Potsdam braucht keine Soldatenkirche
Koordinierungsgruppe der KPF Potsdam
Seit der Gründung der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Hof- und Garnisonkirche Potsdam im Jahr 2004 bestand in der Partei DIE LINKE der Konsens: »Wir tolerieren die Bemühungen zum Wiederaufbau der Garnisonkirche, solange dafür keine öffentlichen Gelder eingesetzt werden.« Die Realität entzieht diesem Konsens jedoch jegliche Grundlage.
Angefangen mit der Schenkung des Grundstücks an die Stiftung durch die Landeshauptstadt Potsdam über die Zuweisung von zwei Millionen Euro aus dem Vermögensfonds ehemaliger Parteien und Massenorganisationen der DDR zu Lasten der Finanzierung von Gedenkstätten, die sich mit der NS-Vergangenheit im Land Brandenburg auseinandersetzen, 22.000 Euro aus Lottomitteln bis hin zur kürzlich erfolgten Zuweisung von 400.000 Euro aus dem staatlichen Fonds für Denkmalpflege, wiederum zu Lasten anderer existierender und sanierungsbedürftiger Kulturdenkmäler, das alles sind öffentliche Gelder.
Der umstrittene Rückbau der Breiten Straße in Potsdam, finanziert aus städtischen und Landesmitteln, mit dem Ziel, das Baugrundstück für die Garnisonkirche zu erschließen, soll nicht unerwähnt bleiben.
Mit der Ausrufung der Garnisonkirche zum »nationalen Wiederaufbauprojekt« (dieser Terminologie bedient sich die NPD schon seit längerem) steht zu befürchten, dass weitere Steuergelder in dieses umstrittene Projekt gepumpt werden sollen.
Hintergrund
Seit der Weihe des Militärtempels 1733 diente er den Hohenzollern als Stätte der Verherrlichung preußischer Militär- und Kriegshuldigung einschließlich dem Andenken großer Schlachten und dem Feiern großer Siege. Immer mehr eroberte Fahnen und Medaillen zierten das Innere und legten Zeugnis der »Siege« über andere Länder und Heere ab. Nicht Gott stand im Mittelpunkt dieser Garnisonkirche, sondern Kaiser und König als oberste Kriegsherren, sie wurden in reservierter Loge geehrt, und die Soldaten bildeten die Kulisse.
Bis zu ihrer Zerstörung im Frühjahr 1945 wurde die Garnisonkirche ausschließlich zu diesem Zweck von den jeweiligen Machthabern genutzt (selbstverständlich durfte die Kirchengemeinde ihr Gastrecht wahrnehmen und Andachten und Gottesdienste abhalten). Der sogenannte »Tag von Potsdam«, der 21. März 1933, war nur ein wenn auch nicht unbedeutendes Ereignis in einer langen Reihe von reaktionären Weiheveranstaltungen in der rund 213-jährigen Geschichte der Garnisonkirche.
Die Befürworter der Neuerrichtung der Garnisonkirche leugnen die unselige Geschichte dieses Bauwerks, indem sie anführen, man sollte die Geschichte der Kirche nicht auf den 21. März 1933, den sogenannten »Tag von Potsdam«, reduzieren, und deuten sie als Hort des antifaschistischen Widerstandes um, nur weil einige Männer des 20. Juni als Mitglieder der Kirchengemeinde in den dreißiger Jahren an Gottesdiensten in der Kirche teilnahmen.
Die Wahrheit ist, dass die Garnisonkirche von Anfang an bis zu ihrer Zerstörung im Jahre 1945 dazu diente, unter Missachtung des christlichen Gebots »Du sollst nicht töten«, Soldaten ideologisch auf Kriege vorzubereiten. Unterschlagen wird auch, dass einige Beteiligte am Attentat auf Hitler und Mitglieder der Kirchengemeinde vorher an Kriegsverbrechen beteiligt waren.
Die Befürworter haben sich ebenso still und heimlich vom vorgesehenen Versöhnungscharakter der Kirche verabschiedet. Das ursprünglich als Kirchenspitze geplante Kreuz der Nagelkreuzgemeinde von Coventry, das als äußeres Versöhnungssymbol gedacht war, ist der alten, den preußischen Militarismus symbolisierenden Spitze gewichen.
Es ist zu befürchten, dass die Kirche wieder zu einem »Militärtempel« wird, eine Soldatenkirche. Bezeichnend ist, dass zwanzig Prozent der Mitglieder der Fördergesellschaft Militärs der Bundeswehr sind oder waren. Der Militärbischof der Bundeswehr ist Kuratoriumsmitglied der Stiftung für den Wiederaufbau. Die Militärseelsorge hat alleine 250.000 Euro Steuergelder für den Wiederaufbau gespendet. Laut dem Vorsitzenden des Stiftungskuratoriums soll in der zukünftigen Garnisonkirche »in besonderer Weise der bei Auslandseinsätzen gefallenen Bundeswehrsoldaten gedacht werden«.
Die Übertragung des Grundstücks an die Stiftung zum Aufbau der Garnisonkirche durch die Landeshauptstadt Potsdam erfolgte unter der Prämisse, dass der Neubau als Versöhnungs- und Begegnungsstätte für Frieden und Völkerverständigung dienen sollte. Das Abweichen von diesem Ziel dient offensichtlich der Anbiederung an den Oberstleutnant a.D. Max Klaar und seiner Stiftung Preußisches Kulturerbe, um an die dort gesammelten 6,3 Millionen Euro Spendengelder zu kommen. Dieses Bestreben wird jedoch mit dem jüngst beschlossenen Abweichen vom historischen Grundriss des Turms der Garnisonkirche, wohl aus Kostengründen, konterkariert, da Max Klaar die Spenden für einen originalgetreuen Wiederaufbau der Garnisonkirche gesammelt hat.
Selbst die Kirchengemeinde der ehemaligen Garnisonkirche, die Heilig-Kreuz-Gemeinde hat mehrfach erklärt, dass dieses Gebäude nicht als Kirche erforderlich ist. Stattdessen soll das Geld für die Renovierung der Friedenskirche in Potsdam oder maro-der Dorfkirchen im Land Brandenburg verwendet werden.
Mit dem »Rückbau« der Breiten Straße auf zwei Fahrbahnen in jeder Richtung werden jedoch bereits Fakten geschaffen. Damit wird der Platz für den Turm der Garnisonkirche freigemacht. Völlig unverständlich ist, dass die Landesregierung hierfür rund drei Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat. Wo an anderer Stelle für die Reparatur defekter Straßen an allen Ecken und Kanten das Geld fehlt, wird hier eine der in Potsdam am stärksten verkehrsbelasteten Straßen, die jedoch intakt ist, verengt.
Wir brauchen gerade in Potsdam kein wiedererstandenes Symbol des preußisch-deutschen Militarismus.
Wir brauchen in Potsdam auch keinen Wallfahrtsort für alte und neue Faschisten, zu dem die Garnisonkirche unweigerlich, ob gewollt oder nicht, genutzt werden wird.
Im Bürgerhaushalt haben sich die Potsdamerinnen und Potsdamer wiederholt gegen die Verwendung städtischer Gelder für den Aufbau der Garnisonkirche entschieden.
Auch große Teile der Mitglieder der LINKEN im Kreisverband Potsdam sprechen sich im Ergebnis der jüngsten Entwicklungen gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche aus und fordern eine eindeutige Positionierung der Partei noch vor der Bundestagswahl 2013 gegen einen Wiederaufbau. Anderenfalls befürchten sie einen Glaubwürdigkeitsverlust der LINKEN bei ihren Wählern.
Potsdam, den 8. August 2013
Anlage
Bundesmittel für die Garnisonkirche billiger Wahlkampftrick
Der Bund soll laut Kulturstaatsminister Bernd Neumann 2014/15 12 Millionen Euro für den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche aufbringen. Dazu Norbert Müller, stellvertretender Landesvorsitzender der LINKEN und Bundestagsdirektkandidat im Wahlkreis 61:
»Die Erklärung von Bernd Neumann ist nichts als billiges Wahlkampfgetöse. Bekanntlich wird am 22. September 2013 ein neuer Bundestag gewählt und danach eine neue Bundesregierung. Das Versprechen des CDU-Kulturstaatsministers ist heiße Luft. Offenbar will Neumann der CDU und seiner Kabinettskollegin und Potsdamer Direktkandidatin Katherina Reiche Wahlkampfunterstützung leisten. Dass die Bundesregierung ohne Befassung des Haushaltes durch den erst noch zu wählenden Bundestag Mittel als eingestellt verkündet spricht für das schräge Demokratieverständnis von schwarz-gelb. Der Bundeshaushalt sollte kein Selbstbedienungsladen für Geschichtsrevisionisten, Evangelikale und Militaristen sein.«
Müller weiter: »Schon bisher sind mehr direkte und indirekte öffentliche Mittel als private Mittel für den Wiederaufbau der Militärkirche geflossen. Die Abstimmung über den Bürgerhaushalt zeigt aber: Die Potsdamerinnen und Potsdamer wollen keine öffentlichen Gelder für den Wiederaufbau verschwenden. Sie wollen und brauchen viel dingender bezahlbaren Wohnraum, grade auch für junge Familien und Studierende.«
Potsdam, den 13. August 2013