Paris – trotz größter Not und Entbehrungen nicht verzagend, politisch immer aktiver und immer größere Verantwortung übernehmend. Nach dem frühen Tod ihres Mannes und dem Fall des Sozialistengesetzes kehrte sie 1891 nach Deutschland zurück.

Hervorragende Marxistin – führende Linke

In der landläufigen Vorstellung wird mit dem Namen Clara Zetkin vor allem ihre Rolle in der sozialistischen Frauenbewegung verknüpft. In der Tat war sie auf diesem Tätigkeitsfeld überragend. Sie wirkte bahnbrechend durch gründliche Untersuchungen zur sozialen Lage und zum Kampf der Frauen. Auf dem Gründungskongreß der II. Internationale 1889 hielt sie das Referat über die Frauenbewegung und erwarb sich die hohe Anerkennung von Friedrich Engels. Unter ihrer Redaktion entwickelte sich die "Gleichheit" zur international bedeutendsten sozialistischen Frauenzeitschrift. Seit seiner Bildung 1907 leitete sie das Internationale Frauensekretariat, ebenso später in der Kommunistischen Internationale. Auf ihren Vorschlag wurde 1910 die alljährliche Begehung des Internationalen Frauentages am 8. März beschlossen.

Dennoch ist dies nur eine – wenn auch wichtige – Seite ihres Wirkens. Mit Rosa Luxemburg, Franz Mehring und Karl Liebknecht stand Clara Zetkin an der Spitze des linken Flügels in der deutschen Sozialdemokratie. Als einzige Vertreterin der Linken gehörte sie den Führungsgremien der Partei an – von 1895 bis 1901 dem Parteivorstand, seitdem der neugebildeten Kontrollkommission, ferner dem Zentral-Bildungsausschuß. Von den führenden Linken war sie am engsten in die alltägliche Praxis der Bewegung eingebunden, leistete gerade sie im wahrsten Sinne des Wortes "Kärrnerarbeit".

Trotz enormer praktisch-politischer Aktivitäten, die ihr eigentlich kaum Zeit für theoretische Arbeit ließen, schuf Clara Zetkin auch bedeutende theoretische Beiträge zur Frauenfrage, zur Jugendpolitik, zur Bildungs- und Kulturpolitik, später auch zur Wissenschafts- und Intelligenzpolitik; aber nicht minder zu den Problemen des Antimilitarismus und des Friedenskampfes, des Faschismus und Antifaschismus sowie zur nationalen Frage. Sowohl in der revolutionären, der Bebelschen Sozialdemokratie als auch in der kommunistischen Bewegung war Clara Zetkin eine der theoretisch gebildetsten und interessiertesten Persönlichkeiten, gehörte sie zu den lebendigsten und schöpferischsten marxistischen Geistern.

Gegen die Kriegstreiberei des Kapitals

Besonders widmete sich Clara Zetkin der Bekämpfung des Militarismus und der imperialistischen Kriegspolitik. Auf dem Baseler Kongreß 1912 brandmarkte sie die kapitalistische Ordnung als "die große Menschenfresserin" und appellierte an die Frauen und Mütter, sich ihrer besonderen Rolle im Kampf gegen die imperialistischen Kriegsvorbereitungen bewußt zu sein: "Unsere brennende Sorge soll eine geistige Entwicklung des heranwachsenden Geschlechts sein, die unsere Söhne davor bewahrt, zum Brudermord für kapitalistische und dynastische Interessen, für die kulturwidrigen Zwecke des Profits ... gezwungen zu werden." [C. Zetkin: Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. I, Berlin 1957, S. 566/567.] Die von ihr organisierte Internationale Sozialistische Frauenkonferenz in Bern im März 1915 war die erste internationale Zusammenkunft von Sozialisten gegen den imperialistischen Weltkrieg und die opportunistische Burgfriedenspolitik.

Nach dem Ersten Weltkrieg leistete Clara Zetkin eine umfangreiche analytische und publizistische Arbeit, um die neuen Bedingungen und Anforderungen des Kampfes um den Frieden zu ergründen. Ihre Analysen mündeten in die Warnung, daß neue imperialistische Kriege drohten, "gewaltiger an Umfang, furchtbarer an Greueln und weittragender in ihren Folgen als der Krieg von 1914 bis 1918." [C. Zetkin: Der Kampf der kommunistischen Parteien gegen Kriegsgefahr und Krieg. In: Ebenda, Bd. II, Berlin 1960, S. 496.] Ihre Prognose gründete sie darauf, daß der Kampf um die Märkte sich weiter verschärfe, das Streben nach Beherrschung wichtiger Rohstoffquellen, namentlich von Erdöl, anderen Brennstoffen und Erzen immer aggressiver verfolgt werde und sich mit dem Ringen um die Kontrolle strategisch wichtiger Räume, wie des Schwarzmeergebietes, verbinde. Klar wies sie darauf hin, daß im Fernen Osten ein neuer Hauptkriegsherd entstand.

Größte Aufmerksamkeit lenkte sie auf die grundlegenden Entwicklungstendenzen und neuen Momente in der Kriegführung und Waffenentwicklung, zum Beispiel die forcierte Luftrüstung, weil "kein Zweifel daran ist, daß der Luftkrieg künftig alles Dagewesene an Schrecken und Barbarei überbieten wird." [Ebenda, S. 535.] Besonders warnte sie vor der Entwicklung chemischer Waffen: "In den chemischen Staatslaboratorien der nordamerikanischen Union sind entsprechende Erfindungen gemacht worden so teuflischer Art, daß das Blut stockt, wenn man über ihre Wirkungen liest." [Ebenda.]

Gefährlicher und furchtbarer Feind!

Nicht weniger leidenschaftlich warnte sie vor der anderen großen, heraufziehenden Gefahr. "Das Proletariat hat im Faschismus einen außerordentlich gefährlichen und furchtbaren Feind vor sich. Der Faschismus ist der stärkste, der konzentrierteste, er ist der klassische Ausdruck der Generaloffensive der Weltbourgeoisie ...." [C. Zetkin: Der Kampf gegen den Faschismus. In: Ebenda, S. 689.]

Von den durch Clara Zetkin herausgearbeiteten Wesenszügen des Faschismus sind vor allem fünf hervorzuheben: Erstens wird der Zusammenhang zwischen der Orientierung der Großbourgeoisie auf den Faschismus und ihren ökonomischen Zielen sowie dem Streben nach neuen Methoden der Niederhaltung der Massen, aber auch nach neuen Wegen ihrer Bindung an die kapitalistische Ordnung beleuchtet. Zweitens wird hervorgehoben, daß der Faschismus nicht allein bürgerlicher Terror ist, sondern systematischen Terror mit skrupelloser sozialer Demagogie kombiniert. Als weitere bis heute typische Bestandteile faschistischer Ideologie und Politik werden drittens extremer Nationalismus und die Verherrlichung des bürgerlichen Staates erfaßt. Scharf unterschieden vom Klassencharakter des Faschismus wird viertens seine Massenbasis: das Kleinbürgertum, Teile der Intelligenz und deklassierte Elemente aller Schichten. Fünftens wird das Augenmerk auf den Widerspruch zwischen der Klassenfunktion und der Massenbasis des Faschismus als dessen Achillesferse gelenkt, die insbesondere durch eine konsequente Bündnispolitik der Kommunisten gegenüber den Mittelschichten, nicht zuletzt gegenüber der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Intelligenz, getroffen werden kann und muß.

Als Clara Zetkin am 30. August 1932 als Alterspräsidentin den Reichstag eröffnete, mahnte sie: "Das Gebot der Stunde ist die Einheitsfront aller Werktätigen, um den Faschismus zurückzuwerfen, um damit den Versklavten und Ausgebeuteten die Kraft und die Macht ihrer Organisationen zu erhalten, ja sogar ihr physisches Leben. Vor dieser zwingenden geschichtlichen Notwendigkeit müssen alle fesselnden und trennenden politischen, gewerkschaftlichen, religiösen und weltanschaulichen Einstellungen zurücktreten." [Ebenda, Bd. III, Berlin 1960, S. 418.]

Sozialismus – was und wie?

Entscheidend für das Herantreten Clara Zetkins an alle Probleme der Arbeiterbewegung, des Kampfes um Demokratie und Sozialismus war ihre konsequent marxistische Auffassung von der sozialistischen Gesellschaftsordnung als dem grundlegenden Ziel des Kampfes. Schon als gegen Ende des 19. Jahrhunderts Bernstein und andere rechte Sozialdemokraten mit der Revision des Marxismus begannen und die Sozialdemokratie in eine kleinbürgerliche Reformpartei verwandeln wollten, trat Clara Zetkin diesen Bestrebungen entgegen. Sie wandte sich insbesondere gegen den Versuch, den Sozialismus als Verwirklichung abstrakter Werte, ethischer Prinzipien und Ansprüche hinzustellen. Sie übte entschieden Kritik an der Vernebelung der grundlegenden Merkmale des Sozialismus durch Bernstein: des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln sowie der Führung, Prägung der Gesellschaft durch die Arbeiterklasse. Davon ausgehend, daß zwischen Reform und Revolution ein dialektisches Wechselverhältnis besteht, würdigte sie vollauf die Bedeutung von Reformen als wertvolle Teilerfolge des revolutionären Klassenkampfes. Sie wies jedoch jeden Gedanken an eine Überwindung der kapitalistischen Ordnung durch ihre allmähliche Reformierung als revisionistischen Betrug oder nicht minder schädliche kleinbürgerliche Illusion kompromißlos zurück.

Aus dem Charakter der Anschauungen Clara Zetkins über den Sozialismus und seine Verwirklichung ergab sich ihre Identifizierung mit der Oktoberrevolution und dem sich entwickelnden Sozialismus. Sie waren für sie "der erste Versuch weltgeschichtlichen Maßes, den Marxismus aus einer Theorie zur Praxis zu machen, ... der erste große weltgeschichtliche Versuch, das Proletariat vom Objekt der Geschichte zu ihrem Subjekt zu erheben." [C. Zetkin: Fünf Jahre russische Revolution und die Perspektiven der Weltrevolution. In: Für die Sowjetmacht. Artikel, Reden und Briefe, Berlin 1977, S. 298.]

Auf Lenins Weg

In dieser wie in allen Fragen der Programmatik, Strategie und Taktik bezog Clara Zetkin sich immer wieder auf Lenin. In ihm würdigte und verehrte sie den genialen revolutionären Dialektiker in Theorie und Praxis, der "nie die Kräfte des lebendigen schöpferischen Lebens unter die Macht von toten Buchstaben beugte." [C. Zetkin: Diskussionsrede auf dem VII. Erweiterten Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, 13. Dezember 1926. In: Ebenda, S. 396.] Lenins Wirken wertend, machte Clara Zetkin – in scharfer Distanz zu der von ihr verspotteten reformistischen "Staatsmännelei" – Kriterien sozialistischer Politik deutlich und zog damit zugleich eine Bilanz ihres eigenen politischen Lebens: "Ein Riese, ragte er über die Knirpse jener bürgerlichen wie reformistischen ‚Realpolitiker’ empor, für die der kleine Tageserfolg der angebetete Götze ist und der Verrat von Grundsätzen der Anfang, das A und O aller Politik. Lenin hat in vorbildlicher Weise gezeigt, wie man Politik macht, ohne aufzuhören, Kommunist zu sein, wie man sich dadurch täglich mit den Massen verbindet und mehr macht als Politik, nämlich Geschichte." [C. Zetkin: Rede auf dem II. Sowjetkongreß der UdSSR, 26. Januar 1924. In: Ebenda, S. 348/349.]

 

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2007-06: Clara Zetkin und die Oktoberrevolution