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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Revolutionäre Literatur

Gisela Karau zum Gedenken

"Küsse auf Eis" (1997): Indira und Henry, zwei Gymnasiasten aus Berlin, lieben sich. Helmut, geheimnisumwitterter Herr eines Reiterhofes in der Uckermark, zieht Henry in seinen Bann und will ihn von Indira trennen. Sie findet durch riskante Nachforschungen heraus, daß der Reiterhof ein Nazi-Treff ist. Kann es ihr gelingen, den teuflischen Einfluß, dem Henry zu erliegen droht, mit der Kraft ihrer Liebe zu stoppen? (Klappentext)

Ich muß mit dir reden, Werner. – Ich wüßte nicht, worüber. – Über deinen Sohn. – Was geht Sie mein Sohn an? – Leider eine Menge. Das steckte in unserem Briefkasten. Er hält Werner Kuhlmann das grüne Papier unter die Nase.

Der liest die Nazi-Drohung und braust auf: Sie wollen wohl nicht meinen Sohn mit dieser Schmiererei in Zusammenhang bringen? Das ist die blödsinnige Idee Ihres Fräulein Tochter. – Dein Sohn hat etwas mit diesem Nazi in Wittenbek zu tun, und der wurde verhaftet, falls dich das interessiert. Wegen illegalen Waffenbesitzes und des Verdachtes auf staatsfeindliche Handlungen.

Frau Kuhlmann tritt in den Korridor. Werner, du kannst ihn doch nicht vor der Tür stehen lassen. – Kommen Sie rein. – Hör auf, mich zu siezen, Werner. Wir waren zwanzig Jahre Jahre im selben Regiment. Ich steh zu meiner Vergangenheit. Wenn du das auch tätest, hätte dein Henry mehr Achtung vor dir und müßte sich keine anderen Vorbilder suchen.

Und wenn du nicht nur die Vergangenheit im Schädel hättest, würdest du begreifen, daß wir nicht mehr in der Diktatur leben. Jetzt haben wir eine Demokratie, jeder hat seine Freiheit, und niemand hat ihm reinzureden. Die Zeiten sind zum Glück vorbei.

Lothar Kerckhoff sieht ihn kopfschüttelnd an. Das hätte ihm mal jemand vor fünf Jahren sagen sollen, daß dieser Mann, ausgerechnet der, so was von sich geben würde. Wer hat denn anderen reingeredet? Ich nicht, und das will ich jetzt auch nicht. Aber die Freiheit des einen endet dort, wo die des anderen verletzt wird. Wenn das deine Demokratie ist, daß meiner Familie Nazis auf die Bude rücken, dann werde ich mich zu wehren wissen. Sie stehen sich wie zwei Kampfhähne gegenüber, es fehlt nicht viel, und sie gehen einander an den Kragen. Henrys Mutter versucht, die Männer zu beruhigen, sie reden so laut, was sollen die Nachbarn denken?

Wir sind verantwortlich für unsere Kinder, ob Diktatur oder Demokratie, sagt Lothar Kerckhoff, um Beherrschung bemüht. Und sie müssen wissen, wer ihre Eltern sind.

Wer bist du denn, daß du mir Vorwürfe machst? – Ein schlecht bezahlter Wachschutzmann, aber wenn ich beim Rasieren in den Spiegel sehe, erkenne ich mich immer noch wieder, Werner.

Der wendet sich ab und murmelt ein unfeines Angebot, was Lothar Kerckhoff ihn mal könne.

Gisela Karau, geboren am 28. März 1932, ist am 9. April 2010 von uns gegangen. Nicht in der LINKEN und nicht in der KPF, war sie doch unsere Genossin. Die in der DDR bekannte Schriftstellerin und Journalistin hat nicht nur einmal für die "Mitteilungen" geschrieben. Noch im Oktober 2009 trafen wir uns, als Gisela gemeinsam mit Prof. Hermann Klenner und Werner Wüste aus unserer Dokumentation "Klartexte" öffentlich las. Gisela war eine unermüdliche Antifaschistin. "Der gute Stern des Janusz K." wurde ihr vielleicht bekanntestes Buch. Und gerade nach 1990 ließ das Thema sie nicht los. Junge Menschen wollte sie bewahren, Nazis auf den Leim zu gehen. Darum geht es auch in ihrem Jugendbuch "Küsse auf Eis"(edition reiher im Dietz Verlag Berlin, 239 Seiten, Auszug S. 176).