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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Schluss mit der Bedroh(n)ung!

Harald Koch, MdB

Drohnen - wer hätte gedacht, dass dieses Thema in den vergangenen Wochen und Monaten so hochkocht? Wie meine Fraktion und Partei fordere ich den vollständigen Verzicht auf Entwicklung, Beschaffung und Nutzung von Spionage- und Kampfdrohnen durch die Bundeswehr. Entwicklung, Herstellung und Verwendung von Spionage- und Kampfdrohnen sowie der Handel mit ihnen müssen zugleich international und allumfassend geächtet werden.

Deutschland muss weiterhin umgehend aus dem NATO-Beschaffungsvorhaben Allied Ground Surveillance (Global Hawk) aussteigen. Ich verurteile auch, dass die US-Armee von dem in Stuttgart ansässigen U.S. Africa Command (Africom) den Einsatz von Drohnen steuert, mit denen in Afrika gezielt Menschen ermordet werden. Diese Einsätze wie alle anderen Einsätze von Kampfdrohnen müssen umgehend gestoppt werden. Die Bundesregierung hat dafür Sorge zu tragen, dass NATO- oder US-Armee von deutschem Boden aus keinerlei Drohnenflüge starten oder steuern.

Nachdem Mitte Mai das Bundesverteidigungsministerium aus dem milliardenschweren Programm zur Beschaffung der Spionagedrohne "Eurohawk" ausstieg, hinterfragt eine wachsende Zahl an Bürgerinnen und Bürgern zu Recht mit Sorge den Sinn dieser Technologie. Auch ich möchte der Regierung weiter auf den Zahn fühlen und sitze für unsere Fraktion auch im Untersuchungsausschuss Eurohawk, der seine Arbeit mit den ersten Zeugenvernehmungen jetzt Ende Juli aufnimmt. MDR-aktuell hat darüber berichtet [1].

Die Bundesregierung hat derweil bekräftigt, dass sie ungeachtet des Eurohawk-Debakels an den Plänen festhält, die Bundeswehr mit Spionage- und Kampfdrohnen auszustatten. Das Bundesverteidigungsministerium hat in den USA bereits Interesse am Kauf von Drohnen des Typ REAPER angezeigt. Dabei handelt es sich um Drohnen, die in ihrer bewaffneten Version in Afghanistan und Pakistan zum Einsatz kamen und kommen, um Personen zu ermorden, die der US-Geheimdienst auf Todeslisten gesetzt hat.

Bei diesen als "gezielte Tötungen" verharmlosten Verbrechen wurde auch der Tod Hunderter Zivilisten in Kauf genommen. "Gezielte Tötungen", Töten auf Verdacht, Angst und Einschüchterung der Bevölkerung ganzer Regionen - das sind die Auswirkungen dieser Art von Kriegsführung. Über die Opferzahlen gibt es zwar unterschiedliche Angaben. Diese stimmen jedoch in der Größenordnung überein: Allein für Pakistan gehen die meisten Studien von mehreren Hundert getöteten Zivilisten aus.

Kampf- und Spionagedrohnen werden also vor allem für militärische Operationen gebaut, die in feindlichen oder neutralen Gebieten erfolgen und deren Ziele nicht fremde Streitkräfte sind, sondern Einzelpersonen bzw. kleine Gruppen. In Jemen, Somalia und Pakistan müssen die Bevölkerungen ganzer Ortschaften in stetiger Angst vor Angriffen durch US-Kampfdrohnen leben.

Kampf- und Spionagedrohnen sind überdies ein Symbol für die Missachtung staatlicher Souveränität geworden: Da es sich zumeist um verdeckte Missionen von US-Geheimdiensten handelt, haben die Regierungen in den Einsatzländern kaum Einfluss auf die Art und Weise, wie Kampfdrohnen auf ihrem Territorium operieren. Dies betrifft auch Deutschland, denn über AFRICOM, der in Stuttgart befindlichen Kommandozentrale der US-Streitkräfte für Afrika, werden Drohnenangriffe gegen Verdächtigte in Somalia, Sudan, Mali und anderen Staaten koordiniert. Die Bundesregierung hat im Mai 2013 mitgeteilt, dass sie über derartige Vorgänge nicht informiert wird. Ein Skandal!

Kampfdrohnen stehen demnach nicht nur für systematische Menschenrechtsverletzungen und die Missachtung völkerrechtlicher Standards in den Konfliktgebieten, sondern gleichfalls für eine gefährliche Leerstelle in der Rüstungskontrolle. Der Besitz von Kampfdrohnen kann in der Zukunft die Hemmschwelle zur Anwendung militärischer Gewalt gegenüber Gegnern sinken lassen. Er stellt gleichzeitig die Motivation der jeweiligen Gegenseite dar, selbst Kampfdrohnen zu erwerben. Ein neuer Rüstungswettlauf würde starten - das darf nicht sein!

Begleitend ist schon ein weltweiter Aufrüstungsprozess mit so genannten Aufklärungs- und Überwachungsdrohnen zu beobachten. In welchem Umfang sich auch Deutschland daran beteiligt, ist bei dem Debakel um das oben schon genannte, unbemannte "Aufklärungsflugzeug" Eurohawk, das bisher über 500 Mio. Euro gekostet hat, zu beobachten. Dieses Projekt ist seit 2001 von Rot-Grün und danach von CDU/FDP-Regierungen gleichermaßen verfolgt worden. Beide wollten damit die Neuausrichtung der Bundeswehr zur Interventionsarmee unterstützen. Eine Neuausrichtung, die ich strikt ablehne, weil die grundgesetzliche Aufgabe der Bundeswehr die Landesverteidigung ist. Der Verteidigungsminister hielt bis zuletzt trotz aller aufgetretenen Probleme und Risiken an dem Vorhaben fest und handelte im Widerspruch zu seiner Ankündigung in 2011, er wolle alle Großprojekte der Bundeswehr auf den Prüfstand stellen.

Aufklärungs- und Überwachungsdrohnen sind aber nicht harmlos! Sie sind eng mit den "Neuen Kriegen" verknüpft. Die rüstungstechnologische Überlegenheit der Drohnen wird als wichtige Grundlage angesehen, um künftig Militärinterventionen durchführen zu können. Es geht darum, diese mit den für die Kriegführung benötigten Daten und Informationen zu versorgen.

Überlegen wir doch nur mal: Wenn sich mehr und mehr Staaten solche Spionageflugzeuge zulegen, wird die Welt nicht sicherer. Im Gegenteil: Misstrauen wird erzeugt, Spannungen werden verschärft und die Bereitschaft zum Waffeneinsatz kann zunehmen.

Sowohl SPD und Grüne als auch CDU/CSU und FDP verfolgen jedoch genau diese Politik mit dem Ziel, die Bundeswehr technisch in die Lage zu versetzen, eine noch wichtigere Rolle bei der Beteiligung an den internationalen Kampfeinsätzen der Zukunft einzunehmen.

Die Eurohawk-Affäre ist ein besonders drastischer, aber längst nicht der einzige Fall (!) von Kontrollversagen bei Rüstungsprojekten. Die Betrachtung des Einzelfalls Eurohawk darf aber nicht den Blick darauf verstellen, dass teure Kungelei mit der Rüstungsindustrie Teil der schlechten Traditionen im Verteidigungsministerium ist.

Der genannte Untersuchungsausschuss dazu muss sich, wenn er denn nachhaltig wirken soll, auch mit der grundsätzlichen Entfilzung des Interessengeflechts zwischen Rüstungsindustrie, Bundeswehr und Politik befassen und dafür die Eurohawk-Affäre von Anfang an unter die Lupe nehmen! In Deutschland wird mit Rüstungspolitik immer noch Wirtschafts- und Strukturpolitik betrieben. DIE LINKE ist die einzige Partei, die dagegen ankämpft. Und das muss auch so bleiben!

Dafür möchte ich auch in der kommenden Wahlperiode als Bundestagsabgeordneter sorgen!

Berlin, 22. Juli 2013

Anmerkung:

[1] www.mdr.de/mediathek/themen/nachrichten/video131834_zc-c5c7de76_zs-3795826d.html.