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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Vertrauen zurückgewinnen

Andreas Krämer, Gersdorf

Liebe Genossinnen und Genossen! Ich glaube, es ist notwendig, uns zunächst inhaltlichen Fragen zu stellen. Dabei steht natürlich die Frage Krieg/Frieden im Mittelpunkt.

Der neue Verteidigungsminister zu Guttenberg sprach inzwischen von kriegsähnlichen Zuständen in Teilen Afghanistans und wurde kriegsähnlich in seinem Hubschrauber beschossen. Die Schlußfolgerung der neuen Bundesregierung aus der Lage in und um Afghanistan überrascht sicher inzwischen niemanden mehr. Das Bundestagsmandat soll verlängert und die Zahl der Soldaten um 120 erhöht werden. Aber auch, wer erwartet hätte, daß die SPD sich von ihrer bisherigen Haltung zu Afghanistan distanziert, wurde enttäuscht. Um so wichtiger ist und bleibt es, daß unsere Partei DIE LINKE. eindeutig Friedenspartei ist und bleibt. Dies wird sicher ein zentraler Punkt in der Programmdebatte.

Als nächstes bewegt uns ja, welche Folgen der Rechtsruck in Bund und Land – sprich CDU/FDP-Regierungen im Bund und in Sachsen haben. Wir sollten uns keine Illusionen machen: Auch wenn manche Form des weiteren Sozialabbaues erst nach dem 9. Mai 2010 klar wird – das Klima der sozialen Kälte verschärft sich weiter. Und deshalb sollten wir die Proteste gegen weiteren Sozialabbau aktiv unterstützen. Ein Beispiel sind sicher die Proteste der Studenten in dieser Woche.

Natürlich hat auch gerade in Sachsen der antifaschistische Kampf eine wichtige Bedeutung. Daran erinnert uns nicht nur der Wiedereinzug der NPD in den sächsischen Landtag – wenn auch geschwächt. In vielen Großstädten – aber auch Landkreisen – sitzt die NPD fast selbstverständlich in den Parlamenten. Aber wir haben auch eine nicht geringe Verantwortung, am 13. 2. in Dresden erneut ein unübersehbares Signal gegen Rechts zu senden.

Und schließlich wurde nicht erst in der Silvesternacht wohl allen klar, was wir 2009 im Jubiläumsjahr erleben werden bezüglich antikommunistischer Geschichtsfälschung. Weh tut es natürlich, wenn es aus den eigenen Reihen – sprich unserer Partei – Versuche gab, diesen Zeitgeist zu bedienen. Und diese Versuche gab es bis dato – sprich Bundestagswahl – eben sehr wohl. Wir haben doch die Diskussion zu den 20 Thesen (Herbst 1989) erlebt. Und wir haben gemeinsam – Bundes- wie Landeskoordinierungsrat der KPF – uns diesen Thesen entgegengestellt. Daß es dazu von der Basis, aber auch aus dem Parteivorstand Widerstand gegen diese Thesen gab, hat sicher dazu geführt, daß dieser Kurs nicht weitergeführt wurde.

Aber vergessen dürfen wir diese Erfahrungen nicht. Dies geht sicher in dieselbe Richtung wie die Erklärung in Thüringen [Äußerungen der LINKEN-Vertreter zur Geschichte in den Sondierungsgesprächen zwischen LINKE, Bündnis 90/Die Grünen und SPD zur Bildung einer gemeinsamen Regierung. In "junge Welt" vom 13. 10. 2009.]. Durch langjährige Erfahrungen auch in Sachsen ist mir klar: Wir sollten uns und die Genossen von GRH, ISOR oder GBM auseinanderdividieren lassen. Sie haben unsere volle Unterstützung und Solidarität – und das wird so bleiben.

Wichtig war natürlich unsere Antwort auf die Geschichts­interpretation im Jubiläumsjahr.

Ich möchte im Namen der KPF Sachsen allen Genossinnen und Genossen danken, die zum Gelingen der Veranstaltung "Geschichte in Geschichten" am 4. 10. 2009, aber auch der Geschichtsdokumentation "Klartexte" beigetragen haben.

Liebe Genossinnen und Genossen! Ich kann und will Euch weder die Wahlergebnisse noch die Lage in unserer Partei in Sachsen ersparen. Ich sage dies deshalb, weil die Situation in Sachsen eben zum Gesamtbild dazugehört – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und ich sage dies deshalb, weil Wahlergebnisse eben ganz konkrete Ursachen haben – und diese haben sehr viel mit der Situation in unserer Partei zu tun.

Um nicht mißverstanden zu werden: Natürlich war das bundesweite Bundestagsergebnis ein Erfolg. Davon zeugen 11,9% der abgegebenen Stimmen, 76 Bundestagsmandate und darunter auch 16 Direktmandate – wenn auch keines aus Sachsen. Und wir sollten uns auch in diesem Moment an 2002 erinnern, als die PDS nur noch 2 Bundestagsmandate hatte.

Wären wir jetzt in der Talkshow des Deutschen Sportfernsehens, müßte ich für folgende Binsenwahrheit wohl 3 Euro bezahlen: Wir müssen doch die Ergebnisse und die Situation sehr differenziert bewerten. Der Hauptzuwachs an Stimmen und Mandaten kam doch nun aus den westlichen Bundesländern, und ich möchte ausdrücklich die Genossen dazu beglückwünschen.

Als KPF Sachsen interessiert uns aber doch das Ergebnis in Sachsen – dazu hat unsere Partei in Sachsen ja eine nicht geringe Verantwortung. Bereits die Kreistagswahlen 2008, aber auch die Kommunalwahlen 2009 brachten unbefriedigende Ergebnisse. Bei den Europawahlen verloren wir nicht nur über 3%, sondern 45.276 Stimmen gegenüber 2004. In den Tagen danach wäre es dringend notwendig gewesen, alles zu tun, um verlorengegangenes Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen. Statt dessen "tobte" ein öffentlicher Machtkampf um Listenplätze. Die Verantwortung dafür trägt dafür zweifellos die Mehrheit im Landesvorstand. Inzwischen wurden auf dem Landesparteitag einige dieser Genossen – wenn auch mit kleinem Denkzettel – wiedergewählt.

Über die Situation nach der Europawahl hatte ich Gelegenheit, ausführlich im Bundeskoordinierungsrat zu sprechen. Den Tiefpunkt gab es mit der Landtagswahl am 30. 8. 2009. Wir verloren nicht nur 2 Mandate und 3%, sondern 120.129 Stimmen.

Die Akzeptanz in der Bevölkerung (Verhältnis Listenstimmen zu Wahlberechtigten) ging von 13,80% (2004) auf 10,55% zurück. Damit erreichten wir wieder den Wert von vor 15 Jahren.

Doch diese Zahlen haben nicht nur mit Mathematik zu tun, sie zeigen eben verlorengegangenes Vertrauen in Größenordnungen. Übrigens konnten wir zur Bundestagswahl zwar auch in Sachsen das Ergebnis in Prozenten steigern, verloren aber auch 52.348 Stimmen absolut. Als ich die Oktoberausgabe unserer Landeszeitung mit der Schlagzeile "Allen Grund zum Feiern" von Katja Kipping las, glaubte ich sozusagen im falschen Film zu sein. Wir haben doch allen Grund zu einer sachlichen, aber kritischen Analyse der Ursachen – dies soll nun übrigens durch eine teure externe Analyse erfolgen.

Als KPF Sachsen haben wir am 4. 10. 2009 unseren Standpunkt in einer Erklärung deutlich gemacht. Wir sehen entscheidende Ursachen in einer falschen Strategie, ­die nur auf Regierungsübernahme orientierte und das Wort Opposition aus dem Sprachgebrauch strich – aber auch einer Führungslosigkeit des Landesvorstandes sowie inhaltlicher Fragen.

Nicht den Medien, sondern uns ist folgender Kommentar der "Freien Presse" im Zusammenhang mit der Kandidatur von Rico Gebhardt für den Fraktionsvorsitz vorzuwerfen: "Innerparteiliche Ränkespiele pflegen die linken Volksvertreter offenbar lieber als die Analyse ihrer Niederlage und die Entwicklung sachlicher Alternativen. Für Berufspolitiker mit Weitblick kann dies aber keine Entschuldigung sein. Erst recht nicht für die Parteiführung der Linken."

Inzwischen fand in Burgstädt der 4. Landesparteitag statt. Wir haben als KPF mit einem Flugblatt unsere Meinung deutlich gemacht und ich durfte zur Diskussion sprechen – sogar wenige Minuten vor Lothar Bisky, den ich übrigens aus dem "ND" vom 3. 11. mit seiner Meinung zitierte, daß es mit der Rot-Rot-Regierung in Brandenburg keinen Politikwechsel geben werde. Lothar ging darauf ein, bestätigte das Zitat, aber sprach von einer Chance, die man nutzen solle.

Zurück zur Lage in Sachsen: Genosse Klaus Bartl wertete dies in seiner Eröffnungsrede so: "Unser partielles Versagen ist weitgehend hausgemacht, hat zu meiner Überzeugung seine Ursache in Führungsfehlern, im Beharren auf in elitären Kreisen ausgedachten, realitätsfernen Lage­beurteilungen, in fehlender Bereitschaft zu flexiblem Reagieren. Vor allem hat aber unser unter Wert bleibendes Abschneiden seine Ursache in den bis zur Unbeherrschbarkeit herangereiften, jedoch gegenüber der Basis immer wieder straff gedeckelten Grabenkämpfen. Da geht es nicht um normalen Meinungsstreit in einer pluralen Partei mit gewünscht oder gewollt unterschiedlichen Strömungen. Es geht zu oft um Macht-Haben, um Macht-Behalten, um Raumnahme und ungezügelte persönliche Ambitionen und Eitelkeiten, die sich der logistischen Möglichkeiten der Partei als Mittel zum Zweck bedienen. An diesem Zustand haben sächsische groß- wie mittelköpfige Funktionsträger auf Landes- wie Bundesebene in erheblicher Zahl ihren Anteil – durch Tun oder Unterlassen."

Soweit Genosse Klaus Bartl, der als stellvertretender Landesvorsitzender gewählt wurde. Natürlich werden wir uns als KPF Sachsen – und auch ich persönlich – um eine sachliche Zusammenarbeit mit dem neuen Landesvorstand bemühen – einfacher ist es jedenfalls für uns nicht geworden. Aber man soll ja nicht nur beim Fußball und in der Liebe, sondern auch in der Politik den Optimismus nicht verlieren.

Abschließen möchte ich mit einem Literaturzitat – ohne Olaf Walther Konkurrenz zu machen. Im neuen Buch von Heinz Florian Oertel, das ich Euch nur empfehlen kann, heißt es abschließend:

"Pfui Teufel allen Kriegen und Kriegstreibern
Generell: weniger Gewalt überall!
Weniger Arroganz der Großen!
Weniger den Reichen!
Mehr allen, die nie reich werden!"

Danke.