Rede 2008 zum Thälmanngedenken
Friedrich Rabe, Altenweddingen
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde, 64 Jahre ist es her, daß Ernst Thälmann im KZ Buchenwald ermordet wurde. Er war 58 Jahre alt. Ermordet auf Befehl Hitlers und Himmlers, der politischen Vertreter einer faschistischen bürgerlichen Diktatur. Ermordet nach 11-jähriger Haft in Berlin, Hannover, Bautzen und Buchenwald. Ermordet angesichts des sich anbahnenden Sieges der Sowjetunion und ihrer Verbündeten über Nazideutschland.
In diesen Tagen finden an vielen Orten Gedenkfeiern für Thälmann statt. Aber nicht nur für Thälmann. Mit ihm gedenken wir der vielen, die im Widerstand gegen den Faschismus gejagt, gefoltert und in die Zuchthäuser und Konzentrationslager gesperrt, die gemeuchelt, erschlagen und erschossen wurden. Sie sind so lange nicht mit Thälmann in Äonen untergegangen, solange sich Menschen ihrer erinnern, ihre Ideale aufgreifen, den organisierten Kampf weiterführen, auch wenn es Bedingungen gab und gibt, die den Erfolg aussichtslos erscheinen ließen.
Die Reihe derer, an die wir aus heutigem Anlaß denken, wird immer noch länger, weil die Kräfte, die hinter der Ermordung Luxemburgs, Liebknechts und Thälmanns standen, sich niemals wirklich mit ihrer Nazivergangenheit auseinandergesetzt haben.
Als die Thälmannsche KPD die Losung formulierte: "Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, und wer Hitler wählt, wählt den Krieg!" war das keine Prophetie, es war die Schlußfolgerung aus theoretisch umgesetzter praktischer Erfahrung. Das fand seine Fortsetzung in der Friedenspolitik, die die DDR Zeit ihres Bestehens praktizierte. Wir sagten: "Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen." Und solange es die DDR gab, ging kein Krieg von deutschem Boden aus. Schauen wir unter diesem Aspekt in die Geschichte der letzten 18 Jahre, so sehen wir in Abgründe. Deutsches Kapital mordet wieder in vielen Teilen dieser Welt, wenn auch noch als Juniorpartner der USA und unter dem Deckmantel sogenannter friedenserhaltender Maßnahmen.
Krieg ist wieder zu einem selbstverständlichen Mittel der Fortsetzung der Politik geworden. Die Geschichte hat einen Salto rückwärts gemacht und damit die Marxsche Erkenntnis bestätigt, daß sie kein linearer, sondern ein widersprüchlicher Prozeß ist, der sich in Kontinuität und Diskontinuität vollzieht.
Wir gedenken Thälmanns nicht, weil wir ihn wie eine Ikone anbeten, wohl aber, weil er in der Marxschen Tradition die Welt nicht nur interpretieren, sondern sie verändern wollte.
Unsere Niederlage hat deutlich gemacht, daß die seither vollzogene Weltveränderung der Menschheit nicht gut bekommen ist. Zunehmend mehr Menschen erleben im wahrsten Sinne des Wortes, was sie zum Beispiel mit dem Recht auf Arbeit verloren haben. Nämlich den wichtigsten Teil ihres Lebenssinnes – eines Teils ihres Menschseins. Deshalb erinnern sie sich positiv an die Zeit zurück, als es noch eine Alternative zum alles vermarktenden Kapitalismus gab, nicht weil sie nostalgische Träumer sind, denen man die Welt aus Sicht der Herrschenden erklären muß.
Thälmann sah die Gefahren, die auf die Arbeiterklasse zukamen, und er warnte davor, noch bevor die bittere Erfahrung gemacht werden mußte. Die Werktätigen heute beginnen zu erahnen, was noch auf sie zukommen kann. Das führt nicht automatisch dazu, daß sie die richtigen Schlüsse ziehen, aber sie werden aufmerksamer. Das gibt auch uns bürgerlichen Demokraten, Sozialisten und Kommunisten die Chance, gehört zu werden, wo es um die zukünftige humane Gestaltung der Welt im Interesse der Arbeitenden geht.
Der Kommunist Thälmann wollte zu seiner Zeit aus der Praxis gewonnene Erkenntnisse in konkrete Politik umsetzen. Das machte ihn zur Zielscheibe des Hasses aller Herrschenden seiner Zeit, wie er heute Morales, Chávez, Castro und anderen entgegenschlägt.
Während 1990 die Parole ausgegeben wurde "Der Kommunismus ist tot – Jesus lebt", haben es die gleichen Medien wieder nötig, aus sportlichen Höhepunkten wie den Olympischen Spielen mediale Kriegsspiele zu machen. Sie führen den Klassenkampf mit ihren Mitteln weiter, weil die Geschichte eben nicht zu Ende ist, und wie auch Thälmann wußte, nicht zu Ende sein würde, auch wenn er nicht mehr lebte.
Liebe Genossinnen und Genossen, laßt Euch zurufen:
- Thälmann blieb sich treu – bleiben auch wir uns treu und finden uns zusammen mit denen, die sich selbst treu geblieben sind, auch wenn es Differenzen gibt.
- Kein Mensch soll mehr den Preis für Humanismus zahlen wie unser "Teddy".
- Laßt uns erst ruhen, wenn, wie Brecht es formulierte, der Schoß nicht mehr fruchtbar ist, aus dem das kroch. Heute kann niemand mehr sagen, er habe nichts gewußt.
- Unser "Denkmal für Thälmann" sei keine Heiligenverehrung, werden wir ihm in unserem Denken und Handeln gerecht.
Nach der Niederlage der "Matrosen von Cattaro" läßt der Dramatiker Friedrich Wolf den "Maate Rasch" vor seiner Erschießung sagen: "Kameraden – das nächste Mal besser". Genossen – das nächste Mal besser!
Die Rede wurde am 17.8. in Halle und am 18.8. in Magdeburg gehalten. – Auf der Kundgebung in Ziegenhals am 24. 8. hat Genosse Max Renkl, Vorsitzender des Freundeskreises "Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Ziegenhals e. V.", darüber informiert, daß diese Gedenkstätte erneut akut bedroht ist.
Mehr von Friedrich Rabe in den »Mitteilungen«:
2008-05: Bericht des Bundessprecherrates …