Vom Zug der Erinnerung
Volkmar Vogel, Berlin
Zum Gedenken an die Opfer der Novemberpogrome und in Vorbereitung auf den 27. Januar 2015 erschien vor wenigen Wochen »Der Zug der Erinnerung, die Deutsche Bahn und der Kampf gegen das Vergessen« von Hans-Rüdiger Minow, Vorstandssprecher von »Zug der Erinnerung e.V.« (siehe zug-der-erinnerung.eu). Das Buch dokumentiert ein fast zehnjähriges Engagement und warnt zugleich vor gefährlichen aktuellen Entwicklungen. So heißt es in der Verlagsankündigung: »Weil die DB die Bahnhöfe für eine Ausstellung bundesweit sperrt, greifen Bürgerinitiativen in mehreren Städten zur Selbsthilfe und setzen einen Zug auf die Schienen. … In seiner packenden Erzählung gelingen erstaunliche Einblicke in das politische Management der deutschen Erinnerungsabwehr.«
Bis 2008 hatte die fahrende Ausstellung in der Bundesrepublik und international für Aufsehen gesorgt (Die Mitteilungen berichteten: Heft 4/2008, S. 36 und 6/2008, S. 17). Der »Zug der Erinnerung« erreichte am 8. Mai 2008 die Gedenkstätte Auschwitz, und sie gelangte 2013 nach Sobibór - 70 Jahre, nachdem im Frühjahr 1943 dort zahlreiche Transporte mit Kindern ankamen und am 14. Oktober mit großen Opfern der Aufstand gelang, den ein Untergrundkomitee aus jüdischen Häftlingen und kampferfahrenen sowjetischen Kriegsgefangenen vorbereitet hatte. Darüber resümiert der Autor: »Der Plan der NS-Verbrecher, sämtliche Zeugen zu beseitigen und nur noch Tote zu hinterlassen, scheiterte. … Diese Niederlage, so unbekannt sie im Oktober 1943 an den Fronten des Krieges gewesen war, kündigte damals das nahende Ende der Mordfabriken und ihrer Erbauer an. Sie hatten sich vorgenommen, mit den europäischen Juden auch die slawische Bevölkerung des Kontinents auszulöschen und dabei noch ungeheurere Morde zu begehen. Auch dieser Plan scheiterte. Indem die Exponate im Zug der Erinnerung von der NS-Niederlage erzählten, wollten sie eine Botschaft vermitteln, die über den Ort hinausging: Rassistische Herrschaft lässt sich besiegen. Diese optimistische Aussicht wurde eingetrübt, sobald die Besucher vor den Ausstellungstafeln nach den Tätern fragten. … Die Mehrzahl kehrte in die Bundesrepublik zurück. Sofern sie vor Gericht gestellt wurden, hatten die Täter kaum oder gar nicht büßen müssen, hieß es auf den Exponaten der Zugausstellung.« (S. 284)
Hans-Rüdiger Minow: »Der Zug der Erinnerung, die Deutsche Bahn und der Kampf gegen das Vergessen«, Schmetterling-Verlag Stuttgart, 1. Auflage 2014, 448 Seiten, ISBN 3-89657-150-8, 24,80 Euro.