Zum Hauptinhalt springen
Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

"Unser Amerika" und DIE LINKE

Jörg Rückmann, AG Cuba Sí

 

Lateinamerika verstört die neoliberale Welt. Seit dem Wahlsieg von Hugo Chávez 1998 in Venezuela spricht man von einem "Linksruck" in dieser Region – aber es ist mehr als das: Die politischen Entwicklungen in Lateinamerika haben etwas von dem, was José Martí 1891 als "Unser Amerika" (Nuestra América) bezeichnete. Er rief die Völker Lateinamerikas auf, sich der eigenen Kultur zu besinnen, gemeinsam für ihre Interessen zu kämpfen und Streitigkeiten untereinander beizulegen.

Anfang Dezember 2011 schaute die Welt nach Caracas zum Gründungskongress der "Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten" (CELAC). Der CELAC – formell Nachfolgerin der Rio-Gruppe – gehören 33 Staaten mit unterschiedlicher politischer Ausrichtung an. Kuba ist gleichberechtigtes Mitglied. Die CELAC ist ein lateinamerikanisches Bündnis ohne die USA und Kanada, das sich die regionale Kooperation und Integration sowie die Solidarität auf seine Fahnen geschrieben hat.

Schon seit 1998 beschreiten mehrere lateinamerikanische Länder neue politische Wege, um der neoliberalen Umklammerung und den Schocktherapien von IWF und Weltbank zu entkommen. Gleichzeitig wollen diese Länder ihre gemeinsamen Interessen gegenüber dem reichen Norden vertreten. Im Dezember 2004 unterzeichneten Venezuela und Kuba eine Erklärung zur Gründung der "Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerika" (ALBA). ALBA stellt einen Gegenentwurf zur Idee der gesamtamerikanischen Freihandelszone ALCA dar und basiert auf den Prinzipien der Zusammenarbeit und Solidarität. Neben Kuba und Venezuela gehören heute Bolivien, Nicaragua und Ecuador, Dominica, Antigua und Barbuda sowie San Vincente und die Grenadinen diesem Bündnis an.

Im Oktober 2009 beschlossen die ALBA-Länder den Aufbau einer neuen regionalen Finanzarchitektur – das "Einheitliche System für den regionalen Zahlungsaustausch" (SUCRE). Der SUCRE soll neben den ALBA-Mitgliedern allen Ländern Lateinamerikas und der Karibik offen stehen. Er fungiert derzeit als Verrechnungswährung und soll – ähnlich wie beim Euro – später als Bargeld ausgegeben werden. Mit dem SUCRE soll der Außenhandel der Länder Lateinamerikas vom US-Dollar abgekoppelt und die Region vor globalen Finanzschocks bewahrt werden.

Er soll helfen, Devisen einzusparen und lokale Wirtschaftskreisläufe zu stärken. In der ersten Hälfte des laufenden Jahres haben Kuba, Venezuela und Ecuador bereits Waren im Wert von rund 144 Mio. US-Dollar über den SUCRE gehandelt.

Mehrere Länder der Region haben sich aus dem IWF verabschiedet.

Venezuela nimmt seit 2000 keine Kredite mehr bei der Weltbank auf und trat 2007 aus IWF und Weltbank aus. Brasilien verzichtet seit 2004 auf IWF-Kredite, Argentinien und Uruguay seit 2005, Bolivien, Ecuador und Peru seit 2006.

Die Präsidenten Venezuelas und Argentiniens verständigten sich 2006 auf die Gründung einer Entwicklungsbank, der "Bank des Südens" (Banco del Sur). 2007 wurden Ecuador und Brasilien Mitglied, später auch Bolivien, Paraguay und Uruguay. Unabhängig von seiner Größe und seiner Geldeinlage wird jedes Land das gleiche Stimmrecht haben, und es besteht ein Konsensprinzip für Geschäftsentscheidungen. Die "Bank des Südens" wird noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen.

Mehrere Länder Lateinamerikas haben große Industrien vergesellschaftet oder mit ausländischen Konzernen neue Verträge ausgehandelt. Die Einnahmen z. B. aus dem Abbau von Rohstoffen bleiben nun zum großen Teil im Land und können für Infrastrukturprojekte und Sozialprogramme verwendet werden. Eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit existiert auch im Rahmen des PETROCARIBE-Abkommens von 2005. Venezuela liefert 15 Staaten der Region Erdöl zu Vorzugspreisen. Ein weiteres Beispiel für die lateinamerikanische Integration ist die Gründung der "Union Südamerikanischer Nationen" (UNASUR) im Jahr 2008. UNASUR spielte eine wichtige Rolle bei der Beilegung des Konflikts zwischen Venezuela und Kolumbien im Juli 2010.

Lateinamerika entwickelt ein neues Selbstbewusstsein. Es tritt als souveräner Handelspartner auf, schafft neuartige Wirtschaftskooperationen und wird von den aufstrebenden Industriestaaten wegen seines Rohstoffreichtums regelrecht umworben.

Die Linksentwicklungen in Lateinamerika tragen dazu bei, das ökonomische System der Welt neu zu justieren. Halten Europa und die USA an ihren "Freihandels"-Ideen fest, könnte dies zu einem ökonomischen Nachteil für sie werden.

"Lateinamerika ist derzeit die Region der Erde", schreibt Ignacio Ramonet (Le Monde diplomatique), "in der die meisten Erfahrungen linker Politik gesammelt werden. Wenn wir den sozialen Fortschritt in anderen Teilen der Erde voranbringen wollen, müssen wir uns über dieses Geschehen informieren".

Zu diesem Geschehen gehört ein wichtiger Fakt: Die lateinamerikanische Integration, so wie wir sie gegenwärtig erleben, wäre nicht denkbar ohne Kuba. Der Inselstaat symbolisiert für die Länder der Region – aber auch für alle Länder des globalen Südens – die erfolgreiche Verteidigung des Rechtes der Völker, ihren Entwicklungsweg selbst zu bestimmen. Dieser Zusammenhang wird von einigen LINKEN gelegentlich übersehen.

Seit der Revolution im Jahr 1959 stellt Kuba seine Souveränität, die soziale Entwicklung und die Nutzung der natürlichen Reichtümer des Landes in den Mittelpunkt seiner Politik. Heute gestalten mehrere Länder Lateinamerikas in diesem Sinne tiefgehende Transformationsprozesse und schließen sich zusammen. Und sie geraten – so wie Kuba seit über 50 Jahren – ins Fadenkreuz des Westens.

Erinnert sei hier an den Putsch in Venezuela (2002), die Aktionen gegen die Einheit Boliviens (2008), die Putsche in Honduras (2009) und Ecuador (2010). Gegenwärtig müssen wir einen militärischen Aufmarsch um Kuba und die ALBA-Staaten beobachten: Im Juli 2008 reaktivierten die USA ihre 4. Flotte für Mittel- und Südamerika sowie für die Karibik. 2009 begannen sie, sieben Militärstützpunkte in Kolumbien auszubauen. Die Niederlande erlauben den USA, ihre Militärbasen auf Aruba und Curaçao zu nutzen. Seit dem Erdbeben in Haiti 2010 befinden sich 20.000 US-Soldaten in dem zerstörten Land, und Costa Rica gestattet den USA die Stationierung von 7.000 Soldaten, die über U-Boote, Flugzeuge und Kriegsschiffe verfügen.

DIE LINKE beschreibt sich in ihrem neuen Programm als "internationalistische Friedenspartei" und strebt "eine solidarische Weltwirtschaftsordnung" an, "die nachhaltige Entwicklungsperspektiven für die ärmeren Länder schafft, globale und soziale, ökologische und demokratische Rechte durchsetzt, statt die Konkurrenz um Anteile an weltweiten Exportmärkten voranzutreiben".

Lateinamerika bricht mehr und mehr mit dem neoliberalen Wirtschaftssystem; CELAC, UNASUR und ALBA demonstrieren, wie eine friedliche, gleichberechtigte und solidarische Zusammenarbeit auf unserem Planeten funktionieren kann. Für die Mitglieder der LINKEN bedeutet das: Solidarität mit dem Linksprozess in Lateinamerika, Solidarität mit Kuba – Solidarität mit "Unserem Amerika"!

Informationen zur AG Cuba Sí in der Partei DIE LINKE

Seit 20 Jahren unterstützt die AG Cuba Sí das sozialistische Kuba mit der Kampagne "Milch für Kubas Kinder". Elf Landwirtschaftsprojekte haben wir bereits erfolgreich abgeschlossen, vier Projekte realisieren wir derzeit. Für die Arbeiter/-innen der Projekte, für ihre Familien und die Menschen in der Region bedeutet diese Solidaritätsarbeit konkret: eine breite und bessere Versorgung mit Nahrungsmitteln, gute Arbeits- und Lebensbedingungen sowie den Ausbau der lokalen Infrastruktur.

Mit unserer Kampagne "Kuba muss überleben" helfen wir Kuba außerdem im Gesundheitswesen sowie in den Bereichen Bildung und Kultur. Jährlich schicken wir mehrere Schiffscontainer mit dringend benötigten Hilfsgütern auf die sozialistische Insel.

Die politische und materielle Solidarität mit Kuba ist Grundanliegen der AG Cuba Sí. Wir kämpfen für das Ende der menschenverachtenden US-Blockade, für die Freilassung der Cuban Five und für die Abschaffung des "Gemeinsamen Standpunktes" der EU gegen Kuba.

Unterstützt den Gedanken der Solidarität! Bitte spendet für unsere Solidaritätskampagnen "Milch für Kubas Kinder" und "Kuba muss überleben!" (auch mit Dauerauftrag).

Sonderspendenkonto beim Parteivorstand DIE LINKE/Cuba Sí: Nummer 13 2222 10, Berliner Sparkasse, BLZ 100 500 00, Verwendungszweck bitte immer angeben!

 

Mehr von Jörg Rückmann in den »Mitteilungen«: 

2011-09: »Das ist wirklich originell«

2011-06: Der 6. Parteitag der KP Kubas