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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

»Noch zwei solche Siege, und wir sind tot«

Johanna Scheringer-Wright im jW-Interview

 

Die Linkspartei in Thüringen muss die vergangenen Jahre kritisch aufarbeiten

 

Wie bewerten Sie das, was am Mittwoch im Landtag passiert ist?

Das war ein schlechter Tag für Thüringen – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Thüringer Geschichte. Aber mich hat es nicht total überrascht. Dass bürgerliche Parteien ihre Leute am Ende von faschistoiden Kräften wählen und vielleicht sogar tolerieren lassen, ist eigentlich keine Neuigkeit. Besonders dann nicht, wenn damit eine linke Regierung verhindert wird.

Nachdem Bodo Ramelow bei der Wahl des Ministerpräsidenten durchgefallen war, haben Sie erklärt, dieses Ergebnis bestätige Ihre Einschätzung, dass der Wahlausgang im Oktober 2019 ein Pyrrhussieg für die Linkspartei war. Was meinen Sie damit?

Die 31 Prozent im Oktober sahen gut aus. Aber SPD und Grüne hatten verloren, das Regierungslager war insgesamt geschwächt. Auch die CDU hatte Stimmen verloren. Die Linke hat Stimmen von diesen Parteien abgezogen. Noch wichtiger: Damit hat sich ihre Wähler­basis erkennbar verschoben – in die »Mitte«, hin zu den bürgerlichen Stimmen. Unsere klassische Wählerbasis hat sich dagegen nicht erweitert, die Stammwählerschaft ist – und zwar insbesondere durch Abgänge ins Nichtwählerlager – geschrumpft. Wenn wir auf dieser Grundlage weitere Siege einfahren, dann sind wir irgendwann nicht mehr die Partei Die Linke. Noch zwei solche Siege, und wir sind – als sozialistische Partei – tot.

Sie haben am Mittwoch auch betont, dass mit dem Scheitern Ramelows der Kurs der Anbiederung an CDU und FDP Schiffbruch erlitten habe. Ramelow und sein Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff haben ja schon lange vor der Landtagswahl damit begonnen, entsprechende Signale auszusenden. Warum ist das in der Landespartei nicht deutlicher kritisiert oder hinterfragt worden?

Das frage ich mich auch. Eine Rolle spielt sicher, dass wir neben der Kommunistischen Plattform keine weiteren linken Zusammenschlüsse in Thüringen haben. Als Thüringen im Bundesrat für Grundgesetzänderungen gestimmt hat, die die Tür aufmachen für Privatisierungen – Stichwort Autobahnen –, kam der Widerstand aus anderen Landesverbänden. Hier wurde das schöngeredet, es gab kaum Protest. Vermutlich erklärt sich das damit, dass es in Thüringen über die Jahre einen beträchtlichen Verschleiß linker Kräfte gegeben hat. Viele haben sich zurückgezogen oder wurden ausgegrenzt. Als ich in die Partei kam, galt Thüringen eher als linker Landesverband. Aber schon damals gab es – abgesehen von der Kommunistischen Plattform – eigentlich keine dezidierte und artikulierte linke Strömung. Man war umgekehrt immer stolz darauf, dass es keine großen Strömungskämpfe gab. Und irgendwann war es kein linker Landesverband mehr. Was sich erhalten hat und zur Desorientierung beiträgt, ist eine scheinradikale Rhetorik, die auch das engere Ramelow-Umfeld drauf hat – zum Beispiel die Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow.

Hat das Debakelvom Mittwoch dennoch das Potential, die Dominanz des rechten Parteiflügels im Thüringer Landesverband zu erschüttern? Eine gewisse Unzufriedenheit scheint ja da zu sein: Die Wahlergebnisse für das Führungspersonal beim letzten Landesparteitag im Dezember waren trotz des Erfolgs bei der Landtagswahl überraschend schwach. Und an der Abstimmung über den nun schon wieder im Papierkorb gelandeten Koalitionsvertrag hat mehr als ein Drittel der Mitglieder gar nicht erst teilgenommen.

Es gibt eine Erschütterung. Aber wohl eher in der Form, dass man einfach ratlos ist. Fakt ist, dass die Strategie, uneingeschränkt anschlussfähig auf die bürgerlichen Parteien zuzugehen, gescheitert ist. Aber die Situation wird dadurch modifiziert, dass wir es hier mit einer sehr starken AfD zu tun haben. Auch viele Genossen, die sagen, der Ramelow-Kurs war falsch, werden unter diesen Umständen sagen: Wir können jetzt keine neue Strategie entwickeln; wenn Neuwahlen kommen, müssen wir handlungsfähig sein. Meine Befürchtung ist: Der Partei wird fast nichts anderes übrigbleiben, als mit dem alten Personal in Neuwahlen zu gehen, wenn die sehr schnell kommen. Aber auch in dem Fall wäre es keine gute Idee, den letzten Landtagswahlkampf einfach noch einmal zu führen.

Was empfehlen Sie Ihrer Partei nun?

Wenn die Neuwahlen nicht sofort kommen, bin ich für eine rasche und kritische Aufarbeitung der letzten Jahre. Wir haben aber noch nicht einmal die krassen Stimmenverluste bei der Kommunal- und Europawahl im Mai 2019 ausgewertet. Wir haben die Zahl unserer Kommunalmandate fast halbiert. Und dann steht damit sofort auch die Frage: Soll Die Linke, angefangen in den Kommunen, für ein »Weiter so« stehen, oder sollen die Menschen eine echte Alternative in unserer Partei sehen? Das muss jetzt entschieden werden.

Das Gespräch mit Johanna Scheringer-Wright führte Nico Popp. (junge Welt, 3. Februar 2020)

 

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2018-04: Die politische Agenda rückt nach rechts

2016-05: Erklärung zum Abstimmungsverhalten zur Änderung des Thüringer Feier- und Gedenktagsgesetzes