Zum Hauptinhalt springen
Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Paul Robesons Verhör am 31. Mai 1948, die »unamerikanischen Aktivitäten« und der Kalte Krieg

Dr. Reiner Zilkenat, Hoppegarten

 

Am 31. Mai 1948 [1] schauten viele US-Amerikaner, aber auch Millionen progressive Bürge­rinnen und Bürger überall auf der Welt, gespannt nach Washington. Paul Robeson, der be­rühmte Sänger, Schauspieler und Vorkämpfer für die Beseitigung der Rassendiskriminie­rung, hatte sein Erscheinen vor dem öffentlich tagenden Justizausschuss des Senats (»Se­nate Committee on the Judiciary«) als sachverständiger Vertreter der »Progessive Party« [2] angekündigt. Es ging um ein Hearing zu einem Gesetzesentwurf, der das Verbot der Kommunistischen Partei der USA beinhaltete. Doch zunächst sei einiges zur Rolle des Kon­gresses im eskalierenden Kalten Krieg Ende der vierziger Jahre gesagt.

Im Parlament der USA existierten damals mehrere Gremien, darunter der berüchtigte »Aus­schuss für Unamerikanische Aktivitäten« des Repräsentantenhauses (»House Un-A­merican Activities Committee«), die über die Befugnis verfügten, des »Kommunismus« und des »Lan­desverrates« verdächtige Personen vorzuladen. Sie wurden in einem inquisitori­schen Verfah­ren, das mitunter über Rundfunk- und Fernsehstationen landesweit übertra­gen wurde, mit haltlosen Verdächtigungen und auf Denunziationen beruhenden Anschuldi­gungen gedemü­tigt. Der betroffene Personenkreis zählte nach Tausenden. Journalisten, Schriftsteller, Regie­rungsbeamte, Diplomaten, Wissenschaftler, Schauspieler, Regisseure, Gewerkschafter, aus Deutschland in die USA emigrierte Intellektuelle, darunter Bertolt Brecht, und andere Per­sönlichkeiten des öffentlichen Lebens mussten oft stundenlang Auskunft über ihre politischen und weltanschaulichen Überzeugungen geben. Schließlich galt es, die Frage nach der Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei der USA beant­worten.

Der am 26. Mai 1938 aus der Taufe gehobene »Ausschuss für Unamerikanische Aktivitä­ten« war ursprünglich primär dafür eingerichtet worden, um in den USA lebende Nazis identifizie­ren zu können. Doch mit dem von den USA provozierten Kalten Krieg, der 1947/48 einen ersten Höhepunkt erreicht hatte [3], kontaminierten der Antikommunismus und der Anti­sowjetismus immer stärker das innenpolitische Klima des Landes. Es erwies sich die Rich­tigkeit der Erfahrungen von Millionen Kommunisten, dass die Ausbreitung des Anti­kommunismus stets einen Abbau demokratischer Rechte mit sich bringt. Paul Robeson ge­hörte zu den Ersten, die diese antidemokratischen Gepflogenheiten am eigenen Leib spü­ren sollten.

Gegen Rassendiskriminierung und Lynchjustiz

Paul Robeson, geboren am 9. April 1898 in Princeton, war ein Nachfahre schwarzer Sklaven. [4] Es war ihm gelungen, trotz seiner Hautfarbe das Studium der Rechtswissen­schaften an der renommierten Columbia Universität in New York erfolgreich zu absolvie­ren. Sein intensives Studium der Werke von Marx, Engels und Lenin brachte ihn zu der Er­kenntnis, dass die Unterdrückung der Farbigen in Zusammenhang gesehen werden müsste mit dem Klassencharakter der in den USA herrschenden Gesellschaftsordnung, dass sich folglich eine Lösung der »Rassenfrage« nicht vom Klassenkampf gegen den Kapitalismus mit dem Ziel der Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft trennen ließe. Robeson war ein marxistischer Intellektueller und Künstler, der mit seinen Liedern und mit seinen Auf­tritten als Schauspieler ein großes Publikum, auch außerhalb der USA, zu begeistern ver­stand. Bald wurde er eine der wichtigsten Stimmen des »anderen Amerika«.

1946 hatte Robeson den »American Crusade Against Lynching« (ACAL) gegründet. Der An­lass war ein am 25. Juli 1946 gegen vier junge Farbige in Georgia verübter Lynchmord. Die polizeilichen Untersuchungen verliefen bald im Sande, es kam jedoch in Washington, New York und anderen Städten zu Protestkundgebungen gegen derartige Gewaltexzesse. Der halbherzige Versuch von Präsident Truman, im Kongress ein »Anti-Lynching-Gesetz« verab­schieden zu lassen, scheiterte auch am Widerstand von Abgeordneten und Senatoren sei­ner eigenen Demokratischen Partei. Robeson, der ein erfolgloses Gespräch mit dem Präsi­denten über die Notwendigkeit eines gesetzlichen Verbots der Lynchjustiz führte, wurde in diesen Jahren zu einem der wichtigsten Protagonisten der Bürgerrechtsbewegung und da­mit zu einer der von den Herrschenden meistgehassten Persönlichkeiten. Wo immer es möglich war, verhinderten Politiker seine öffentlichen Auftritte und Konzerte; die bürgerli­chen Medien verunglimpften ihn systematisch in der Öffentlichkeit. Seine Popularität war jedoch nur schwer zu beeinträchtigen. Als Paul Robeson am 31. Mai 1948 vor dem Justi­zausschuss des Senats erschien, wollte er sich nicht einem inquisitorischen Verhör unter­werfen, sondern Stellung beziehen gegen die »Mundt-Nixon-Bill« [5], eine Gesetzesvorlage, die das Verbot der Kommunistischen Partei der USA beinhaltete. Im Repräsentantenhaus war die Vorlage bereits mit 319 zu 58 Stimmen angenommen worden. [6] Es bestand die Ge­fahr, dass auch der Senat ein positives Votum abgeben könnte. Dagegen wollte Paul Robe­son unmissverständlich Stellung beziehen. Außerdem ging es ihm darum, die Rechte sei­ner farbigen Landsleute von den Senatoren einzufordern.

Robeson formulierte seine Einschätzung des Gesetzesentwurfs mit aller Deutlichkeit. [7] Er schiene ihm »die Grundidee zu haben, dass dem Volk der Vereinigten Staaten, und genau­so jedem anderen, nicht nur nicht geholfen werden soll, sondern dass man seinen Kampf durch Terror stoppen muss – den Kampf um die Rechte der Neger, der Arbeiter und der an­deren Amerikaner, die heute noch nicht über die vollen Bürgerrecht verfügen.« Und weiter: Es sei nötig, die Geltung der demokratischen Ordnung und der Bürgerrechte auszudehnen »auch auf die zahlreichen Amerikaner spanischer Abstammung, die ich vor wenigen Mona­ten in Pueblo, Colorado, in Erdlöchern hausen sah, von denen viele auf den Obstplantagen von Kalifornien leben, im gesamten Süden und überall in Amerika.« Hier zeigte sich ein Charakteristikum der politischen Überzeugungen Robesons: Dass die Rechte auf politische Teilhabe unbedingt durch die Realisierung sozialer Rechte ergänzt werden müssten. An­sonsten würde es sich um Rechte nur für eine Minderheit handeln. Deshalb sein Engage­ment für streikende Arbeiter und Erwerbslose sowie zugunsten der in elenden Verhältnis­sen, rechtlos lebenden »Hispanics« auf den landwirtschaftlichen Großbetrieben im Süden der USA.

Senator William Langer [8] wollte es genau wissen. Er fragte nach den konkreten politischen Forderungen Robesons und erhielt unmissverständliche Antworten.

»… dass verstaatlicht werden sollte …«

Einige Kostproben: »Langer: Wenn Sie zu entscheiden hätten, gäbe es bei Ihnen Sozialwoh­nungen und Heime für Kriegsteilnehmer und mittellose Bürger? Robeson: Ja. Langer: Hät­ten Sie ein Sozialversicherungssystem, das sich wirklich effektiv um alle kümmern würde, die Hilfe bräuchten? Robeson: Ja. Langer: Würden Sie mit all den Kartellen und Monopolen aufräumen? Robeson: Genau. Langer: Würden Sie Gesetze unterstützen, die die Arbeit der Behörde zur Überwachung der Arbeitsbedingungen erleichtern würde? Robeson: Das wür­de ich mit Sicherheit. Ich finde, dass ist grundlegend für die amerikanische Demokratie. Langer: 400.000 Mexikaner in Kalifornien sollten nicht aus den öffentlichen Schulen aus­gegliedert, aus ihnen verbannt werden? Robeson: Das steht mir ebenso nahe wie andere Probleme, natürlich.« Schließlich wurde von Senator Langer die entscheidende Frage an Paul Robeson gerichtet, die Frage nach den Eigentumsverhältnissen in der US-amerikani­schen Wirtschaft: »Langer: Sie hatten sich auch für die Verstaatlichung bestimmter Indus­triezweige ausgesprochen? Könnten Sie diese aufzählen? Robeson: … zum Beispiel Kohle und Eisenbahnen, in bestimmten Fällen die Handelsschifffahrt, vielleicht sogar die Flug­zeugindustrie, dann bestimmte Dinge etwa in der Atomkraft, alles das, wo feststeht, dass es sich um öffentliche Notwendigkeiten handelt, wo es für die Nation um Sein oder Nicht­sein geht, in allen diesen Fällen finde ich, dass verstaatlicht werden sollte. Langer: Mit an­deren Worten … würden Sie diese Industrien aus den Händen der Wenigen nehmen und sie in die Hände des Volkes geben? Robeson: Das ist richtig.«

Die Befragung Robesons richtete sich jedoch nicht zuletzt auf sein Verhältnis zur Sowjet­union, die er verschiedentlich bereist hatte. Senator Ferguson1 stellte die Frage, was er dort erlebt habe und ob er ein Land kenne, in dem Menschen mehr Chancengleichheit hät­ten als in den USA. Der Dialog, der sich an diese Frage anschloss, war bemerkenswert. Die hier getroffenen, sehr persönlichen Aussagen des prominenten Künstlers waren auf dem Capitol Hill noch nie zuvor in dieser Weise formuliert worden.

»… die völlige Abwesenheit von Rassenvorurteilen …«

»Ferguson: Wie viel Zeit haben Sie in Russland verbracht? Robeson: 1934 und 1937 war ich dort für zwei Wochen, drei Wochen, drei Monate. Viel interessanter, Herr Senator, ist die Tat­sache, dass mein Sohn dort zwei oder drei Jahre zur Schule gegangen ist. Mein ein­ziger Sohn – weil ich in Russland die völlige Abwesenheit von Rassenvorurteilen erlebte, zum er­sten Mal in meinem Leben. Senator, ich konnte dort aufrecht gehen, mit der ganzen Würde eines menschlichen Wesens! Deshalb habe ich meinen Jungen dorthin geschickt. Ferguson: Wie alt war er? Robeson: Acht oder neun Jahre, noch ein Kind, ein sehr wichtiges Alter. Fer­guson: Welche Schule hat er besucht? Robeson: Er ging auf eine öffentliche Schu­le in Mos­kau. Er ist seit vielen Jahren in Amerika zurück, hat die High School besucht. Weil er in Russ­land dieses Rassenvorurteil nicht erlebt hat, wird er heute in Amerika für sein Volk kämpfen, in einem fortschrittlichen Bereich des amerikanischen Lebens, und es wird ihm leichter fal­len als etwa mir, denn wenn mir jemand ein Schimpfwort nachrufen würde, ich glaube nicht, dass ich darauf einginge, aber ich müsste mich beherrschen, um nicht aufzuspringen und den Burschen niederzuschlagen. Er dagegen hat keine solchen Gefühle, weil er weiß, dass er in einem Teil der Welt gelebt hat, wo es keine Vorurteile wegen der Hautfarbe gibt. So kann er einen wichtigen Beitrag zum Leben in Amerika leisten. Das ist der Grund, weshalb er dort­hin gegangen ist.« Senator Ferguson und seine Kollegen ver­zichteten darauf, dieses Thema weiter zu behandeln.

Angesichts derartiger Aussagen durfte die Frage nach seiner Mitgliedschaft in der KP der USA nicht fehlen. Auch die Antwort Paul Robesons auf diese Frage sei zitiert: »Heute ist die­se Frage zur eigentlichen Grundfrage des Kampfes um die amerikanischen Bürgerrechte geworden. (…) Ich weigere mich, diese Frage zu beantworten. Diese Frage verletzt mein Recht der geheimen Wahl. Wenn Sie wissen wollen, ob ich das bin – die Kommunistische Partei ist eine zugelassene Partei und eine demokratische Partei –, ich werde sehr bald zur Wahl gehen. Wenn Sie einen Regierungsbeamten hinschicken, damit er mir meinen Stimm­zettel nimmt, der dem Wahlgeheimnis unterliegt, dann kann er sehen, was ich bin.« Zusammenfassend kann hervorgehoben werden, dass die stundenlange Befragung die intel­lektuell-moralische und politische Überlegenheit des Sohnes eines Sklaven gegenüber den mächtigen Senatoren des Justizausschusses demonstrierte. Er demaskierte die von den Herrschenden postulierte Allgemeingültigkeit und Überlegenheit »amerikanischer Wer­te« als hohle Phrase.

Dazu sei als ein Beispiel unter vielen Außenminister George Marshall zitiert, der sich am 15. März 1947 auf der Londoner Außenministerkonferenz zu den politischen und morali­schen Grundlagen der Politik seines Landes folgendermaßen äußerte: »Ich weiß, dass das Wort ›Demokratie‹ verschiedenartig ausgelegt wird. Für die amerikanische Regierung und für jeden amerikanischen Staatsbürger hat dieses Wort eine grundsätzliche Bedeutung. Wir sind davon überzeugt, dass jeder Mensch bestimmte unaufhebbare Rechte hat, die er nicht fort geben kann und die ihm auch nicht genommen werden können. Es ist das Recht eines jeden Individuums, seine Überzeugung und seinen Glauben nach seinem eigenen Wunsche zu wählen, frei von Furcht und allein dadurch gebunden, dass er nicht gleicharti­ge Rechte anderer Menschen behindern darf. Für uns Amerikaner ist eine Gesellschafts­ordnung nicht demokratisch, wenn es Menschen, welche die Rechte ihrer Mitbürger achten, nicht freisteht, ihrem Glauben und ihrer Überzeugung Ausdruck zu ge­ben, ohne dass sie befürchten müssen, dadurch Heim und Familie zu verlieren. Für uns Amerikaner ist eine Gesellschaft nicht frei, wenn ein Gesetz die Staatsbürger in Furcht davor leben lässt, dass ihnen das Recht auf Arbeit aberkannt werden könnte und dass sie eines Lebens beraubt werden könnten, das der Erreichung der Freiheit und des Glückes dient.« [10] Ein bes­serer Kommentar zu diesen Zynismen als die Aussagen Paul Robesons vor dem Justizaus­schuss des Senats ist nicht denkbar.

Demokratieabbau in Aktion

Die »Mundt-Nixon-Bill« scheiterte schließlich im Senat, der die vom Repräsentantenhaus verabschiedete Gesetzesvorlage nicht zur Abstimmung brachte. Unter anderem Demonst­rationen vor dem Capitol in Washington, die Robeson mitorganisiert hatte, und ein gegen den Gesetzesentwurf von 57 Professoren der Harvard-Universität verbreiteter Aufruf in der »New York Times« trugen hierzu bei. Dessen ungeachtet waren 1947/48 Jahre des forcier­ten Demokratieabbaus. Hier nur einige der damals von den Regierenden getroffenen Ent­scheidungen und unbewiesenen, öffentlich verbreiteten Behauptungen, die dazu beitrugen, ein hysterisches antikommunistisches Klima zu erzeugen: Am 26. März 1947 zelebrierte der Direktor des FBI, J. Edgar Hoover, seinen dramatischen Auftritt vor dem »Ausschuss für Unamerikanische Aktivitäten«, bei dem er davor warnte, dass sich angeblich »Liberale und Demokraten« mit den Kommunisten zusammengetan hätten. Nötig seien »Eifer, Leiden­schaft, Ausdauer und Fleiß, um dieser Bedrohung durch den roten Faschismus zu begeg­nen.« [11] Einen Tag zuvor hatte Präsident Truman angeordnet, dass »alle subversiven Elemen­te, einschließlich Faschisten und Kommunisten, aus der Verwaltung entfernt werden sol­len.« [12] Im April 1947 unterzeichnete der Gouverneur des Staates New York, Tom Dewey, ein Gesetz, dass die Tätigkeit der KP der USA in diesem Bundesstaat untersagte und von der Partei die Aushändigung einer Liste mit sämtlichen Parteimitgliedern verlangte. [13] Am 5. Mai 1947 verlautbarte J. Edgar Hoover in Washington, »die Kommunisten in den USA seien auf allen Gebieten in das öffentliche Leben eingedrungen. Sie hätten sich in das Film-, Radio- und Zeitungswesen, in die Gewerkschaftsorganisationen und in jedes andere Betätigungs­feld Eingang verschafft.« [14] Am 8. Januar 1948 teilte der Vorsitzende des »Ausschusses für Unamerikanische Aktivitäten«, J. Parnell Thomas, der Öffentlichkeit mit, man plane einen Gesetzesentwurf, der die Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei als Ausdruck einer »landesverräterischen Haltung« charakterisieren werde. [15] Am 21. Juli 1948 wurden mehrere Führer der KP der USA, unter ihnen der Parteivorsitzende William Z. Foster, vom FBI ver­haftet und mit dem absurden Vorwurf konfrontiert, sie hätten den »gewaltsamen Sturz der Regierung« geplant. Gegen Kaution erfolgte ihre Freilassung, der zahlreiche Verhöre vor dem FBI folgten. [16] Im Jahr darauf, im März 1949, quantifizierte J. Edgar Hoover zum ersten Mal die vom FBI angeblich ermittelte Zahl der in den USA tätigen Agenten und Spione, die vor allem für die UdSSR arbeiten würden. In einem Bericht an den »Ausschuss für Uname­rikanische Aktivitäten« stellte er die absurde Behauptung auf, dass sich in den USA 825.000 Spione aufhielten und die KP der USA über 74.000 Mitglieder verfüge. [17] Dies hätte bedeutet, dass etwa 0,6 Prozent der gesamten Bevölkerung der USA (Ende der vierziger Jahre hatte das Land etwa 150 Millionen Einwohner) aus sowjetischen Spionen bestanden hätte. Zieht man Kinder, Jugendliche und Greise ab, so wäre nach den »Ermittlungen« des FBI ungefähr jeder 100. Amerikaner ein Agent »im Dienste Moskaus« gewesen.

Genug der Beispiele, die beliebig vermehrt werden könnten. Worum es bei alledem ging, definierte der ehemalige Landwirtschafts- und Handelsminister sowie von 1941 bis 1945 amtierende Vizepräsident Harry Wallace, ein scharfer Kritiker der Politik Trumans, am 29. April 1948 vor Studenten der State University of Iowa mit folgenden Worten: »Die USA wol­len Europa die Demokratie beibringen, erlauben aber im eigenen Lande nicht, dass demo­kratische Grundsätze verwirklicht werden.« Wallace, der im Freien sprechen musste, da die Universitätsleitung ihm das Betreten von Universitätsgebäuden untersagt hatte, fuhr fort: »Die USA befänden sich auf dem besten Wege, die am meisten verabscheute Nation der Welt zu werden, da sie sich überall mit reaktionären Elementen verbündeten.« [18] Bereits im Jahr zuvor hatte Wallace davor gewarnt, dass sich die USA mit ihrer auf dem exklusiven Besitz von Atombomben basierenden Außenpolitik Feinde schaffen würden und forderte stattdessen »eine Zusammenarbeit mit anderen Staaten als Gleicher unter Gleichen.«William Langer (Republikaner) amtierte als Senator von 1941 bis 1959. [19] Doch derartige Ansichten trafen in Washington auf wenig Resonanz. Stattdessen wurden von der Regierung, den Parlamentariern und den herrschenden Medien permanent Kriegs­ängste geschürt und die Sowjetunion als das »Reich des Bösen« denunziert.

Und Paul Robeson? Welches Schicksal erfuhr er in den Jahren nach seinem Auftritt vor dem Justizausschuss des Senats?

Keine »Reisefreiheit« für Paul Robeson

Kurz gesagt: Paul Robeson geriet auf »Schwarze Listen«. Konzertveranstalter, Rundfunk- und Fernsehsender, Zeitungen und Zeitschriften, Filmproduktions- und Schallplattenfirmen wur­den erfolgreich eingeschüchtert. In den Medien, wurde – wenn überhaupt – nur in denunzia­torischer Absicht über ihn berichtet. Im zugespitzten antikommunistischen Klima der 1950er Jahre galt er geradezu als »Staatsfeind« der USA. Ihm wurde sogar der Reisepass entzogen, um ihn an Auslandsauftritten zu hindern. Erst 1958 konnte er die USA wieder verlassen, ging auf Reisen und gab Konzerte in vielen Ländern der Welt, darunter in der Sow­jetunion und in der DDR, wo er unter anderem Korrespondierendes Mitglied der Aka­demie der Küns­te, Ehrendoktor der Humboldt-Universität und mit dem Orden »Stern der Völkerfreund­schaft« ausgezeichnet wurde. Geschichte geschrieben haben seine beiden »Telefon-Konzer­te« im Jahre 1957. Da er persönlich nicht erscheinen konnte, sang er am 26. Mai 1957 über das transatlantische Kabel für Tausende Zuhörer in der St. Pancras Town Hall in London. Am 5. Oktober desselben Jahres wiederholte sich ein derartiges Kon­zert für Bergarbeiter in Wa­les.

Als Paul Robeson am 23. Januar 1976 verstarb, verstummte die Stimme des »anderen Amerika«. Die Aufnahmen seiner Lieder auf Schallplatten, die Kopien seiner Filme und Ma­nuskripte seiner Ansprachen blieben erhalten, davon Einiges im Paul-Robeson-Archiv der Akademie der Künste in Berlin, das seit 1965 existiert. [20]

 

Anmerkungen:

[1]  In der Literatur differieren die Angaben über den genauen Tag des Auftritts von Paul Robeson. Genannt werden der 30. bzw. der 31. Mai 1948. Da der 30. Mai ein Sonntag war, dürfte die Befragung von Robeson wohl eher am Montag, den 31. Mai stattgefunden haben.

[2]  Die Progressive Party war anlässlich der Präsidentschaftswahlen am 2. November 1948 gegründet worden, aus denen der Amtsinhaber Harry S. Truman erfolgreich hervorging. Der Kandidat der Progressive Party, der ehemalige Vizepräsident Harry Wallace, wurde auch von der KP der USA unterstützt und erhielt in einem von hysterischem Antikommunismus und aufgeputschtem Klima 2,4 Prozent der Stimmen.

[3]  Siehe hierzu u. a. folgende Beiträge in dieser Zeitschrift: Siegfried Prokop: Die Churchill-Rede in Fulton und der Ausbruch des »Kalten Krieges«, in: Heft 3/2006, S. 25 ff.; Reiner Zilkenat: Die Ouvertüre zum Kalten Krieg – Churchills Fulton Rede am 5. März 1946, in: Heft 3/2016, S. 8 ff.; derselbe: Der Marshall-Plan und die US-Strategie gegenüber Europa, Heft 4/2018. Diese Artikel sind auch online abrufbar.

[4]  Siehe die ausführliche Biographie in englischer Sprache über Paul Robeson in: en.wikipedia.org/wiki/Paul_Robeson (Abruf: 13.4.2018) und die tabellarische, ebenfalls ausführliche Biographie, in: archiv.adk.de/bigobjekt/18372 (Abruf: 10.4.2018).

[5]  Richard M. Nixon war von Januar 1951 bis Januar 1953 Mitglied des Senats und von Januar 1953 bis Januar 1961 Vize­präsident unter Dwight D. Eisenhower. Von Januar 1969 bis August 1974 amtierte er als 37. Präsident der USA. Carl E. Mundt war von Dezember 1948 bis Januar 1973 Mitglied des Senats. Beide gehörten 1948 dem »Ausschuss für Un-Ameri­kanische Aktivitäten« des Repräsentantenhauses an.

[6]  Siehe Die Welt, Nr. 59, 22.5.1948, S. 1: »USA-Gesetz gegen Kommunismus?« Das Gesetz, das allerdings noch nicht die Billigung des Senats gefunden hatte, firmierte nach seiner Annahme durch das Repräsentantenhaus unter der Bezeich­nung »Subversive Activities Control Act«.

[7]  Alle folgenden Zitate aus: Sind oder waren Sie Mitglied? Verhörprotokolle über unamerikanische Aktivitäten 1947 bis 1956. Hrsg. von Hartmut Keil, Reinbek 1979, S. 196, 201, 202, 198 f. und 197.

[8]  William Langer (Republikaner) amtierte als Senator von 1941 bis 1959.

[9]  Homer Ferguson (Republikaner) amtierte als Senator von 1942 bis 1954.

[10]  Der Tagesspiegel, Nr. 64, 16.3.1947, S. 1.

[11]  Siehe Tim Weiner: Ein Mann gegen die Welt. Aufstieg und Fall des Richard Nixon, Frankfurt a. M. 2016, S. 24.

[12]  Keesing’s Archiv der Gegenwart, XVII. Jg., 1947, S. 1051C.

[13]  Siehe Der Tagesspiegel, Nr. 82, 9.4.1947, S. 1: »Verbot kommunistischer Tätigkeit«.

[14]  Der Tagesspiegel, Nr. 104, 6.5.1947, S. 1: »Gegen kommunistische Aktivität«.

[15]  Siehe Keesing’s Archiv der Gegenwart, XVIII. Jg., 1948, S. 1310F.

[16]  Siehe ebenda, S. 1576E.

[17]  Siehe Die Welt, Nr. 36, 26.3.1949, S. 5: »Spione unterm Scheinwerfer«.

[18]  Die Welt, Nr. 51, 30.4.1948, S. 1: »Wallace sieht schwarz«.

[19]  Der Tagesspiegel, Nr. 40, 16.2.1947, S. 1: »Wallace zur Atompolitik Amerikas«.

[20]  Siehe Anmerkung [3]. Im Internet sind auch die entsprechenden Findbücher im Archiv der Akademie abrufbar.

 

Mehr von Reiner Zilkenat in den »Mitteilungen«: 

2018-04:  Der Marshall-Plan und die US-Strategie gegenüber Europa

2017-11:  Hitlers Kriegsplanungen – Ein geheimes Treffen in der Reichskanzlei am 5. November 1937

2017-08:  »Organisierter Kapitalismus«?