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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Stößt der Kapitalismus beim Klimaschutz an seine Grenzen?

Eva Bulling-Schröter, MdB (DIE LINKE)

Es ist nicht lange her, daß UmweltpolitikerInnen aller politischen Couleur klagten, sie würden nicht recht ernst genommen. Dies ist vorbei. Spätestens seit den jüngsten Berichten des UN-Klimarates IPCC läuft zumindest die globale Erwärmung in den Top-Nachrichten, Sondersendungen und Wissenschaftsserien werden präsentiert. Selbst die Bild-Zeitung beglückt ihre LeserInnen mit Tipps zur Rettung der Welt.

Der Klimawandel und seine Folgen

Der Beitrag des Menschen zur Veränderung des Klimas ist unumstritten. Die Versuche, die "natürlichen" Ursachen der Veränderungen des Weltklimas in den Vordergrund zu stellen, sind letzte Abwehrgefechte von Unverbesserlichen.

Laut UN-Klimagremium IPCC könnte bis zum Jahr 2100 die Erdmitteltemperatur um bis zu 6,4 Grad steigen. Doch schon die Hälfte wäre eine Katastrophe. Für diesen Fall werden beispielsweise rund ein Drittel weniger Niederschläge südlich und östlich des Mittelmeers vorhergesagt. Was dies für die Sub-Sahara oder den Nahen Osten bedeuten würde, ist kaum auszumalen.

Das Abschmelzen der Pole und der Gletscher verändert den Wasserhaushalt. Der Anstieg des Meeresspiegels läßt riesige Landstriche verschwinden. Die nicht mehr im Gletschereis gebundenen Niederschläge stürzen in die Täler. Dies bringt einerseits Überschwemmungen, und andererseits fehlt in regenarmen Jahreszeiten der Trinkwasserzufluß aus den kleiner werdenden Gletschern, Dürreperioden sind die Folge. Sturmfluten verwüsten vielerorts die Küstenregionen. Der Temperaturanstieg heizt die Wasserflächen auf, Orkane und Wirbelstürme entstehen in Regionen, die diese Unwetter bislang nicht kannten. Die wenigen Beispiele lassen die zu erwartenden Szenarien erkennen.

Vom Klimawandel zur Klimakatastrophe

Die Klimaveränderungen und ihre Folgen vollziehen sich nicht auf einem von Sauriern belebten Planeten aus grauer Vorzeit. Sondern heute, auf einer dicht besiedelten Erde. Mit einer hoch entwickelten Menschheit, die in vielschichtiger Weise miteinander verflochten ist, die in gesellschaftlichen Verhältnissen lebt, die selbst fortwährend Katastrophen produzierten und produzieren: Krieg in unvorstellbarem Ausmaß, Elend, Hunger, Abhängigkeit, Unterdrückung und schlimmste Ausbeutung. Unter diesen Bedingungen verschärft der Klimawandel zentrale gesellschaftliche Auseinandersetzungen und läßt neue entstehen.

Der Kampf um Wasser und Land

Bereits heute gibt es um den Zugang zu ausreichendem Wasser ernste, auch militärische Konflikte. Dies gilt nicht nur für die Quellgebiete auf den Golan-Höhen. Die Möglichkeit, anderen "das Wasser abzugraben", hängt unmittelbar mit militärischen Machtpositionen zusammen. Ausreichende Trinkwasserversorgung, Grundvoraussetzung des Lebens, wird zur Frage militärischer Kapazität und Kriegsbereitschaft.

Zunehmende Verwüstung zwingt Hirtenvölker zum Verlassen bisheriger Weideflächen. Der Viehzug kollidiert mit den Anbauflächen von Ackerbauern. Dies zieht schwere Konflikte nach sich. Infolgedessen werden Spannungen verschärft, die bereits wegen sozialer Konflikte oder religiös motivierter Auseinandersetzungen bestehen.

Aus dem Sahelland Mali etwa drängen schon jetzt Menschen bei Trockenheit in den Süden der Elfenbeinküste. [Vergl. "Mit der Wüste kommt der Krieg", Süddeutsche Zeitung vom 29. 6. 2007] Sie sind dort konfrontiert mit der ivorischen Regierung, welche im Bürgerkriegsland rassistische Propaganda gegen Fremde schürt. Ähnlich in der westsudanesischen Krisenprovinz Darfur, wo sich seit Jahren die Spannungen zwischen Ackerbauern und nomadisierenden Hirten verschärften, weil Wasser und Land immer knapper werden. "Zwar hat der monströse Krieg im Sudan in erster Linie politische Ursachen, doch ökologische Probleme haben Bedingungen geschaffen, in denen es Brandstifter leichter haben, Gewalt zu entflammen", beschreibt der Journalist Arne Perres in der Süddeutschen Zeitung [Ebenda.] den Konflikt. Die Ausbreitung der Wüstengebiete ist bereits jetzt eine lebensbedrohende Realität – und der Wüstengürtel wächst. Die Wüste auf der einen, Land unter auf der anderen Seite.

Meterhohe Dammbauten können sich vielleicht Deutschland und Holland leisten, kaum jedoch Indien oder Bangladesh. Mit dem Land verlieren die Menschen ihre Lebensgrundlagen. Die Folge sind gigantische Flüchtlingsströme. Sie werden Auslöser für in ihrem Umfang noch nicht absehbare soziale und politische Verwerfungen, nicht nur irgendwo in fernen Ländern, sondern weltweit, auch in den Metropolen. Folglich ist der Klimawandel weder eine Ökologie-Spielwiese noch ein Nebenwiderspruch, sondern berührt die materielle Basis menschlichen Lebens.

Trübe Aussichten in der EU

Die EU-Kommission beklagt in ihrem Grünbuch zur künftigen Energiepolitik [Europäische Kommission: GRÜNBUCH Eine europäische Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie, Brüssel, den 8.3.2006 KOM(2006) 105 endgültig] vom März 2006: Ginge es so weiter wie bisher, würde der Energiebedarf der EU in 30 Jahren zu 70 Prozent, statt wie jetzt zur Hälfte, aus Importen gedeckt werden müssen. Die Kommission geht bei ihrer Analyse allerdings – unberührt von den UN-Zielen der Klimarahmenkonvention – davon aus, daß die Energienachfrage und der weltweite CO2-Ausstoß bis 2030 um rund 60 Prozent steigen werden. Offensichtlich glaubt in den Brüsseler Amtsstuben niemand mehr, daß der Kyoto-Prozeß zu einem verminderten Ausstoß von Treibhausgasen führen könnte.

Treibhausgasemissionen wachsen ungebremst

Ist die Prognose der Kommission politische Selbstaufgabe, so schreibt sie doch nur den Trend fort. Schließlich sind die CO2-Emisisonen seit 1990 global um 27 Prozent gestiegen, anstatt – wie in der Klimarahmenkonvention als Ziel gesetzt – auf ein klimaverträgliches Niveau zu sinken. Das auf der Konvention aufbauende Kyoto-Protokoll mit seinem bekannten Minderungsziel für Treibhausgasemissionen von minus 5 Prozent bis zur Periode 2008-2012 gegenüber 1990 verpflichtet ohnehin nur 36 Industrieländer [ohne USA und Australien] zu Einsparungen. Gemeinsam repräsentieren sie momentan rund ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen.

Sollte das 5-Prozent-Ziel erfüllt werden, so nur deshalb, weil sich Osteuropa noch nicht wieder vom Kollaps seiner industriellen Basis seit Beginn der 90-er Jahre erholt hat. Das gilt auch für Deutschland: Fast drei Viertel der Einsparungen an Klimakillern von gegenwärtig 19 Prozent gegenüber 1990 erfolgten in den ersten vier Jahren nach der Wende. Mindestens die Hälfte davon ist allein dem Osteffekt zuzuschreiben. Nach langer Stagnation steigen die Emissionen inzwischen hierzulande wieder. Die fehlenden 2 Prozent zur Kyoto-Erfüllung (-21 Prozent) könnten ein Problem werden.

Die EU-15 werden insgesamt ihr Kyoto-Ziel höchstwahrscheinlich verfehlen. Bis zum Jahr 2005 hatten sie die Emissionen gerade mal um 1,2 Prozent reduziert - minus 8 Prozent heißt aber die Kyoto-Zielmarke für die Gemeinschaft.

Weltweit ist es noch trüber

Weltweit sieht es in der Klimapolitik noch düsterer aus. Auch wenn die USA das Problem an sich mittlerweile zur Kenntnis nehmen, hat die wachsende internationale und innenpolitische Diskussion dort vorerst nichts substantiell geändert.

Zugleich nimmt der CO2-Ausstoß in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu. Die darüber am lautesten klagen, stehen selbst an der Spitze der Luftverschmutzer und haben wohl mehr die unliebsame Konkurrenz im Auge als den Klimaschutz. China soll gerade die USA als Spitzenreiter im Treibhausgasausstoß eingeholt haben. Pro Kopf stoßen die BürgerInnen Pekings aber nur ein Fünftel dessen aus, was ein Einwohner Washingtons statistisch zu verantworten hat.

Die Industriestaaten müssen vorangehen

Um die Erderwärmung auf gerade noch beherrschbare zwei Grad zu begrenzen, muß der Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2050 weltweit halbiert werden. Und weil den Entwicklungs- und Schwellenländern eine Chance zur Entwicklung gegeben sein muß, müssen die Industriestaaten ihren Ausstoß in dieser Zeit um 80 bis 90 Prozent reduzieren. Das ist eine gewaltige technische und gesellschaftspolitische Herausforderung. Die Weichen sind gegenwärtig nicht gestellt, damit sie gemeistert werden kann. Eine grundlegende Abkehr vom fossil-atomaren Energiesystem ist nicht in Sicht. Zudem droht das Wachstum von Produktion, Konsum und Verkehr die Effizienzgewinne im Energiesystem genauso aufzufressen wie die Emissionseinsparungen durch den Ausbau erneuerbarer Energien.

Auf allen Ebenen wird gegenwärtig nach Lösungsansätzen gesucht. Solange sie die innere Logik des Systems und der gegenwärtigen Produktionsweise nicht verlassen, sind die Lösungsansätze aggressiv und unsozial oder flüchten in gefährliche oder spekulative technische Lösungen.

Krieg zur Energiesicherung

Im Verteilungskampf um schrumpfende fossile Energierohstoffe setzen führende Industriestaaten, allen voran die USA, auf die militärische Karte. Der Krieg im Irak und in Afghanistan, aber auch der Nahostkonflikt, die innerstaatlichen Konflikte in Nigeria oder im Tschad sind Beispiele dafür.

Ein Titelblatt des Bundeswehrmagazins "Y." zeigte kürzlich einen bewaffneten US-Soldaten, im Hintergrund ist eine Moschee zu sehen. Die Überschrift: "Energiereserven – Kampf ums Erdöl". Das im Mai an Bundesumweltminister Sigmar Gabriel übergebene Hauptgutachten des "Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen" der Bundesregierung (WBGU) trug den Titel "Sicherheitsrisiko Klimawandel". Und im Juni veranstaltete das Auswärtige Amt ein zweitägiges Forum unter der gleichen Überschrift. In der EU und auch in der Bundesregierung macht immer mehr der neue Begriff von einer "Energieaußenpolitik" die Runde. Die Ressourcendebatte – nach den alarmierenden Berichten des Club of Rome in den Siebzigern sanft entschlafen – erwacht erneut, nunmehr auch mit Stahlhelm.

Energieaußenpolitik zu Sicherung des Status quo


So wird eine "Energieaußenpolitik" kreiert, die sich eng an den Interessen der europäischen Konzerne ausrichtet. Das aber erzeugt neue und gefährliche Spannungen. In Papieren des EU-Energiepakets [Kommissionsmitteilung: Eine Energiepolitik für Europa, 15. 1. 2007, KOM (2007) 1] vom Januar 2007 ist zu lesen, die immer größere Abhängigkeit von Importen aus instabilen Regionen und durch unzuverlässige Lieferanten stelle ein ernsthaftes Risiko dar. Einige Großerzeuger setzten Energie als politisches Druckmittel ein. Nicht genannt, aber gemeint war wohl Rußland.

In einer Mitteilung der Kommission zu energiepolitischen Außenbeziehungen [Kommissionsmitteilung: Energiepolitische Außenbeziehungen, 12. 10. 2006, KOM (2006) 590 sowie Papier der Kommission und des Generalsekretärs/Hohen Vertreters für den Europäischen Rat "Eine Außenpolitik zur Förderung der EU-Interessen im Energiebereich, 2006, S160/06.] wird der Zusammenarbeit mit Moskau großer Raum eingeräumt. Gleichzeitig sollen die Energielieferungen aber stärker diversifiziert werden:

Fast 80 Prozent der Kohlenwasserstoff-Ressourcen der Welt befänden sich in der Nachbarschaft der EU. Energie werde in großem Umfang im Mittelmeerraum, im Schwarzmeer-Raum, der kaspischen Region, dem Nahen Osten und der Golfregion sowie in Norwegen gewonnen. Folglich solle die EU ihre Zusammenarbeit mit diesen Regionen massiv ausbauen. Selbsterklärtes Ziel der Europäischen Union ist es, um sich herum ein großes Netz von Ländern aufzubauen, die sich dann an gemeinsame, vom EU-Binnenmarkt inspirierte Regeln und Grundsätze halten. Der Vertrag zur Gründung der Energiegemeinschaft, welcher am 1. Juli 2006 in Kraft trat, überträgt beispielsweise die geltenden Rechtsvorschriften der EU im Energiebereich auf die westlichen Balkanländer.

Mit einigen Staaten hat die EU bereits Partnerschafts- und Kooperationsabkommen über die energiepolitische Zusammenarbeit abgeschlossen. Beispielsweise mit Algerien, Aserbaidschan und Kasachstan. Die Türkei entwickelt sich zu einem zentralen Umschlagplatz für Energielieferungen aus den Erzeugerregionen. Laut EU ist sie deshalb für die Energieversorgungssicherheit Europas von strategischer Bedeutung. "Die Vorbereitung der Aufnahme der Türkei in die EU könnte dazu beitragen, daß die Türkei schon bald die energiepolitischen Rechtsvorschriften der EU übernimmt und anwendet", steht im EU-Papier zur Energieaußenpolitik.

Das Papier fordert auch, "international diskriminierungsfreie und stabile rechtliche Voraussetzungen des freien Marktes für Investitionen im Energiebereich und den Energiehandel" zu schaffen. Angestrebt wird die Öffnung dieser Länder in den Bereichen Produktion und Export von Energieressourcen für die EU-Industrie. Zudem wird ein sogenannter diskriminierungsfreier Transit gefordert. Eine Sprache, die einem irgendwie aus den WTO-Verhandlungen bekannt vorkommt. Eine Politik, die eher geeignet ist, neue Spannungen zu erzeugen als bestehende zu mildern.

Ziel der EU ist es, den ungebremsten Hunger Europas nach fossilen Rohstoffen zu sättigen. Und zwar durch eine neoliberal inspirierte Energieaußenpolitik, die sich vor allem den europäischen Energiekonzernen verpflichtet fühlt und teilweise in instabilen Regionen operiert. Angesichts der rasanten Militarisierung der Außenpolitik sollte dies Anlaß zu ernster Sorge geben.

Atomkraft als Klimaschutztechnologie?

Die "Risikobereitschaft" in der Außenpolitik findet ihre Ergänzung in den technologischen Risiken.

Im "Europäischen Strategieplan für Energietechnologie" ist zu lesen, daß die EU ihre "technologische Führungsrolle bei Kernkraftwerken der vierten Generation und bei der künftigen Fusionstechnologie verteidigen" soll. Es wird die Internationale Energieagentur zitiert, die davon ausgeht, daß der weltweite Einsatz der Atomkraft bis zum Jahr 2030 deutlich steigen wird. Im EU-Grünbuch Energiepolitik wird sogar indirekt Kritik an Ländern ausgesprochen, die Beschlüsse zum Atomausstieg gefaßt haben. Denn die Kernenergie sei gegenwärtig die größte weitgehend CO2-freie Energiequelle in Europa, so das Papier. Beim Frühjahrsgipfel wurde auf Druck von Frankreich dann auch tatsächlich vereinbart, daß die Atomkraft für einzelne Staaten mit ihren jeweiligen Klimazielen verrechnet werden kann. Die EU sieht offensichtlich kaum Gefahren in den unverantwortlichen Risiken der Atomkraft beim Betrieb und aufgrund fehlender Endlagerungsmöglichkeiten.

Eine solche Politik ist nicht nur gefährlich. Sie ist auch irrational. In Deutschland beispielsweise würde bei einer Laufzeitverlängerung der AKWs die CO2-Einsparung bis 2020 gegenüber 1990 im Strombereich nur um 5 Prozentpunkte höher sein als ohne Laufzeitverlängerung. Bezogen auf den Primärenergieverbrauch macht das gerade mal 1,5 Prozentpunkte aus. Überdies ist auch Uran endlich. U-235 wird wirtschaftlich weltweit nur noch etwa 50 Jahre abbaubar sein, beim Ausbau der Kernkraft reichen die Reserven entsprechend kürzer.

CCS – eine weitere Scheinlösung

Weil sich fortgesetzte Kohleverbrennung und Erderwärmung schlecht vertragen, wird nun seit zirka drei Jahren eine dubiose technische Lösung propagiert. Mit zwölf Pilotprojekten und erheblichen Fördermitteln will die EU die umstrittene Abscheidung und unterirdische Verpressung von Kraftwerksemissionen (CCS) bis 2020 im industriellen Maßstab zur Anwendungsreife bringen. Das so genannte CO2-freie Kraftwerk ist aber nichts weiter als ein Technologieversprechen, welches die Kohleära verlängern soll. Und es ist eine Mogelpackung, da kein CO2 gebunden wird; es soll ja lediglich unter die Erde weggeschlossen werden. Erste Versuche dieses riskanten Unterfangens in Texas und in der Nordsee verliefen alles andere als ermutigend. In Texas zerfraß das CO2 das Deckgebirge, in der Nordsee erwiesen sich die Kosten als Faß ohne Boden. Es ist höchst fraglich, ob CCS überhaupt jemals wirtschaftlich zu betreiben sein wird. Schließlich läßt die Technologie den Wirkungsgrad der Kraftwerke wieder auf den Stand der sechziger Jahre zurückfallen. Sollte CCS tatsächlich 2020 zur Anwendung kommen, wäre ohnehin schon ein Drittel des Kraftwerksparks mit "konventionellen" fossilen Meilern ersetzt worden. Und die laufen dann erst einmal 50 Jahre.

Soziale Gerechtigkeit hat keine ökologischen Grenzen

Im Kern ist Klimaschutz eine Hausforderung für die Energiepolitik. Rund ein Drittel der CO2-Belastung wird durch die Kraftwerke, also durch Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen erzeugt. Den Hebel hier anzusetzen bedeutet, nach neuen sicheren Energiequellen zu suchen und den Energieverbrauch drastisch zu reduzieren. Beides bedarf einer grundsätzlichen Kurskorrektur, und in beiden Feldern wird es "der Markt" nicht richten. Marktwirtschaft braucht Verwertbarkeit und Gewinn und fragt nicht nach qualitativem Wachstum und Nachhaltigkeit. Selbst marktwirtschaftliche Steuerungselemente wie der Emissionshandel stoßen, kaum daß sie auf dem "Markt" sind, an ihre Grenzen oder werden ad absurdum geführt. Die Bundesregierung verschenkt die Zertifikate, die Konzerne rechnen dieses Geschenk in ihre Strompreise ein und realisieren riesige Extra-Profite. Oder die Energieriesen investieren Cent-Beträge in schrottreife Technik in den Entwicklungsländern und lassen sich diese Emissions"einsparung" für ihre Dreckschleudern in Europa gutschreiben. Der Markt drängt nicht nach neuen Technologien, sondern nach Höchstgewinnen. Mit niedrigstem Einsatz größtmögliche Dividende. Auch Energieeinsparung ist kein marktwirtschaftliches Ziel, Gewinn realisiert sich aus der Massenproduktion, auch von Energie.

Dabei ist über die soziale Seite des Problems noch nichts gesagt. Die Medien sind voll von Berichten über explodierende Kosten für Kohle, Öl und Gas. In der Folge steigen die Treibstoffpreise an den Zapfsäulen auf Rekordhöhen. Die Fahrpreise klettern in den Himmel, und das Heizöl reißt gewaltige Löcher in die Haushaltskassen ärmerer Familien.

Unter solchen Preisexplosionen leiden zuallererst die sozial Schwächsten. Das gilt für Menschen mit niedrigen Einkommen in Deutschland, aber auch für viele Volkswirtschaften dieser Erde als Ganzes. So zahlen etliche Staaten Asiens und Afrikas im Vergleich zu ihrem Bruttosozialprodukt ein Vielfaches dessen für Öl oder etwa Aluminium, was europäische Länder aufwenden müssen.

Dies ist in erster Linie den riesigen Profiten der Mineralölkonzerne und anderer Rohstoffproduzenten geschuldet. Berücksichtigt werden muß aber auch, daß die Öl- und Gasvorkommen, die mit bezahlbarem Aufwand gefördert werden können, zu Ende gehen. In wenigen Jahren wird sich die Schere zwischen Bedarf und Angebot noch weiter öffnen. Die Rohstoffpreise werden nie gekannte Höhen erreichen. Ähnliches gilt für zahlreiche Minerale und Metalle. Schon jetzt zahlen die Unternehmen für Edelstahl mehr als doppelt so viel wie im Jahr 2005.

Klimaschutz muß politisch erstritten werden

Die Durchsetzung einer alternativen Entwicklungsrichtung ist eine Frage der politischen Kräfteverhältnisse und eine Frage von mehr Verteilungsgerechtigkeit. Zur Erforschung und den Einsatz erneuerbarer Energiequellen sowie kostenintensiver Maßnahmen zur nachhaltigen Reduzierung des Energieverbrauchs sind riesige Investitionen nötig.

Dazu müssen insbesondere jene herangezogen werden, die bislang von der Energievergeudung profitierten. Sie werden sich nicht freiwillig melden.

Nur in wenigen Bereichen der Politik wird so offensichtlich, daß das herrschende Wachstums- und Regulierungsmodell der kapitalistischen Marktwirtschaft an seine Grenzen stößt. Geradezu plastisch wird, wie unser überkommenes fossil-atomares Energiesystem in der Hand von riesigen Konzernen nicht nur mit dem Erdklima kollidiert, sondern auch politische und soziale Konflikte provoziert.

Angesichts des kleinen Zeitfensters, welches zur Verfügung steht, hilft die abstrakte Frage, ob der Kapitalismus diese Grenzen überwinden kann oder nicht, wenig weiter.

Im Ringen um die nächsten praktischen Maßnahmen und konkreten Schritte kann die Erkenntnis über die gesellschaftliche Zusammenhänge von Klimakatastrophe, kapitalistischem Eigentum, weltweiter sozialer Ungerechtigkeit und imperialer Politik wachsen. Daran muß DIE LINKE arbeiten.

Eva Bulling-Schröter ist umweltpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE und stellvertretende Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag. Zudem ist sie Landessprecherin der LINKEN in Bayern.