Parteivorstand und bundesweite Zusammenschlüsse berieten
Jürgen Herold, Berlin
Am 17. Oktober 2009 hat der Parteivorstand ein "Konzept für eine Parteidebatte zur politischen und strukturellen Entwicklung der Partei" beschlossen.
Wesentliche Grundlage für die Parteidebatte kann der Brief des Parteivorstandes an die Mitgliedschaft sein, vorausgesetzt, die Basis – die Zusammenschlüsse inklusive – beteiligt sich rege an der Diskussion zu den im Brief aufgeworfenen Fragen.
Im Beschluß des Parteivorstandes vom 17. Oktober 2009 wurde festgelegt, mit den Sprecherinnen und Sprechern der bundesweiten Zusammenschlüsse über den Platz und die Funktion der Zusammenschlüsse in der Partei und deren materiellen, finanziellen und sonstigen Grundlagen zu beraten. Dazu wurden folgende Fragen und Probleme formuliert:
"Die Zusammenschlüsse – Plattformen für Klientelpolitik oder Organisationsform zur Politikentwicklung der Gesamtpartei? Politikentwicklung im Widerstreit der Meinungen oder lieber Parallelgründungen bei inhaltlichen Differenzen? Das Wechselspiel von Vorständen und Zusammenschlüssen. Wie viel Gleichbehandlung ist hinsichtlich der Arbeitsgrundlagen für die Zusammenschlüsse nötig und möglich? Können und sollen Mittelzuweisung und Mandatsvergabe objektiviert werden."
Diese Beratung fand am 28. November 2009 unter Leitung von Dietmar Bartsch statt.
Dietmar Bartsch schätzte eingangs die politische Lage nach den Bundestagswahlen ein und über die Arbeit des Parteivorstandes und der neuen Bundestagsfraktion. Besonders ging er darauf ein, daß die Bildung der Regierung in Brandenburg habe heftige Diskussionen ausgelöst habe und daß trotz aller Probleme die Brandenburger Genossen jetzt solidarisch und kritisch unterstütz werden müßten.
Dietmar Bartsch informierte darüber, daß beabsichtigt ist, den 2. Bundesparteitag am 15. und 16. Mai 2010 in Rostock durchzuführen.
In der sich anschließenden Diskussion wurde von fast allen Rednern der zu kurze Zeitraum für die Programmdebatte kritisiert. Es wurde vorgeschlagen, daß die Programmkommission grundsätzliche Fragen in Kommissionen und auf Konferenzen mit der Basis diskutiert, um zu vermeiden, daß nur mittels Änderungsanträgen auf dem Programmparteitag selbst der Programmentwurf geändert werden kann. Die Heterogenität der Partei sollte sich im Programm widerspiegeln.
Bundesschatzmeister Karl Holluba informierte über die Finanzplanung für die Zusammenschlüsse für das Jahr 2010. Dazu wurde eine Übersicht der bisherigen und geplanten finanziellen Ausstattung verteilt. Karl Holluba hat die Anwesenden auf das hohe Spendenaufkommen bei der Kommunistischen Plattform aufmerksam gemacht.
Für den eigentlichen o.g. Beratungsgegenstand blieb nur etwa eine Stunde Diskussionszeit, so daß alle Diskutanten mit drei Minuten auskommen mußten.
Der Sprecherrat der KPF hatte auf einer vorhergehenden Sitzung die Problematik der Arbeit der Zusammenschlüsse beraten und sich dazu eine Position erarbeitet, die Gen. J. Herold auf der Beratung vorgetragen und anschließend Tanju Tügel übergeben hat.
Dietmar Bartsch hat abschließend betont, daß die Funktion der Zusammenschlüsse erhalten bleiben soll.
Erklärung:
1. Wir stimmen mit vielem in diesem Beschluß überein, haben mit anderem unsere Probleme und verstehen manches nicht. Zu letzterem haben wir entsprechend Fragen formuliert. Dazu an anderer Stelle mehr.
2. Die vorliegende Satzung ist in bestimmter Weise eine des Übergangs, und es war von Beginn an vorgesehen, von Übergangsregelungen zu dauerhaften Regelungen zu gelangen. Damit haben wir natürlich kein Problem. Es scheint uns allerdings, daß in diesem Kontext – gerade im Zusammenhang mit den Zusammenschlüssen – auch Fragen wieder aufgeworfen werden, von denen wir dachten, sie seien in der Satzung auf Dauer beantwortet worden.
3. Wir halten den Brief an die Mitglieder der Partei für einen wichtigen Beitrag zur Ausprägung der innerparteilichen Demokratie und werden alles tun, damit sich die auch in der KPF aktiven Mitglieder der LINKEN in die Debatte einbringen, die dieser Brief stimulieren soll. Wir halten die in diesem Brief gestellten Fragen durchweg für diskussionsnotwendig.
4. Die meisten der im Zusammenhang mit den Zusammenschlüssen aufgeworfenen Fragen halten wir – vorsichtig formuliert – für kryptisch. Sie sind unklar. Man sucht automatisch nach einem versteckten, verborgenen Sinn. Die Fragen sind – zumindest wenn man nichts unterstellt – schwer verständlich. Soviel zum Kryptischen.
- Was bedeutet die Frage: Die Zusammenschlüsse – Plattformen für Klientelpolitik oder Organisationsform zur Politikentwicklung der Gesamtpartei? Mal ganz davon abgesehen, daß es sich merkwürdig anhört, wenn im Zusammenhang mit Parteimitgliedern von Kunden gesprochen wird: Wenn z. B. die ökologische Plattform oder die AG Betrieb und Gewerkschaft durchaus auch für spezifische Interessen stehen, so sind diese doch in Übereinstimmung mit den Interessen der Politikentwicklung der Gesamtpartei. Aber ohne jene, die ihre spezifischen Interessen einbringen, würde vielleicht manches in der Politikentwicklung der Gesamtpartei untergehen. Wozu also die Frage "Klientelpolitik oder Politik der Gesamtpartei"? Das Oder ist völlig deplaziert. Und damit nicht der Eindruck entsteht, wir versteckten uns hinter anderen: Wenn die KPF es als ein wichtiges Anliegen betrachtet, daß die kommunistischen Wurzeln der Partei nicht gekappt werden, dann ist das erklärtermaßen im Interesse sehr, sehr vieler Mitglieder der Partei, wobei all jene, die sich kommunistischen Traditionen verpflichtet fühlen, wissen, daß viele sich dieser Traditionslinie nicht zuordnen, ja das manche diese Traditionslinie als Ballast empfinden.
- Was soll die Frage, "Politikentwicklung im Widerstreit der Meinungen oder lieber Parallelgründungen bei inhaltlichen Differenzen"? Natürlich entwickelt sich Politik auch im Widerstreit der Meinungen. Und Meinungsbildung erfolgt an der Basis ebenso, wie – natürlich nicht unabhängig von der Basis – in den Fraktionen und gewählten Leitungen. Und natürlich erfolgt Meinungsbildung auch in Gruppen und Gruppierungen, die nicht a priori den eben genannten Strukturen zuzuordnen sind. Es war ein unschätzbarer Vorteil der PDS – und das ist in der LINKEN so geblieben – daß Letzteres in gewollten und offiziellen Parteistrukturen erfolgt. Ansonsten nämlich passiert so etwas in selbsternannten informellen Strukturen. Die Zusammenschlüsse in der Partei sind nicht zuletzt deshalb für die innerparteiliche Demokratie von Belang, weil sie einer spezifischen Form der Meinungsbildung und -äußerung (auch durch die Mandate) eine Chance geben – was einen weitgehendem Verzicht auf Küchenkabinettsgebaren ermöglicht. Es machte die PDS und macht die LINKE durchaus attraktiver, daß es einen transparenten Weg gibt, sich zusammenzutun, um Positionen Geltung zu verschaffen – im wesentlichen ohne selbsternannte informelle Strukturen.
- Besonders unklar ist die Frage: "Wie viel Gleichbehandlung ist hinsichtlich der Arbeitsgrundlagen für die Zusammenschlüsse nötig und möglich"? Hierzu fragen wiederum wir: Was ist hier mit dem Begriff Gleichbehandlung gemeint? An welche Maßstäbe ist bei der Quantifizierung (wie viel Gleichbehandlung) gedacht? Was bedeutet im obigen Kontext der Begriff Arbeitsgrundlage? Und – wenn diese drei Fragen beantwortet sind, ergäbe sich möglicher weise noch eine vierte: Welches sind die Maßstäbe dafür, was nötig und was möglich ist? Vielleicht würden die Antworten auf die ersten drei Fragen aber auch die vierte erübrigen.
- Und ein Letztes, sozusagen zur Frage "Können und sollen Mittelzuweisungen und Mandatsvergabe objektiviert werden?" Was bedeutet in diesem Kontext "objektiviert"?
5. Unsere Bemerkungen und Fragen verdeutlichen hoffentlich, daß uns die Art und Weise der Fragestellung, die heute zur Diskussion steht, durchaus verunsichert. Es wäre schön, wenn hier Klartext geredet würde. Geht es um das Problem, erneut zu thematisieren, ob Zusammenschlüsse in der Partei ihren Platz haben sollten oder geht es um untergeordnete Fragen? Wenn Letzteres der Fall ist, wäre es angebracht, diese eindeutig und nicht mehrdeutig zu formulieren.
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