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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Selbst

Prof. Dr. Kurt Pätzold, Berlin

 

Nach der Bundestagsrede des israelischen Staatspräsidenten hatten sich einige Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE im weiten Rund des Sitzungssaales nicht wie die Mehrheit zu einer Ovation erhoben. Wer die Rede gehört hatte, brauchte für dieses Verhalten keine besondere Erklärung. In der aus Anlaß des Gedenkens an die Opfer des deutschen Faschismus gehaltenen Ansprache war nach guten und treffenden Worten die Außenpolitik Israels eingenebelt und beschönigt und Vorkriegsstimmung gegen einen seiner nicht so fernen Nachbarn geweckt worden. Das zu beklatschen ist niemandes Pflicht. Es zu unterlassen war möglich, denn die Ehrung der Millionen Getöteten hatte gemeinsam stattgefunden. Der Sachverhalt lag für jeden der politisch bis drei zählen kann, zutage. Manche, die das durchaus können, wollten es aber in diesem Falle nicht. Das Vorkommnis, das in einer Republik als Meinungs- und Verhaltensfreiheit gelten sollte, war ihnen, was der Volksmund ein gefundenes Fressen nennt. Sie gaben ihm ihre verleumderische Interpretation.

Nicht diesem Vorgang, sondern der Antwort Sahra Wagenknechts, der Prominenten unter den Sitzenbleiberinnen, hat sich die sozialistisches Tageszeitung Neues Deutschland (Ausgabe: 5. Februar 2010) in einem Kommentar angenommen. Zitiert wird die Attackierte mit den Worten: "Daß ich nach der Rede von Shimon Peres nicht an den stehenden Ovationen teilgenommen habe, liegt darin begründet, daß ich einem Staatsmann, der selbst für Krieg mitverantwortlich ist, einen solchen Respekt nicht zollen kann." Der philologisch interessierte Redakteur bohrte sich in diesem Satz an dem Wörtchen selbst fest. Das befindet er zunächst als überflüssig. Darüber ließe sich reden oder einfach auch zur Kenntnis nehmen, daß selbst in diesem Kontextdie Aussage im Hinblick auf die in Rede stehende Person verstärkt. Er ist für Krieg persönlich, in persona mitverantwortlich, nicht nur indirekt aufgrund seines Amtes. Reden wir nicht über den Unterricht in der deutschen Sprache an deutschen Schulen und dessen Ergebnisse, an denen zum wenigsten die Lehrer Schuld tragen.

Dann aber wird gefragt, ob in dem Wörtchen selbst sich nicht eine Deutungsmöglichkeit verberge, die den Krieg der Nazis mit dem der Israelis gegen die Palästinenser aufwiege. Auf die Idee muß man kommen. Und der, nachdem man sie den Lesern der Zeitung offeriert hat, dann selbst (das heißt hier: sogar und enthält keinen Bezug zu Hitler) noch anzufügen, man möchte derlei Interpretation der Sahra Wagenknecht nicht wünschen – darüber läßt sich freilich weder reden noch schreiben. Tucholsky hatte für solchen Fall eine Devise: So tief kann man nicht schießen.

Zuerst erschienen in: Ossietzky, 4/2010, Seite 146.