Rede in der Haushaltsdebatte des Bundestages von 8. September 2022 zum Einzelplan 09 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz
Dr. Sahra Wagenknecht, MdB
Präsidentin Bärbel Bas:
Nächste Rednerin: für die Fraktion DIE LINKE Dr. Sahra Wagenknecht.
(Beifall bei der LINKEN – Timon Gremmels [SPD]: Ich würde ja lieber den Ralph Lenkert hören!)
Dr. Sahra Wagenknecht (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In Deutschland bahnt sich eine soziale und wirtschaftliche Katastrophe an. Millionen Menschen haben Angst vor der Zukunft, vor explodierenden Lebenshaltungskosten, vor Horrorabrechnungen und immer mehr auch um ihren Arbeitsplatz.
Auch wenn es sich noch nicht bis ins Wirtschaftsministerium herumgesprochen hat: »In Schlüsselindustrien werden Betriebe reihenweise schließen«, schreibt das »Handelsblatt«. Denn, Herr Habeck, in der Wirtschaft ist das leider nicht so wie in der Politik. Ein Minister, der nichts mehr liefert, muss leider tatsächlich keine Insolvenz anmelden; Sie sind das beste Beispiel dafür.
(Beifall bei der LINKEN und der AfD – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Bei Ihnen klatscht die AfD! Ich würde darüber mal nachdenken, Frau Wagenknecht!)
Aber ein Unternehmen, das wegen der hohen Preise nichts mehr verkaufen kann, verschwindet vom Markt, und das heißt eben schlicht im Klartext: Wenn wir die Energiepreisexplosion nicht stoppen, dann wird die deutsche Industrie mit ihrem starken Mittelstand bald nur noch eine Erinnerung an die guten, alten Zeiten sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Die hohen Energiepreise, viel höhere als in vielen anderen europäischen Ländern, sind doch nicht vom Himmel gefallen; die sind das Ergebnis von Politik. Sie sind zum einen das Ergebnis Ihrer völligen Rückgratlosigkeit gegenüber den Absahnern und Krisenprofiteuren.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Mineralölkonzerne werden in diesem Jahr in Deutschland 38 Milliarden Euro mehr Gewinne machen als im Schnitt der letzten Jahre, die Stromerzeuger sogar 50 Milliarden Euro – Geld, das den Bürgerinnen und Bürgern jeden Tag aus der Tasche gezogen wird.
Andere Länder haben auf dieses Marktversagen längst mit Preisdeckeln oder wenigstens mit Übergewinnsteuern reagiert. Frankreich hat den Anstieg des Strompreises auf 4 Prozent begrenzt; da sind sie nicht erst nach Brüssel gefahren und haben lange Verhandlungen geführt. Ein Liter Sprit kostet in Frankreich rund 40 Cent weniger als bei uns.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja!)
Und der Beitrag des hoch kompetenten deutschen Wirtschaftsministers zur Energiekrise?
(Zuruf des Abg. Timon Gremmels [SPD])
Er lässt sich von den Energielobbyisten ein Gesetz zu einer Gasumlage schreiben,
(Enrico Komning [AfD]: Ja!)
das die Bürgerinnen und Bürger, die Familien und Unternehmen, die sowieso schon leiden, zusätzlich zur Kasse bitten wird.
(Enrico Komning [AfD]: Wahnsinn! – Timon Gremmels [SPD]: Falsch!)
Also, da muss man wirklich sagen: Auf so einen Einfall muss man erst mal kommen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir haben wirklich die dümmste Regierung in Europa, wenn man sich das anguckt.
Aber nicht nur, dass Sie zu feige sind, sich mit den Krisengewinnern anzulegen,
(Widerspruch bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der FDP)
das größte Problem ist Ihre grandiose Idee, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen. Ja, natürlich ist der Krieg in der Ukraine ein Verbrechen.
(Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der FDP: Buh!)
Aber die Vorstellung, dass wir Putin dadurch bestrafen, dass wir Millionen Familien in Deutschland in die Armut stürzen und dass wir unsere Industrie zerstören, während Gazprom Rekordgewinne macht – ja, wie bescheuert ist das denn?
(Beifall bei der LINKEN und der AfD)
Preiswerte Energie ist die wichtigste Existenzbedingung unserer Industrie.
(Zurufe von der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und wo haben Sie denn Ersatz aufgetan, Herr Habeck? Bei amerikanischen Frackingasanbietern, die aktuell 200 Millionen Euro Gewinn mit jedem einzelnen Tanker machen! Klar, so kann man die Gasspeicher auch füllen, aber den Ruin von Familien und Mittelständlern, die diese Mondpreise am Ende bezahlen müssen, den werden Sie damit nicht aufhalten.
Und es fängt doch schon an. Dass der Gasverbrauch der Industrie um fast ein Fünftel eingebrochen ist, liegt doch nicht an plötzlichen Effizienzgewinnen, sondern daran, dass die Produktion schon jetzt dramatisch zurückgeht. Bevorzugtes Ziel von Produktionsverlagerungen sind neuerdings übrigens wieder die USA, weil der Gaspreis in Deutschland inzwischen achtmal so hoch ist wie in Übersee.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja, achtmal so hoch!)
Make America great again? Eine teure Strategie für eine deutsche Regierung!
(Beifall bei der LINKEN und der AfD – Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie haben recht! – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Putin freut sich über Ihre Rede, Frau Wagenknecht!)
Der Hauptgeschäftsführer des DIHK geht davon aus, dass Deutschland bei Fortsetzung der jetzigen Strategie in wenigen Jahren 20 bis 30 Prozent ärmer sein wird.
Ja, ob es uns gefällt oder nicht: Wenn wir ein Industrieland bleiben wollen, dann brauchen wir russische Rohstoffe und leider auf absehbare Zeit auch noch russische Energie.
(Beifall des Abg. Martin Reichardt [AfD])
Deshalb: Schluss mit den fatalen Wirtschaftssanktionen! Verhandeln wir mit Russland über eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen!
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Radio Moskau!)
Wir sind nicht unabhängig. Sie machen sich und uns doch etwas vor.
Lieber Herr Habeck, es mag ja sein, dass auch Ihnen egal ist, was Ihre deutschen Wähler denken. Aber Sie haben nicht das Recht, Millionen Menschen, die Sie mehrheitlich nicht gewählt haben, ihren bescheidenen Wohlstand und ihre Zukunft zu zerstören.
(Beifall bei der LINKEN und der AfD)
Deshalb: Treten Sie zurück, Herr Habeck! Denn Ihre Laufzeitverlängerung führt mit Sicherheit zum Super-GAU der deutschen Wirtschaft.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit besten Grüßen aus Moskau, Ihre Rede! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Putins langer Arm!)
Präsidentin Bärbel Bas:
Nächster Redner: […]