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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Rechtspopulismus und Neofaschisten: Warum auch in Skandinavien?

Prof. Dr. Edeltraut Felfe, Greifswald

 

»Meine liebe Schwester Beate« schrieb der norwegische Faschist und Massenmörder Brei­vik an die Aktivistin des NSU Beate Zschäpe. Skandinavische äußerst aktive Zweige des in­ternational agierenden nazistischen Blood & Honour gelten als wichtige Unterstützer des NSU. Jahrelang wurde der große deutsche Nazimarkt für Videos, CDs, Drucksachen, Fah­nen und Emblemen von Dänemark und Schweden aus beliefert. Als B&H in der BRD verbo­ten war, übernahm ein »Nordisches Hilfswerk« die Zusammenarbeit skandinavischer und deutscher Nazis in allen Bereichen. Nun wollte Breivik auf dem Rechtswege erzwingen, ohne Kontrolle und Zensur, an der weiteren internationalen Vernetzung inhaftierter nazis­tischer Verbrecher und Gleichgesinnter »draußen« für eine »antikommunistische Wider­standsbewegung« zu wirken. 

Funktionäre der NPD und von »Die Rechte« beteiligen sich regelmäßig an nazistischen Auf­märschen, Rudolf-Hess-Gedenktagen etc. in Skandinavien und umgekehrt. Christian Worch von »Die Rechte« in der BRD war mit skandinavischen Nazis dabei, Listen von Antifaschis­ten, Gewerkschaftern, Journalisten, Mitgliedern der SPD zusammenzustellen. [1] In der »World Anti Communist Leauge«, deren führender deutscher Faschist Otto Skorzeny unter der Hitlerherrschaft in Dänemark dänische faschistische Terror- und Mordgruppen ausge­bildet hat, war die spätere Gründerin und langjährige Vorsitzende der rassistischen Däni­schen Volkspartei (DVP) Pia Kjærsgaard 1988 Ehrengast! [2] Ähnlich drastische Kontinuitäten stehen auch am Anfang der norwegischen sog. Fortschrittspartei (FrP) und die rassis­tischen Schwedendemokraten (SD) sind wesentlich aus faschistischen Quellen aus der deutschen Nazizeit und ihren Nachfolgern hervorgegangen. Inzwischen sind sie alle hoffä­hig gemacht und bilden den parlamentarischen Zweig der Rechtsaußen in ihren Ländern (Vgl. Auseinandersetzungen um diesen Kurs in der AfD). Die Dänische Volkspartei übt seit 2001 als Stützpartei bürgerlicher Regierungen, z. Zt. mit über 21% der Wählerstimmen, kräftigen Einfluss auf eine im europäischen Maßstab besonders flüchtlingsfeindliche Politik des Landes aus. Die norwegische FrP ist auch nach der letzten Wahl 2017 in der Regie­rung. Und die SD, gegenwärtig bei 17 % der Wählergunst, wollen das auch.

Biologischer Rassismus wurde zum Teil durch kulturellen ersetzt bzw. ergänzt. Von offen neofaschistischer Rhetorik haben sich diese Parteien sukzessive getrennt, deren Vertreter z.T. ausgeschlossen und wollen nunmehr den »skandinavischen Wohlfahrtsstaat«, neolibe­ral modifiziert, für die »Berechtigten«, für »ihr Volk« gegen »islamistische Übervölkerung« etc. bewahren. Flüchtlinge sollen gestoppt und Unberechtigte zügig abgeschoben werden. Aus der mitregierenden FrP in Norwegen wird gefordert, Asylsuchende in geschlossenen Lagern unterzubringen und die etablierten Parteien, auch die oppositionelle Sozialdemo­kratie,  schweigt dazu. Mit diesen nunmehr etablierten Parteien ist in allen drei Ländern eine Flora von nationalistischen und rechtsextremen Organisationen und Bünden entstan­den, auch bei Massenmedien und in intellektuellen Kreisen. Zum Teil kooperieren sie mit »Straßenrechten«. Für Schweden wird im Umfeld der SD von einer neuen politischen Land­schaft gesprochen. 2017 wurden allein von 13 rassistischen Gruppierungen zunehmende soziale Aktivitäten in lokalen Milieus,  mit Schulungsprogrammen, im Musikleben, mit eige­nen Radiosendern, »Ideenwerkstätten«, im Sport, in traditionellen Volksbewegungen und selbstverständlich im Internet ausgemacht. 

Offensichtlich gibt es jedoch Interessen und Triebkräfte, denen das nicht genügt. Denn die offen faschistischen zunehmend Gewaltbereiten haben inzwischen neue Organisationen oder Parteien gegründet und üben ihrerseits Druck auf die öffentliche Meinung und das parlamentarische System aus. Das macht dann wiederum die rechtspopulistisch geläuter­ten als »normale Parteien« annehmbarer.

Am weitesten ist dieser Prozess wohl in Schweden fortgeschritten, wo die eindeutig als an­tisemitisch, nazistisch und demokratiefeindlich eingestufte »Nordische Widerstandbewe­gung« (NMR) demnächst neben den SD als neue Partei an den Reichstagswahlen teilneh­men will. »Wir sind im Krieg mit dem System und das ist nicht länger ein Krieg der Worte.« Linke könnten nur mit Gewalt bekämpft und das staatliche Gewaltmonopol müsste gebro­chen werden. So sind denn auch 2016 mit nahezu 3.100 Gewalt- und sonstigen Straftaten im nazistischen Milieu die größten Aktivitäten pro Jahr seit 2008 registriert worden. Laut schwedischer Sicherheitspolizei ist die NMR aber noch »keine unmittelbare Gefahr für die Demokratie« und nimmt unter dem Schutz von »Demonstrationsrecht und Meinungsfrei­heit« zunehmend am etablierten Politikbetrieb teil. [3]

Seit der Wahl Trumps lässt sich die NMR vor allem von der amerikanischen Alternativen Right-Bewegung, ihrer aggressiven Netzaktivität und von deren faschistischem Vordenker und früheren SS-Mann Julius Evola inspirieren. [4] Und hier schließt sich der Kreis vom deut­schen Faschismus und seinem langen über Länder und Kontinente reichenden Schatten wieder.

Ursachen

Zahlreiche Untersuchungen belegen: Neoliberalismus als Nährboden für Rechtspopulismus  und Neofaschisten europaweit  trägt – trotz relativem Wohlstand – auch in Skandinavien giftige Früchte. Der Sozialstaat wird durchlöchert. Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäfti­gungsverhältnisse, Verachtung der Schwächeren, nationalistische Standortlogik und  zu­nehmende Gewalt schüren soziale  Ängste, Konspirationstheorien und rassistische Vorur­teile. In den letzten 20 Jahren hat sich die Schere zwischen Arm und Reich extrem geöff­net. Und dennoch ist zu fragen, ob rechtspopulistisches und neofaschistisches Gedanken­gut  tatsächlich aus der Mitte der Gesellschaft, wie auch für die BRD behauptet, kommen.                                                                                                                                              

Für Schweden ist detailliert belegt, dass Großkonzerne, Dachorganisationen des Kapitals, entsprechende Verlage, Info-Agenturen, Think-Tanks und Massenmedien seit den 80er Jah­ren organisiert darauf hingearbeitet haben, nicht nur mit Hilfe der konservativen und ande­ren bürgerlichen Parteien, sondern auch mit rechtspopulistischen Bewegungen und Par­teigründungen, einen politischen Wechsel im Lande zustande zu bringen. Nunmehr orien­tieren führende Kapitalkräfte in geheim gehaltener bzw. geleugneter Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten darauf, die SD als »normale« und regierungsfähige Partei für die Reichstagswahlen 2018 zu akzeptieren. Und die konservative Hauptpartei des Kapitals  be­ginnt jüngst diese Interessenlage aufzunehmen. Nach entsprechenden Kontakten haben die SD jetzt auch Positionen der großen Wirtschaft übernommen, nicht mehr jegliche Ein­wanderung und alle Flüchtlinge abzulehnen, sondern je nach Arbeitskräftebedarf der schwedischen Wirtschaft ihre Fremdenfeindlichkeit zu dosieren. [5] Arbeitskräfte aus Polen und dem Baltikum werden bereits lukrativ ausgebeutet. Dieses Nützlichkeitsinteresse leite­te schwedische Flüchtlingspolitik seit jeher. Da werden Arbeitskräfte auch durch die Spal­tung ihrer Bewegung doppelt ausgebeutet. 

Warum aber nehmen auch in Skandinavien zunehmend mehr Menschen aus der Mitte, auch Erwerbsabhängige entgegen ihren Klassen- und sozialen Interessen rechtes Gedan­kengut auf? Auch nach ökonomischen Krisenprozessen fanden rechtsextremistische Ent­wicklungen kein Ende. Der Durchbruch für SD im lokalen und regionalen Milieu vollzog sich bei Hochkonjunktur. Sinkendes Vertrauen in Politik und Parteien würden hier eine Rolle spielen. [6] Aber selbst basisdemokratische Praktiken in Kommunen scheinen dagegen nicht zu wirken.

Schwer messbar, aber im Alltagsbewusstsein überkommen, wirken die Kultivierung des Wi­kingermythos, der »nordischen Rasse«, eine schwedische »rassenbiologische«  Vorreiter­rolle, verwurzelter auch unterbewusster Antisemitismus als Konstante auch bei zeitweiliger Dominanz der Hetze gegen den Islam. In Schweden wurden die außerordentlich starken Verflechtungen mit dem deutschen Faschismus und seinem Gedankengut mit der »schwe­dischen Neutralität« im Krieg lange unter den Teppich gekehrt. Dänischer und norwegi­scher Widerstand gegen die deutsche faschistische Besetzung würden im Sinne einer Im­munität gegen Rechtsradikalismus zu einem Mythos umgewandelt. Besonders in Schwe­den wirkt tief verwurzelter Antikommunismus als Bindeglied und Triebkraft der verschiede­nen rechtsextremen Milieus. Hier spielt selbstverständlich das Ende des Realsozialismus eine Rolle. Aber es bündelt sich auch das skandinavientypische (vorbeugende) Klassenin­teresse der gegenwärtig Herrschenden an rechtsextremen Kräften.

Wichtige Hinweise für den demokratischen Kampf geben Untersuchungen zur herausra­genden Rolle rechtsextremer Führerpersönlichkeiten im lokalen und regionalen Milieu, ebenso Erkenntnisse, wie verschiedene Ursachen nur im Zusammenspiel wirken. 

Und schließlich tragen nachgewiesenermaßen, ähnlich wie in der BRD, rechte Blindäugig­keit und Gesinnungen in Polizei und oft auch Justiz – in all ihren Erscheinungsformen – zu dem bei, was sich entwickelt hat. Wenn in Dänemark bei einer online-Umfrage 2016, initi­iert vom früheren Kultusminister, nach der »kulturellen DNA« der Dänen gefragt und vom Kulturministerium ein entsprechender Wertekanon veröffentlicht wird, werten das däni­sche Intellektuelle als eine »nationale Aufrüstung, für die kein Bedarf besteht«. [7]

2017 kommen dänische Antifaschisten bei der Frage, ob ihr Land angesichts eines Berlus­coni, eines Trump, österreichischer, ungarischer und polnischer Entwicklungen einer auto­ritären Führerpersönlichkeit widerstehen könnte, zu dem Schluss, dass schleichende Pro­zesse wohl schwerlich aufzuhalten seien. [8]

Zum Schluss

Offensichtlich sind die grundlegenden Gegensätze von Kapital und Arbeit, von Rechts und Links durch eine wie auch hierzulande behauptete neue politische Landschaft: Grün-Alter­nativ-Freiheitlich gegen Traditionalistisch-Autoritär-Nationalistisch, nicht aufgehoben.  Und offensichtlich braucht Antifaschismus deshalb auch eine starke antikapitalistische Kompo­nente und Perspektive.

»Der Kampf gegen Rassismus beginnt mit einem gerechten Arbeitsmarkt. Nimm Stellung gegen Rassismus. Nimm Stellung für sichere Anstellungen und gleiche Bedingungen für alle, die in Schweden arbeiten« ist eine Antwort vom schwedischen Transportarbeiterver­band. [9] Der Dachverband der Gewerkschaften fordert in der Kampagne »Die Schwedende­mokraten – eine arbeiterfeindliche und antigewerkschaftliche Partei« eine Einwanderungs- und Migrationspolitik, die die Arbeiterklasse nicht spaltet.

»Denn schließlich kann den Ideen der Rechtsextremen und der Anpassung an sie nur mit ei­ner eigenen Erzählung von einer besseren Gesellschaft begegnet werden«, schreibt der Her­ausgeber der schwedischen antifaschistisch-demokratischen Zeitschrift EXPO [10]. Bleibt aus deutscher historischer und aktueller Sicht unsere besondere Verantwortung im Kampf ge­gen rechte Gefahren zu ergänzen.                                                  

Anmerkungen:

[1]  Demos, Kopenhagen, 2012, S. 8.

[2]  Demos, ebenda, 102-104, S. 37 ff.

[3]  www.svt.se/nyheter/inrikes/statsvetare-almedalen-kan-starka-nordiska-motstandsrorelsen.

[4]  Expo 1/2017, S. 6.

[5]  www.mikaelnyberg.nu/2017/08/14/med-de-bruna-ut-ur-folkhemmet.

[6]  H. Lööw, Nazismen i Sverige 2000-2014, Sth. 2016, S. 51.

[7]  nd vom 19. Dezember 2016.

[8]  Demos, debat 2017, S. 30 ff.

[9]  Expo, 2/2017, S. 15.

[10]  Expo, 2/2017, S. 4.