Sie sind uns gefolgt
Präsident Evo Morales vor der UNO-Vollversammlung
Das Konzept des »Vivir bien« oder des »Buen vivir«, wie unser Bruderpräsident von Ecuador es bezeichnet, ist die Synthese des gemeinschaftlichen Sozialismus, während das »besser leben« die Synthese des Kapitalismus darstellt; darin besteht der große Unterschied.
Euch, liebe Schwestern und Brüder, möchte ich sagen, dass wir im »Vivir bien« solidarisch und uns gegenseitig ergänzend leben, und zwar nicht nur solidarisch unter den Menschen, sondern wir leben auch in Harmonie mit der Mutter Erde. […] Ich habe das Gefühl, liebe Schwestern und Brüder, dass die künftigen Generationen zu Antiimperialisten, zu Antikapitalisten werden, denn das ist das Erbe des Kapitalismus. Und nun sagt uns der Norden, dass wir seine Waldhüter sein sollen, aber wir werden nicht die Waldhüter des Nordens sein, wir werden nicht zulassen, dass sie ihre Verantwortung auf uns abschieben, ihre Verpflichtungen gegenüber den Entwicklungsländern.
[...] ich habe etwas in Erinnerung, was ich euch mitteilen möchte, und ich hoffe, euch damit nicht zu langweilen. Als ich das Präsidentenamt übernahm, suchte mich der Botschafter der Vereinigten Staaten auf, damals gab es noch einen Botschafter. Er übermittelte mir Instruktionen: »Präsident Evo, Sie dürfen diplomatische Beziehungen weder mit Kuba noch mit Venezuela oder dem Iran aufnehmen.« Gut, es kam eine Delegation von Kongressabgeordneten aus den Vereinigten Staaten, die mich ebenfalls instruierten: »Präsident Evo, Sie dürfen keine Beziehungen zu den drei genannten Staaten aufnehmen.« Natürlich habe ich das zurückgewiesen und sagte, dass, wenn wir die ökonomischen Ressourcen dafür hätten, wir in der ganzen Welt Botschaften eröffnen würden, und mir niemand vorschreiben könne, mit wem ich diplomatische Beziehungen unterhalten möchte und mit wem nicht.
Diese Geschichte ist nun Vergangenheit; ich habe den Vereinigten Staaten niemals vorgeschrieben, diplomatische Beziehungen zu Kuba oder mit dem Iran zu unterhalten; aber ich habe das Gefühl, sie sind uns gefolgt, mein Glückwunsch dazu; jetzt unterhalten sie diplomatische Beziehungen zu Kuba und mit dem Iran, es fehlt noch Venezuela, hoffentlich gibt es sie bald mit Venezuela. (Beifall) Das sind unsere Erfahrungen, aber nicht nur die diplomatischen Beziehungen mit Kuba sollten schließlich mit einem Austausch von Botschaftern abgeschlossen werden, unser großer Wunsch als bolivianisches Volk ist es, dass die Vereinigten Staaten Guantánamo an Kuba zurückgeben, und dass mit der Wirtschaftsblockade ein für allemal Schluss gemacht wird. (Beifall)
[...] Es ist die Schuld meiner Mutter, dass man mich gelehrt hat, katholisch zu sein; bedauerlicherweise war ich wegen einiger Kirchenoberhäupter von der katholischen Kirche enttäuscht, aber mit diesem Bruder Papst, diesem Bruder, der den Kapitalismus in Frage stellt, der fordert, sich nicht der Gottheit Geld zu unterwerfen, wurde meine Moral wieder aufgerichtet, jetzt bin ich katholischer als früher. […] und da er für das Leben und den Frieden sein Leben riskiert, haben wir die Verpflichtung, den Bruder Papst Franziskus zu verteidigen und ihn zu unterstützen, darum bitte ich.
Vielen Dank, Schwestern und Brüder (Beifall)
Aus der Rede des Präsidenten des Plurinationalen Staates Bolivien, Evo Morales, auf der Vollversammlung der Vereinten Nationen am 28. September 2015, Übersetzung: Gerhard Mertschenk.
amerika21.de/dokument/136062/evo-morales-generalversammlung – 4. November 2015.