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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

»Verbrannte Erde« – Menschenmord, Vernichtung und Zerstörung

Prof. Dr. Anton Latzo, Langerwisch

 

Vor 75 Jahren verkündete der Reichsführer SS Heinrich Himmler die Strategie der »ver­brannten Erde«. Seine sogenannten Posener Reden vom 4. und 6. Oktober 1943 verdeutli­chen den verbrecherischen Charakter dieser Strategie.

In seiner Rede vor SS-Führern erklärte Himmler bereits im April 1943: »Wie nehmen wir den Russen … Menschen weg? Wir tun das, indem wir sie totschlagen oder indem wir sie in die Gefangenschaft bringen und wirklich der Arbeit zuführen … und indem wir ein Gebiet, das wir abstoßen, einen Raum, den wir dem Gegner zuschieben, menschenleer zurücklas­sen«. [1]

Das Massenmorden und die Massenzerstörungen waren von den deutschen Faschisten und Militaristen im Namen des hohen Profits für die Monopole frühzeitig und planmäßig vorbereitet und durchgeführt worden. Nach der Niederlage bei Stalingrad hat der deutsche Faschismus die Strategie der »verbrannten Erde« mit erhöhter Brutalität durchgesetzt. Die Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung von Millionen Bürgern der Sowjetunion wurde zum Tageswerk.

Einigkeit zwischen Militär und Politik                                                                 

Der Generalstab folgte willig den Anordnungen Hitlers, wie es zum Beispiel in einem Brief Jodls an Brauchitsch vom 7. Oktober 1941 zum Ausdruck kam: »Der Führer hat erneut ent­schieden, daß eine Kapitulation von Leningrad oder später von Moskau nicht anzunehmen ist, auch wenn sie von der Gegenseite angeboten wird … Auch für alle übrigen Städte gilt, daß sie vor der Einnahme durch Artilleriefeuer und Luftangriffe zu zermürben sind und ihre Bevölkerung zur Flucht zu veranlassen ist.« [2]

Zwischen der militärischen und politischen Führung bestand grundsätzliches Einverneh­men. Der Generalstabsoffizier Hermann Foertsch, der nach 1945 der Himmeroder Exper­tengruppe, die die Wiederbewaffnung der BRD vorbereitete, angehörte, erklärte in einem Buch von 1939 zur Kriegskunst: »Das Starke soll siegen, leben und sich fortpflanzen, das Schwache aber unterliegen, sterben und nicht wiederkehren.« [3] (Sein jüngerer Bruder, Friedrich Foertsch, war später der zweite Generalinspekteur der Bundeswehr.) Einige Jahre zuvor hat General Horst von Metsch den »Krieg als Saat« bezeichnet und erklärt: »Wir brauchen als Vorschule des Daseinskampfes so etwas wie eine gesunde Barbarei«. [4]

Aus diesem Denken erwuchs die Einstellung der führenden Militärs. Sie begründete die terroristische Kriegführung des faschistischen Deutschland. Sie bauten auf das geistige und politische Fundament, das der deutsche Imperialismus seit Beginn seiner Existenz ent­wickelte und das im Kampf um einen »Platz an der Sonne« seinen konkreten Ausdruck fand.

Menschenvernichtung war Teil der Strategie

Diese Strategie erfuhr im Krieg gegen die Sowjetunion ihren Höhepunkt. Hitler begründete sie gegenüber seinen Generälen so: »Bolschewismus ist soziales Verbrechertum. Kommunismus ungeheure Gefahr für die Zukunft … Es handelt sich um einen Vernich­tungskampf.« [5] Und Brauchitsch, Oberbefehlshaber des Heeres, bekräftigte diesen Stand­punkt am 8. Juni 1941 und gab grünes Licht für die barbarische Kriegführung: »Im Kampf gegen den Bolschewismus ist mit einem Verhalten des Feindes nach den Grundsätzen der Menschlichkeit oder des Völkerrechts nicht zu rechnen.« [6] Die weitgehende Übereinstim­mung mit Hitler ist offensichtlich.

Es war vorgesehen, die Rote Armee in kurzer Zeit nach dem Überfall zu zerschlagen (Plan Barbarossa). Geplant wurden die wirtschaftliche Versklavung und die politische Zerschla­gung der UdSSR sowie der Massenmord an den Sowjetbürgern. »Grundsätzlich kommt es also darauf an, den riesenhaften Kuchen handgerecht zu zerlegen, damit wir ihn erstens beherrschen, zweitens verwalten und drittens ausbeuten können.« [7] 

Die Einzelplanungen zur wirtschaftlichen Ausbeutung der Sowjetunion wurden im Juni 1941 von Hermann Göring zusammengefasst. Ab April 1941 arbeitete Alfred Rosenberg den Plan für die politische Versklavung der UdSSR aus. Am 17. März erhielt Heinrich Himmler die Terror- und Mordpläne vom OKW, die von vornherein die militärischen Pläne mit der Durchführung von Massenrepressalien gegen die Zivilbevölkerung und mit der rücksichtslosen Behandlung und Ermordung von Kriegsgefangenen verbanden.                                

Im Mai wurden von der SS die Einsatzgruppen für die Zerschlagung des Widerstands in der Sowjetunion gebildet, die vorsahen, ganze Bevölkerungsteile auszurotten und kommunis­tische Funktionäre sowie jüdische und andere Bürger der UdSSR zu ermorden. »Unsere Aufgabe ist es, den Osten nicht im alten Sinne zu germanisieren, das heißt den dort woh­nenden Menschen deutsche Sprache und deutsche Gesetze beizubringen, sondern dafür zu sorgen, daß im Osten nur Menschen wirklich deutschen, germanischen Blutes wohnen«, erklärte der Reichsführer SS Heinrich Himmler.« [8] Damit wurde nicht eine Meinung ausgesprochen, sondern ein Programm, ein Befehl verkündet, denn dieser Mann war nur dem Führer gegenüber verantwortlich. Entsprechend diesem Auftrag erfolgten die Planung des Überfalls auf die Sowjetunion und auch seine Ausführung.                                                      

Verschärfung                                                                                                                 

Nach dem Sieg der Roten Armee in der Schlacht um Stalingrad, nach der Niederlage der faschistischen Truppen im Kursker Bogen im Sommer 1943 und nach weiteren erfolgrei­chen Operationen der Roten Armee im Sommer und Herbst 1943 kam es zum grundlegen­den Umschwung im zweiten Weltkrieg. Die innenpolitische Lage in Deutschland verschärf­te sich und die internationalen Bedingungen entwickelten sich ungünstig für die Faschis­ten. Heinrich Himmler wurde zum Innenminister ernannt. Die faschistischen Repressivor­gane waren in seiner Hand vereinigt. Auch das geschah in Übereinstimmung mit dem Kapi­tal. Aus Anlass seiner Ernennung zum Reichsminister des Inneren gratulierten ihm im Spätsommer 1943 führende Bankiers und Industrielle »mit aufrichtiger Freude«, weil »eine starke Hand … für die Führung dieses Ministeriums« als »notwendig« und »dankbar emp­funden« wurde. [9] Diese »starke Hand« ordnete in einem Befehl vom 7. September 1943 an, dass die zum Rückzug gezwungenen deutschen Truppen die Taktik der »verbrannten Erde« anwenden. »Der Gegner muß ein wirklich total verbranntes und zerstörtes Land vorfinden.« [10]

Am 4. und 6. Oktober 1943 erklärte Himmler: »Ein Grundsatz muß für den SS-Mann ab­solut gelten: ehrlich, anständig, treu und kameradschaftlich haben wir zu Angehörigen un­seres eigenen Blutes zu sein und sonst zu niemandem. Wie es den Russen geht, wie es den Tschechen geht, ist mir total gleichgültig. Das, was in den Völkern an gutem Blut unse­rer Art vorhanden ist, werden wir uns holen, indem wir ihnen, wenn notwendig, die Kinder rauben und sie bei uns großziehen. Ob die anderen Völker in Wohlstand leben oder ob sie verrecken vor Hunger, das interessiert mich nur soweit, als wir sie als Sklaven für unsere Kultur brauchen, anders interessiert mich das nicht. Ob bei dem Bau eines Panzergrabens 10.000 russische Weiber an Entkräftung umfallen oder nicht, interessiert mich nur inso­weit, als der Panzergraben für Deutschland fertig wird.« [11]

Das war der verbrecherische geistige und politische Leitfaden für die »Kultur« der faschis­tischen Aggressoren. Schon in einem Befehl des OKW vom 16. September 1941 wurde der Massenmord an der Zivilbevölkerung wie folgt angeordnet: »Als Sühne für ein deutsches Soldatenleben muß … im allgemeinen die Todesstrafe von 50 bis 100 Kommunisten als an­gemessen gelten. Die Art der Vollstreckung muß die abschreckende Wirkung noch erhö­hen.« [12]

Das war die verbrecherische Praxis! In einer Erklärung vor dem Nürnberger Militärtribunal berichtete der langjährige Chef der Operationsabteilung des OKH, General Heusinger, ver­harmlosend: »Es war schon immer meine persönliche Ansicht, daß die Behandlung der Zi­vilbevölkerung im Operationsgebiet und die Methoden der Bandenbekämpfung im Operati­onsgebiet der obersten politischen und militärischen Führung eine willkommene Gelegen­heit bot, ihre Ziele durchzuführen, nämlich die systematische Reduzierung des Slawen- und Judentums.« [13] Er war aber aktiv und führend beteiligt! Trotzdem wurde er auch General der Bundeswehr, Vordenker, Planer und Gestalter der Remilitarisierung und von 1957 bis 1961 Generalinspekteur der Bundeswehr.

Unter diesen Bedingungen bildete sich aber auch die deutsche demokratische und Friedensalternative, das Nationalkomitee »Freies Deutschland« (gegründet am 12./13. Juli 1943) heraus.

 

Anmerkungen:

[1] www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article119990792.

[2] Förster u.a., Der preußisch-deutsche Generalstab 1640-1945, Berlin 1966, S. 282.

[3] Hermann Foertsch, Kriegskunst heute und morgen, Berlin 1939, S. 13.

[4] Horst von Metsch, Krieg als Saat …, Breslau 1934, S. 17.

[5] Generaloberst Halder, Kriegstagebuch ..., Bd. II, Stuttgart 1963, S. 74.

[6] Zit. nach Förster u.a., a.a.O., S. 281.

[7] Hitler am 16. Juli 1941. In: Der Nürnberger Prozeß, Berlin 1960, Bd. II, S. 101.

[8] Nürnberger Prozeß, a.a.O., S. 479.

[9] Vgl.: W. Bleyer, Staat und Monopole im totalen Krieg, Berlin 1970, S. 185.

[10] Zit. nach: Förster u.a., S. 283.

[11] de.wikipedia.org/wiki/Posener_Reden.

[12] Förster u.a., S. 283.

[13] Ebenda.

 

Mehr von Anton Latzo in den »Mitteilungen«:

2018-03: Friedensvertrag von Brest-Litowsk

2017-11: Stalingrad – historisches Symbol und Mahnung für die Gegenwart

2017-10: Wehret den Anfängen! (Buchauszug)