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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Peter Hartz – Meister der Skandale und Konstrukteur der Hartz-Reformen

Arne Brix, Oldenburg

 

Peter Hartz wird 80 Jahre alt. Glückwünsche sind an dieser Stelle obligatorisch, aber keinesfalls herzlich. Die Jährung seines Alters gibt allerdings Anlass aufzuzeigen, wer Peter Hartz, der Namensgeber für die rabiatesten Sozialkürzungen in den letzten Jahren, eigentlich ist, welche Folgen die Hartz-Reformen heute noch haben und warum im Gegensatz zum Jubilar die Betroffenen dieser Reformen alles andere als Grund zum Feiern haben.

Aus kleinen Verhältnissen zum Millionär

Am 9. August 1941 wurde Peter Hartz im Saarland geboren, als dritter Sohn eines saarländischen Hüttenarbeiters. Nach der Mittelschule und dem Wehrdienst schloss er ein Betriebswirtschaftsstudium ab. Und von da an ging es mit der Karriere des Saarländers steil bergauf. Auf seinem Karrierehöhepunkt war er VW-Arbeitsdirektor, enger Berater und Kumpel von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Bundesverdienstkreuzträger und – Millionär. Googelt man, wie der gute Mann zu seinem Reichtum gekommen ist, erfährt man nur, dass Peter Hartz beträchtliche VW-Anteile hält.

Reichtum und Karriereweg, vor allem aber vermutlich die engen Kontakte mit dem damaligen Kanzler, schienen Peter Hartz zu befähigen, Vorsitzender jener Kommission zu werden, welche das größte Sozialstaatsumbauprojekt der Nachkriegszeit konzipierte. Im Jahr 2002 wurde Peter Hartz jedenfalls von der damaligen rot-grünen Bundesregierung beauftragt, als Vorsitzender einer nach ihm benannten Arbeitsgruppe Pläne für die späteren »Hartz-Reformen« zu entwickeln. Die daraus resultierenden Hartz-Gesetze wurden ein wesentlicher Teil der Agenda-Politik unter Gerhard Schröder und führten zu den härtesten Einschnitten in den Sozialstaat seit 1945.

Und ist der Ruf erst ruiniert… Nur fünf Jahre später wurde Peter Hartz wegen seiner Verstrickung in die sogenannte VW-Affäre – es ging um Schmiergelder, Bestechungen und Prostitution – zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Die mit dieser Bewährung verbundene Geldbuße von knapp 580.000 Euro wies Schröders Saubermann juristisch nachweislich als einen Straftäter aus, der sich des Tatbestands der Untreue und Begünstigung schuldig gemacht hatte. Angelegt wurde für die Geldstrafe ein Tagessatz von 1.600 Euro. Für alle, die die aktuellen Hartz-IV-Regelsätze nicht im Kopf haben: erwachsene Hartz-IV-Empfänger müssen von 1.600 Euro, das Wohngeld nicht mitberechnet, knappe vier Monate leben, Kinder im Hartz-IV-Bezug fast acht Monate. Peter Hartz lebt heute übrigens mit einem geschätzten Gesamtvermögen von 15 Millionen Euro zurückgezogen im Saarland.

Das System Hartz IV zementiert Armut

Noch bevor am 1. Januar 2005 mit Hartz IV das letzte der vier Reformgesetze in Kraft trat, wurde »Hartz IV« zum Wort des Jahres 2004 gekürt. Man merkt, in welchem System man lebt, wenn ein Wort, das die Schwächung der Arbeitslosenversicherung und die Auflösung der Arbeitslosenhilfe zugunsten einer geringeren Grundsicherung für Arbeitssuchende und eine damit einhergehende verstetigte Prekarisierung von Menschen beschreibt, zum Wort des Jahres und nicht zum Unwort des Jahres gewählt wird. Aber auch 16 Jahre später hat die sogenannte Sozialreform nichts von ihrer politischen Brisanz verloren. Hartz IV steht für ein System aus Kontrolle, Demütigung und Armut. Der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge beschreibt es in seinem Buch »Hartz IV und die Folgen: Auf dem Weg in eine andere Republik?« wie folgt:

Gerade, weil Hartz IV in der Öffentlichkeit kaum noch problematisiert wird, bietet es sich an, eine umfassende Bilanz der Reformmaßnahmen zu ziehen. Je intensiver sich der Verfasser mit dieser komplizierten Materie befasst hat, umso mehr wurde ihm bewusst, dass es sich bei Hartz IV um ein zutiefst inhumanes System voll innerer Widersprüche handelt, dass Menschen entrechtet, erniedrigt und entmündigt. Sowohl die von dem Gesetzespaket unmittelbar Betroffenen wie auch ihre Angehörigen und die mit ihnen in einer »Bedarfsgemeinschaft« zusammenlebenden Personen werden stigmatisiert, sozial ausgegrenzt und isoliert. Es geht hier jedoch weniger um ein moralisches Werturteil, das unter Würdigung aller Gesichtspunkte vernichtend ausfallen muss, als um die Analyse der arbeitsmarkt-, beschäftigungs-, wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Implikationen von Hartz I-IV. […]

Durch die Hartz-Gesetze wurde nicht bloß der Arbeitsmarkt dereguliert, die Leiharbeit liberalisiert und der einzelne Transferleistungsempfänger stärker als bisher drangsaliert, die Bundesrepublik Deutschland vielmehr auch in einer bis dahin unbekannten Weise sozial polarisiert, fragmentiert und formiert. […]

»Hartz IV« ist europaweit das bekannteste Symbol für den Sozialabbau und gilt hierzulande als tiefste Zäsur in der Wohlfahrtsstaatsentwicklung nach 1945: Zum ersten Mal wurde damit eine für Millionen Menschen in Deutschland existenziell wichtige Lohnersatzleistung, die Arbeitslosenhilfe, abgeschafft und durch eine bloße Fürsorgeleistung, das Arbeitslosengeld II, ersetzt. Aber weit mehr als das: Durch die Agenda 2010 des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder und die nach seinem Bekannten Peter Hartz benannten Reformen, vornehmlich das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, ist Deutschland zu einer anderen Republik geworden. Dieses berühmt-berüchtigte Gesetzespaket hat das Armutsrisiko von (Langzeit-)Erwerbslosen und ihren Familien, aber auch von prekär Beschäftigten spürbar erhöht und einschüchternd auf weitere Bevölkerungskreise gewirkt.

Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass Hartz IV in allen gesellschaftlichen Bereichen zu Verschlechterungen geführt hat. Besonders signifikant ist der ausufernde Niedriglohnsektor, der bald fast ein Viertel aller Beschäftigten umfasst. Ebenso ist eine weitere Folge der sogenannten Hartz-IV-Reformen, dass eine gesellschaftliche Entsolidarisierung und die Verbreitung sozialer Eiseskälte fortschreiten. Man mag einwenden, dass Peter Hartz lediglich ein Handlanger für jene Interessen war, die auf radikale soziale Einschnitte und eine kapitalfreundliche Politik gesetzt haben. Er hat mit seiner Kommission die Gesetze entworfen, beschlossen und damit wirksam wurden die Gesetze aber erst durch Rot-Grün, durch Schröder und Co.. Dieser Einwand ist berechtigt. Die Hartz-Reformen markieren in ihrer brutalen Durchschlagskraft einen gesellschaftlichen Umbruch, der gerade von Kommunistinnen und Kommunisten in seiner sozial-strukturellen Dimension analysiert und verstanden werden muss. Ein neoliberaler Kapitalismus ohne Systemkonkurrenz hat sich der sozialen Errungenschaften entledigt, welche die Arbeiterbewegung über viele Jahrzehnte erkämpft hatte. Die Regierungszeit mit Kanzlerschaft der SPD war dafür der historisch günstige Zeitraum, um möglichst wenig gesellschaftliche Gegenwehr zu provozieren. Der Blick zurück auf den Handlanger Peter Hartz darf daher kein Blick sein, der die Verantwortung für die Hartz-Reformen personalisiert. Er muss ein Blick sein, der die Zusammenhänge offenlegt, der deutlich macht, dass Hartz IV der Wesenskern eines kapitalistischen Systems ist. Ein Blick, der die Verantwortlichen konsequent benennt und in den Fokus rückt und deutlich macht, dass das es eine politische Wende hin zu sozialer Gerechtigkeit und demokratischem Sozialismus braucht. Erbärmlich bleibt die Personalie dabei sicher trotzdem. So erbärmlich wie die Verrenkungen einiger unverbesserlicher Sozialdemokraten, die noch heute Hartz IV verteidigen und dabei Kanzlerkandidat der SPD sind.

 

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