Praktizierte Solidarität und Menschlichkeit
Dr. Regina Girod, Berlin
Am 31. März feiert der Theologe und Sozialist Prof. Dr. Heinrich Fink seinen 80. Geburtstag. Wie zu seinen vorhergehenden runden Geburtstagen wird die Zahl der Gratulanten groß sein und Menschen aus ganz unterschiedlichen Kreisen zusammenführen, denn Heinrich Fink blickt auf ein reiches Leben zurück, das er mit Studenten, Kollegen und Freunden ebenso geteilt hat, wie mit politischen Weggefährten und seiner großen Familie.
In den unterschiedlichen Bereichen, in denen Heinrich Fink wirkte, hat er überall Spuren hinterlassen. Doch am bekanntesten ist er wohl als erster frei gewählter Rektor der Humboldt-Universität geworden, der mit der Stasikeule aus dem Amt gejagt wurde, weil die nachfolgende Abwicklung der Universität mit ihm nicht zu machen gewesen wäre. Dieses Schicksal teilt er mit Vielen und allein seine Entlassung wäre sicher auch kein Grund gewesen, dass er bis heute als Symbol des Unrechts gilt, das die »Wiedervereinigung« unzähligen DDR-Bürgern angetan hat. Dazu hat ihn seine Haltung werden lassen, die Tatsache, dass er sich nicht gebeugt hat, dass er öffentlich widerstanden und gekämpft hat. In den letzten 25 Jahren gehört er deshalb zu den behördlich und medial am meisten diffamierten Personen der Bundesrepublik.
Als die VVN-BdA noch als linksextreme Organisation im Bericht des Bundesverfassungsschutzes vorkam, konnte man sicher sein, dies Jahr für Jahr auch mit einem (oft komplett unsinnigen) Zitat von Heinrich Fink belegt zu sehen. Ende letzten Jahres kämpfte er wieder einmal vor einem Gericht, diesmal dem bayerischen Verwaltungsgericht in München, gegen die Verleumdung seiner Person im Zusammenhang mit der Erwähnung der bayerischen VVN-BdA im dortigen Verfassungsschutzbericht. Das wird ihn wohl für alle Zeiten begleiten, doch seine Gegner können sicher sein, dass Heinrich Fink ihnen auch weiter nicht nachgibt.
Sein Buch »Wie die Humboldt-Universität gewendet wurde« ist unterdessen in der 3. Auflage erschienen und wenn wieder einmal ein Jahrestag der deutschen Einheit ansteht, steigt parallel dazu auch das Interesse an Lesungen und Diskussionen mit ihm zu diesem Thema. Er ist das lebendige Gegenstück zur politischen und medialen Überwältigungsstrategie der Herrschenden in dieser Frage geblieben.
Für die VVN-BdA, deren Vorläuferorganisationen er im Osten mit gegründet hat und deren Ost-West-Vereinigung er offen und geduldig mitgestaltet hat, war und ist Heinrich Fink eine prägende Persönlichkeit. Ohne ihn wären wir nicht die, die wir geworden sind. Sein Blick war anders als der der meisten aus unseren Reihen. Das hat dazu beigetragen, dass wir Toleranz im Umgang miteinander lernten, die wir schließlich auch mit unseren Bündnispartnern nach draußen brauchten. Heiners Unfähigkeit, Auffassungen zu vertreten, die er nicht 100%ig teilte und auf der anderen Seite auf seiner Meinung zu bestehen, auch wenn sie keine Mehrheit fand, führte zu manchem Streit. Am Ende haben wir verstanden, dass die Maßstäbe einer politischen Partei nicht die gleichen sein können, wie die einer antifaschistischen Bündnisorganisation.
Heinrich Fink hat uns vorgelebt, dass christliche Nächstenliebe nichts anderes heißt, als praktizierte Solidarität und Menschlichkeit. Eine große Zahl unserer alten Kameradinnen und Kameraden hat er über Jahre regelmäßig besucht. Er ist zu Jubiläen quer durch das Land gereist, um Antifaschistinnen und Antifaschisten der Gründergeneration zu ehren und er hat den Wunsch vieler lebenslanger Atheisten erfüllt, auf ihrer Trauerfeier Worte des Gedenkens zu sprechen. Als er an einem Tag der Mahnung in Berlin die Mutter des damals noch inhaftierten RAF-Gefangenen Christian Klar kennenlernte, entschloss er sich, Christian in der Haft zu besuchen. Allen, die ihm abrieten, hielt er entgegen: »Schon in der Bibel steht, Du sollst die Gefangenen besuchen.« und hat es einfach getan. Denn Heinrich Fink ließ sich nie trennen in eine private und eine öffentliche Person. Wo er steht, steht er als Mensch und auch sein Gegenüber nimmt er zuerst als Menschen wahr.
Heinrich Finks Interesse an anderen ist unerschütterlich. Wer ihn begleitet, wird regelmäßig Zeuge lebendiger Gespräche, die er mit Fremden führt. Ob Taxifahrer, Mitreisende oder Verkäuferinnen – er findet auf der Stelle einen Draht zu ihnen, und was sie besprechen, hat mit small talk meist nichts zu tun. Man kann von ihm viel lernen. Offensichtlich hat der Theologe Heinrich Fink den Marxschen Satz: »Der wahre Reichtum des Menschen ist der Reichtum seiner Beziehungen.« erfolgreich zum Motto seines Lebens gemacht.
Im Kampf gegen seine Abberufung als Rektor skandierten die Studenten vor 25 Jahren: »Unseren Heiner nimmt uns keiner!« Das wünschen wir uns alle und ihm vor allem Gesundheit, Kraft und Lebensfreude. Herzlichen Glückwunsch, Heiner. Wir machen weiter!