"Shalom und Salam" – Bericht über eine Podiumsdiskussion
Ellen Brombacher und Wulf Kleus, Berlin
Am 13. Oktober 2008 fand auf Initiative junger Genossinnen und Genossen von Linksjugend [´solid] im ND-Gebäude eine gut besuchte Podiumsdiskussion zum Thema "Shalom und Salam – Interessen im Nahen Osten" statt. Als Podiumsgäste waren erschienen: Norman Paech, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der LINKEN, Max Steiniger, Bundessprecher von Linksjugend [´solid] und Ellen Brombacher, Bundessprecherin der Kommunistischen Plattform.
Norman Paech: In unruhigen Gewässern
Nach einleitenden Worten von Wulf Kleus, der die Veranstaltung moderierte, trug Norman Paech seine Überlegungen vor. "Wir diskutieren", so Norman Paech, "in unruhigen Gewässern". Die Nahost-Debatte habe sich verbal aufgeschaukelt und beherrsche auch den innerjüdischen Dialog. Er verwies u.a. auf die Angriffe gegen Rolf Verleger. Diese Angriffe erfolgten mit ungeheurer Aggressivität und denunziatorisch. Je mehr die in Israel Regierenden zu Kompromissen gedrängt und je stärker diese sich dagegen wehren würden, desto aggressiver würden die Debatten in Deutschland. In der israelischen Presse würde die Politik des Landes durchaus kritisiert. Jeff Halper, der zu jenen gehörte, die mit Schiffen von Zypern nach Gaza aufbrachen, sagte, es sei frustrierend, daß die Israelis nicht verstehen würden, daß sie als die Stärkeren dem Bemühen der Mehrheit der Palästinenser nach Frieden Rechnung tragen müßten. Bei all den Interviews, die – so Halper weiter – mit denen gemacht worden seien, welche die Gaza-Blockade durchbrachen, sei nirgendwo wirkliche Neugier im Spiel gewesen. Keiner der Journalisten habe gefragt, wie man in Gaza lebt, keiner erwähnte den Besatzungsalltag. Dennoch könne keiner verhindern, daß die Wahrheit sich durchsetzen würde. Niemand, so Norman Paech, solle sich entschuldigen, von nichts zu wissen. Hinsichtlich der Zukunft des Nahen Ostens ging er besonders auf die Frage der behaupteten zukünftigen Atombewaffnung des Iran ein. Er hielte dies für eines der schwierigsten Probleme. Ohne Zweifel spitzten die inakzeptablen Erklärungen Ahmadinedschads die Situation zu, denn diese verschärfen den Antisemitismus. Das habe vor allem innenpolitische Aspekte. Zugleich, so Norman Paech weiter, erkläre der iranische Präsident, daß sein Land keine Angriffsabsichten gegen Israel hege. Währenddessen kämen scharfmacherische Äußerungen von israelischen Militärs. Man dränge die Amerikaner, Iran anzugreifen. Die Situation sei äußerst angespannt, und es könne jederzeit zur militärischen Eskalation kommen. Zur Atomwaffenfrage sagte Norman Paech, eine Lösung sei die Errichtung einer nuklearfreien Zone. Doch die sei wohl illusorisch. Israel würde dem nie zustimmen. Und die Erfahrung sei, wenn es der eine hat, machen es die anderen. Dennoch: Nur mit radikalen Maßnahmen sei die Kriegsgefahr zu bannen. Norman Paech verwies auf die jüngsten Feststellungen Olmerts, Israel würde keinen Frieden kriegen, "es sei denn, wir verließen die Westbank und geben Ostjerusalem zurück". Olmert habe nichts zu den Flüchtlingen gesagt. Hier sei eine Lösung notwendig. Die übrigen Fragen, so Wasser und Sicherheit, seien verhandelbar. Woran alles scheitere sei das Problem, wo die Grenzen Israels letztlich sein sollen. Notwendig sei es, schnell die Blockade Gazas aufzuheben. Dort spiele sich eine menschliche Katastrophe ab. Um diese Blockade aufzuheben, sei es notwendig, daß die Angriffe auf Israel von dort aufhören. Doch um die zu stoppen, muß Kontakt zur Hamas aufgenommen werden. Die Situation erfordere Schritte, die radikal aussehen, aber eigentlich ganz normal sind. Das erfordere ein neues Denken, vor allem in Israel.
In der anschließenden Runde im Podium fragte Wulf Kleus den Genossen Norman Paech nach seinen Vorstellungen über die israelische Regierungspolitik nach den bevorstehenden Neuwahlen in Israel. Ob Zippi Livni eine Politik betreiben würde, die sich von der Feststellung Olmerts leiten ließe, Frieden sei nur möglich, wenn Israel die Westbank verließe und Ostjerusalem zurückgäbe, könne er nicht sagen. Das Problem, so Norman Paech, seien die Siedler. Bei einem Teil ließe sich das über Gelder für eine Umsiedlung in den Grenzen der grünen Linie Israels regeln. Es blieben die militanten Siedler. Um mit den daraus resultierenden Problemen fertig zu werden, bedürfe es einer breiten Koalition, und die Frage sei, ob Zippi Livni die zustande brächte. Diese Koalition müßte dann von den USA, Frankreich etc. unterstützt werden. Und letztere müßten begreifen, daß ein kompromißbereites Israel der bessere Vertreter auch ihrer Interessen wäre.
Max Steiniger: Klassenfrage ist entscheidend
Max Steiniger stellte am Beginn seiner Rede dar, wie im Jugendverband Linksjugend [´solid] bisher versucht wurde, sich dem Thema Nahostkonflikt anzunähern. In diesem Zusammenhang erwähnte er den Beschluß "Shalom heißt Frieden" des BundessprecherInnenrates und des Länderrates (letzterer ist vergleichbar mit dem Bundessausschuß der Partei – die Verf.). Dieser Beschluß beinhalte eine differenzierte und sachliche Positionierung zum Thema Nahost-Konflikt und sei mit klarer Mehrheit und ohne Gegenstimme beschlossen worden.
Antifaschismus sei ein zentraler Grundpfeiler für den Jugendverband. Dazu gehöre auch die offensive Auseinandersetzung mit Faschisten und deren Parolen gegen Juden und Muslime. Der Holocaust, aber durchaus auch andere Faktoren wie beispielsweise die restriktive Displaced-Person-Einwanderungspolitik der USA hätten die Attraktivität des Zionismus erhöht. Den israelischen Marxisten Jakob Taut zitierend, wies Max Steiniger drauf hin, daß der Antisemitismus der "Vater des Zionismus" sei.
Es sei eine historische Tragödie, daß der Zionismus, geboren aus der Erfahrung antisemitischer Unterdrückung, sein eigenes politisches Ziel, nämlich die Schaffung eines Nationalstaates, mit den Mitteln des Terrors und der Vertreibung durchgesetzt hat. Die Vertreibung zehntausender Palästinenser bis zum heutigen Tage ließe sich nicht rechtfertigen.
Manche Linke versuchten, den Konflikt auf einen nationalen, kulturellen oder religiösen zu beschränken. Das Problem an dieser Denkweise sei, daß diese nicht ohne rassistische Untertöne auskomme, aber gerade die Abgrenzung und die Betonung der Ungleichheit zwischen den Kulturen könne keine Lösungsperspektive des Konflikts aufweisen. Linke müßten dieses Denken ablehnen. Ebenso müsse man Versuche ablehnen, die Islamfeindlichkeit als Notwendigkeit im Kampf gegen Antisemitismus zu rechtfertigen oder Kritik an Israel mit antisemitischen Ressentiments zu verknüpfen. Die bekanntesten Negativbeispiele für diese Versuche seien auf der einen Seite bei Ahmadinedschad und auf der anderen Seite bei Hendryk M. Broder zu sehen, welcher die Muslimfeindlichkeit in Deutschland zu forcieren beabsichtige.
Der Nahostkonflikt, so Max Steiniger, ließe sich nicht ohne die imperialistischen Bestrebungen der alliierten Westmächte erklären, die die Shoa zynisch für ihre eigenen Interessen im Nahen Osten mißbrauchten. Der Einfluß im ölreichen mittleren Osten und dessen Kontrolle sei, so Max Steiniger, die Grundlage für jede kapitalistische Großmacht. Fossile Energie sei schließlich materielle Grundvoraussetzung für ökonomische Prosperität im industrialisierten Kapitalismus.
Max Steiniger wies abschließend darauf hin, daß es viele unterstützenswerte Initiativen im Nahostkonflikt gebe: International Solidarity Movement, Women For Peace, Alternative Information Center, Anarchist Against The Wall, Women in Black und viele andere. "Für uns als Linke", so Max Steiniger, "darf es nicht entscheidend sein, ob jemand Palästinenser oder Jude ist. Für uns ist die entscheidende Frage, ob wir uns zu Vertretern des Gesellschaftssystems Kapitalismus machen, das Besatzung, Folter, Mord und Vertreibung in sich trägt wie die Wolke den Regen – kurz: eines Gewaltregimes zugunsten einer kleinen, privilegierten, herrschenden Klasse – oder ob wir uns erstens auf die Seite derjenigen stellen, die real von diesem Regime betroffen sind und uns zweitens für jene engagieren, die sich dieses Regime zum Gegner gemacht haben, um es durch eine friedlichere, sozialere, gerechtere und demokratischere Gesellschaft zu ersetzen. Internationale Solidarität ist unsere stärkste Waffe. Unsere Solidarität gilt den Unterdrückten und Ausgebeuteten."
In der anschließenden Runde im Podium fragte Wulf Kleus den Genossen Max Steiniger nach den Gründen für den Einfluß antideutscher "Theorien" auf manche junge Menschen. Max Steiniger meinte dazu, daß heutzutage viele junge Leute über ein antifaschistisches Grundempfinden zum linken, politischen Engagement fänden. Antideutsche Ideologien entsprängen aus einer vermeintlichen Antithese zu allem, was Nazis sagen oder in der Vergangenheit gesagt haben. Wenn Nazis z.B. gegen das Finanzkapital wetterten, dann meinten in antideutschen "Theorien" denkende Leute, sie dürften nicht mehr das Finanzkapital kritisieren. Daß die Nazis in Wirklichkeit gar nicht gegen das Finanzkapital seien, übersehe man dabei. Diese Herangehensweise sei nicht ungefährlich. Der rassistischen und nationalistischen Denkweise der Nazis müßten wir vielmehr, so Max Steiniger, eine sozialistische Klassenanalyse entgegensetzen.
Ellen Brombacher: "Die Palästinenser" von Hans Lebrecht lesen!
Ellen Brombacher bedauerte eingangs, daß sich vom BAK Shalom und deren Protagonisten niemand bereit fand, an der Podiumsdiskussion teilzunehmen. Sie hätte denen sonst gerne zwei Fragen gestellt: Was nämlich Antisemitismus auf der einen Seite und Antizionismus sowie Antiamerikanismus auf der anderen Seite miteinander zu tun hätten. Sie unterstelle mit dieser Frage nicht per se, daß Antisemitismus und Antizionismus nichts miteinander zu tun haben könnten. Sie könnten – aber sie müßten absolut nicht. Die zweite Frage wäre, was regressiver Antikapitalismus sei. Im philosophischen Sinne bedeute regressiv: von der Wirkung auf die Ursache zurückgehend. Also sei regressiver Antikapitalismus, so beantwortete Ellen Brombacher die Frage selbst, ein von der Wirkung auf die Ursache zurückgehender Antikapitalismus. Das sei nunmehr schlichtweg Schwachsinn. Antikapitalismus sei die wirksamste und nachhaltigste Möglichkeit, sich gegen Rassismus zu stellen und daher auch gegen Antisemitismus. Die mörderischste Form des Antisemitismus sei der Faschismus gewesen. Das sei nicht nur irgendein Wahnsinn eines irrsinnigen Hitlers gewesen. Das habe zur Kriegsvorbereitung ebenso wie zum Krieg selbst gehört, und zwar ideologisch wie ökonomisch. Sie erläuterte am Beispiel von Auschwitz die durch nichts eingeschränkte Ausbeutungsmöglichkeit von Millionen Häftlingen, deren Arbeitskraft nicht reproduziert werden mußte, weil sie ermordet wurden, wenn ihre Arbeitsfähigkeit nicht mehr gegeben war. Ohne diese Massenmordmaschinerie hätten die Faschisten den Krieg so nicht führen und durchhalten können, und ohne sie hätte es die gewaltigen Profite nicht gegeben, die das deutsche Kapital im II. Weltkrieg realisierte.
Wer also behaupte, Antikapitalismus führe zu Antisemitismus, wisse weder etwas über die Zusammenhänge von Kapitalismus und Faschismus, noch sei ihm bewußt, daß er mit dieser These antisemitische Klischees bediene. Denn ein solches Klischee sei, daß Juden stets in Verbindung mit Geld, resp. Kapital zu bringen seien. Es sei eine Gemeinheit, all jenen, die die Politik und Praxis des israelischen Staates kritisieren bzw. verurteilen, Antisemitismus vorzuwerfen. Es sei eine dreiste Unverschämtheit, Normen Paech des Antisemitismus zu bezichtigen. Jeglicher Kritik an Israels Politik Antisemitismus zu unterstellen sei identisch damit, den Palästinensern ihre legitimen Rechte abzusprechen, die Kriege Israels von 1967, 1982 und 2007 zu rechtfertigen sowie das Flüchtlingsdrama zu bagatellisieren, ohne dessen Lösung es keinen Frieden geben könne. Das bedeute ebenso, den unsäglichen Siedlungsbau zu rechtfertigen, der im Westjordanland jeden Versuch zunichte machen muß, einen eigenständigen palästinensischen Staat zu errichten. Sie ging dann auf den UNO-Beschluß vom Mai 1948 und auf die Position der Sowjetunion zur Zweistaatenlösung ein und empfahl in diesem Zusammenhang die Bücher von Hans Lebrecht "Die Palästinenser" und "Gekrümmte Wege, doch ein Ziel". Lebrecht habe ein sehr realistisches Bild über die Geschichte des Nahen Ostens gezeichnet, und hinsichtlich der Verantwortung für die dortige Entwicklung weder die englischen Kolonialherren noch die Zionisten noch die arabische Reaktion geschont. Lebrecht stelle das Existenzrecht Israels absolut nicht in Frage. Im Gegenteil. Aber, so Ellen Brombacher, es könne nicht sein, daß das Existenzrecht Israels von manchen so ausgelegt wird, als sei es gleichbedeutend mit der totalen Entrechtung der Palästinenser. Sie stellte – nach klarer Verneinung, daß Kritik an Israels Politik per se antisemitisch sei – dann die Frage, ob Israel-Kritik antisemitisch sein könne und beantwortete dies eindeutig mit ja! Sie belegte das mit Beispielen, die verdeutlichten, daß sowohl unter der Flagge der Israelkritik Antisemitismus existieren könne als auch ein latenter, sozusagen unbewußter Antisemitismus, sogar unter manchen Linken. Sie übte härteste Kritik an bestimmten Anti-Israel-Bemerkungen Ahmadinedschads und an der unsäglichen "Konferenz" in Teheran über den in seinen Ausmaßen in Frage gestellten Holocaust. Sie zeigte sich fassungslos darüber, daß iranische Studenten straflos eine Karikatur veröffentlichen konnten, wo Juden, aus der Gaskammer kommend, sich vor dem Eingang wieder aufstellen. Dies suggeriere, die Zahl der sechs Millionen ermordeten Juden sei durch Manipulationen zustande gekommen. Dies sei für jede Jüdin und für jeden Juden auf der Welt unerträglich, wo auch immer wohnhaft, ob gläubig oder Atheist, ob alt oder jung. Auch die arabische Reaktion habe stets Steilvorlagen für die Falken in Israel geliefert: Erinnert sei an die schlimme Rolle des Mufti von Jerusalem oder bestimmte Formen des Widerstands, die sich gegen Zivilisten richten. Als Rabin ermordet wurde, waren 70% der israelischen Bevölkerung für einen Frieden mit den Palästinensern. Kurz darauf seien einige Selbstmordattentate erfolgt, die fast ausschließlich die israelische Zivilbevölkerung trafen, und die Anzahl der Friedensbefürworter sank auf unter 50%. Abschließend sagte Ellen Brombacher, sowenig, wie der Vorwurf gerechtfertigt sei, Kritik an Israel sei per se antisemitisch, sowenig sei Antisemitismus unter der Flagge der Israelkritik ein Kavaliersdelikt. Die Linke müsse diese Gratwanderung bewältigen, weil alles andere Spaltung bedeute. Das sei ein ungeheurer Anspruch an den Intellekt und an die emotionale Intelligenz jedes einzelnen.
In der darauf folgenden Podiumsrunde fragte Wulf Kleus die Genossin Ellen Brombacher nach den Auseinandersetzungen zum Thema Israel in der LINKEN. Ellen Brombacher verwies auf das Papier "Staatsräson und Regierungsbeteiligung – Überlegungen zur Rede Gregor Gysis auf einer Veranstaltung ‚60 Jahre Israel‘ der Rosa-Luxemburg-Stiftung". Es sei interessant, daß es keinerlei Angriffe auf dieses Papier gegeben habe. Die Protagonisten von BAK Shalom hätten es wohl vorgezogen, es totzuschweigen. Demzufolge seien die im Papier fixierten Positionen wohl die richtigen, weil von den Unterzeichnern trotz ihrer massiven Kritik an Israel offensichtlich keine Anhaltspunkte für Antisemitismusvorwürfe geliefert wurden. Das wesentliche an dem Papier sei, daß es den Zusammenhang zwischen abstrusen "Theorien" – nicht nur von BAK Shalom – und den Wünschen mancher in der LINKEN, auf Bundesebene koalitionsfähig zu werden, verdeutliche. Es gelte, sehr wachsam zu sein, um zu verhindern, daß die friedenspolitischen Prinzipien der Partei aufgegeben werden.
In der sich anschließenden Diskussion mit den Gästen der Veranstaltung wurde im wesentlichen Übereinstimmung mit den Auffassungen der Podiumsteilnehmer deutlich. Eine junge Teilnehmerin machte darauf aufmerksam, daß der Holocaust nicht nur mit dem Profit zu tun gehabt habe, sondern auch mit religiösen Gefühlen. Und – daß das Nahost-Thema so schwierig sei, habe ja durchaus mit dem Holocaust zu tun. Bis heute könne man ja nicht begreifen, was da eigentlich passiert sei. Auschwitz sei unbegreiflich. Des Weiteren fragte sie, ob es im nahöstlichen Raum Menschen gäbe, die nicht daran interessiert seien, daß dort Frieden einzieht. Die nächste Diskussionsrednerin sprach über den Zionismus, ohne zwischen den Strömungen zu differenzieren. Sie zitierte ausführlich Wladimir Jabotinsky und schlußfolgerte, Israel würde nie verschwinden, wenn die Linken nicht gemeinsam gegen den Zionismus solidarisch seien. Mehrere Redner nahmen anschließend kritisch Bezug auf diesen Beitrag. Ein Diskutant warnte vor Vereinfachungen, z.B. davor, den Zionismus auf Jabotinsky zu reduzieren. Er wandte sich explizit gegen die Formulierung vom Verschwinden Israels und unterstrich das Existenzrecht eines palästinensischen Staates und Israels. Ein iranischer Genosse sprach über seine Erinnerungen. Er habe jüdische Mitschüler gehabt, und es hätte da keine Probleme gegeben. Von den furchtbaren Ereignissen aus der jüdischen Geschichte habe er nicht viel gewußt. Nach dem Sturz von Mossadegh und der Rückkehr des Schahs habe die iranische Bruderschaft ganz scharf gegen Israel gehetzt. Die Juden seien an allem schuld, habe es geheißen. Auch gegenwärtig würde der Haß gegen Juden wieder geschürt. "Wir müssen", so der Genosse, "die Vergangenheit erklären: Wie der Zionismus zustande gekommen ist, welches der Unterschied zwischen Antizionismus und Antisemitismus ist und daß es letztlich darauf ankommt, gegen die imperialistische Politik zu mobilisieren, die sich gegen die Interessen aller Völker richtet." Ein Vertreter von Venezuela Avanza sprach über die seit vierzig Jahren anhaltende Blockade gegen Kuba. Seit 1992 gebe es in der UNO Abstimmungen über eine Aufhebung der Blockade. Nur sehr wenige Staaten stimmten immer wieder für die Aufrechterhaltung selbiger, darunter die USA und Israel. Er übe Solidarität mit Kuba und ließe sich dafür in keine antisemitische Ecke stellen. Eine syrische Kurdin sprach über ihr besonders sensibles Verhältnis zum Nahost-Konflikt. Ihre Mutter sei direkt von den Vertreibungen betroffen gewesen. Sie sprach über ihr Engagement in der LINKEN für einen gerechten Frieden im Nahen Osten. Ein älterer Genosse stellte die Frage, warum eine Gruppierung wie BAK Shalom bei der LINKEN, resp. Linksjugend [´solid], akzeptiert und warum sich der Parteivorstand hier nicht positionieren würde. Er fühle sich in der Partei nicht mehr wohl, wenn er so etwas erleben müsse.
Norman Paech schloß die Veranstaltung ab. Wenn wir den Zionismus kritisierten, so sei es seine aggressivste Variante. Dies dürften wir uns nicht verbieten lassen. Für Linke bedeute Solidarität immer Solidarität mit den Schwachen. Man könne nicht solidarisch sein mit den Palästinensern ohne Solidarität mit der israelischen Bevölkerung, man müsse Israel von der Militarisierung befreien. In diesem Sinne müßten wir Druck auf die deutsche Regierung ausüben. Als letzter Diskutant in der Veranstaltung erhielt Victor Grossman das Wort. Er lud zur Veranstaltung "Die LINKE und ihre Sicht auf die USA" ein, bei der er mitwirken würde und ebenso Sebastian Voigt, der die Positionen vom BAK Shalom vertrete.
Korrektur: Im Beitrag "Nachbetrachtungen zu einer teilboykottierten Veranstaltung" (Heft 11/08, S. 29/30), der ein erstes Resümee der Diskussion vom 13. 10. 2008 zog, waren einige Namen leider nicht richtig geschrieben. Sie lauten korrekt: Bjoern Tielebein, Philipp Häusler, Christin Löchner.