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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus!

Resolution der IPPNW

 

Verabschiedet auf der IPPNW-Mitgliederversammlung am 27. April 2024 in Frankfurt a.M.

 

Zu Beginn des Jahres gingen Hunderttausende Menschen auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus zu protestieren. Für die IPPNW gehören »Nie wieder Faschismus« und »Nie wieder Krieg« untrennbar zusammen. Es gilt, den inneren und äußeren Frieden in unserer Gesellschaft zu stärken.

Die IPPNW hat eine lange Tradition im Kampf gegen Faschismus und Militarismus, für die Aufarbeitung der Rolle der Medizin im Nationalsozialismus, den Einsatz für eine angemessene medizinische Versorgung geflüchteter Menschen und für eine menschen­rechtsgeleitete Asylpolitik, basierend auf der medizinischen Ethik und dem Artikel 1, Abs. 1 und Abs. 2 des Grundgesetzes.

Aktuell beobachten wir eine Politik, die es weitgehend versäumt, auf die entscheiden­den Krisen dieser Zeit Antworten zu finden: Im Vordergrund stehen eine militärische Aufrüstung und Kriegslogik. Dringend notwendige Maßnahmen für die Überwindung drastischer sozialer Ungleichheit sowie zur Eindämmung der Klimakrise innerhalb der deutschen und der europäischen Politik bleiben aus oder werden in eine ferne Zukunft verschoben. In diesem Kontext verkehren rechtspopulistische und antidemokratische Parteien Ursache und Wirkung. Sie erklären Migration zur Ursache sozialer Missstände, machen Menschen zu Sündenböcken und bieten gefährliche Scheinlösungen an. Die AfD konnte daher auch deshalb so stark werden, weil die Regierungen und Opposition sich seit Jahren den multiplen Krisen nur unzureichend stellen. Stattdessen versuchen sie das Erstarken der AfD zu bekämpfen, indem sie sich deren Positionen beim Thema Migration annähern. So rutscht die politische Mitte selbst immer weiter nach rechts. Aufgabe der Ampelkoalition wäre es aber, die Lehren aus den letzten Jahren zu ziehen und dem entgegenzuwirken – nicht nur durch ihren Widerspruch gegen die AfD auf Demonstrationen gegen rechts, sondern insbesondere im eigenen Regierungshandeln.

Der Rechtsruck hat längst Eingang in neue Gesetze gefunden: auf europäischer Ebene die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und die EU-Krisenver­ordnung, die auf Abschottung und Entrechtung setzt. Auf nationaler Ebene das so genannte »Rückführungsverbesserungsgesetz«, das Grundrechte beschneidet und die Asylpraxis absehbar brutaler werden lässt, die Einführung der Bezahlkarte für Asylbe­werber*innen und der Ausschluss schutzsuchender Menschen aus der medizinischen Regelversorgung für 3 Jahre statt bisher 18 Monate.

Doch immer mehr Abschottung und Entrechtung lösen nicht die Probleme, die in ver­fehlter Wirtschafts- und Sozialpolitik und in den Fluchtursachen liegen. Sie bewirkt aber, dass wir schleichend akzeptieren, dass Grund- und Menschenrechte nicht mehr für alle gelten. So werden rechtsstaatliche sowie demokratische Prinzipien allgemein geschwächt. Die Abschottung nach außen führt auch zu einer Verrohung und Entsolida­risierung nach innen. Eine Kultur des Friedens nach innen kann es mit Abschottung nach außen nicht geben.

Eine im Kern rassistische Logik hat dazu geführt, dass unbewaffnete Zivilist*innen an den EU-Außengrenzen zur Bedrohung der EU inszeniert und angegriffen werden, Gren­zen immer brutaler aufgerüstet, die Gewalt gegen Menschen auf der Flucht gerechtfer­tigt, solidarische Unterstützung kriminalisiert und die Abschiebung von Menschen als Lösung sozialer Probleme imaginiert werden.

Um rechten Ideologien wirksam die Grundlage zu entziehen, müssen wir die Migrations­gesellschaft verteidigen und der Prämisse eine Absage erteilen, dass unsere Gesell­schaft durch Flucht und Migration bedroht sei.

Als Friedensorganisation erinnert die IPPNW daran, dass »Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!« eine Einheit bilden. Denn Faschismus, Rassismus und Militarismus hän­gen historisch eng zusammen. Der Nationalsozialismus etwa entwickelte rassistische Praktiken des deutschen Kolonialismus weiter, forcierte eine industriell-militärische Entwicklung und propagierte zugleich eine Blut-und-Boden-Ideologie. Unter dem Motto »Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!« demonstrieren Gewerkschaften und Frie­densgruppen jährlich am 1. September, dem Jahrestag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf Polen 1939, für eine friedliche Welt. Der Schlüsselbegriff »Frieden«, fest verankert in unserem Grundgesetz und in der UN-Charta, wird medial und in der Politik immer häufiger geächtet. Der Begriff bezeichnet vielfältige Formen sozialer Beziehun­gen, in denen Gewalt abnimmt und Konflikte kooperativ, problemlösungsorientiert bear­beitet werden. Dieses weite Verständnis von Frieden umfasst innergesellschaftlichen Frieden und zwischenstaatlichen Frieden gleichermaßen.

In Deutschland lässt die Politik der Zeitenwende und der Ruf nach »Kriegstüchtigkeit« den militärisch-industriellen Komplex boomen wie lange nicht mehr. Sie bewirkt, dass Kriege als Mittel der Politik wieder salonfähig oder gar als alternativlos dargestellt wer­den und heroische Tugenden und mit ihnen problematische Männlichkeitskonstruktio­nen neu aufgelegt werden. Diese Militarisierung der Gesellschaft gefährdet den sozia­len Zusammenhalt und fördert faschistische Tendenzen. Einerseits weil die massive Aufrüstung mit herben Einsparungen in anderen Bereichen wie Arbeit und Soziales, Kli­ma, Entwicklungszusammenarbeit und Bildung einhergeht. So sieht der Bundeshaushalt 2024 mehr Geld für den Rüstungsetat vor als für Bildung, Gesundheit, Wohnen, Umwelt, Entwicklung und Auswärtiges Amt zusammen. Die Aufrüstung geht auf Kosten der dringend benötigten sozial-ökologischen Transformation und wird soziale Konflikte um knappe Ressourcen schüren. Zum anderen ist die Zeitenwende Teil eines erstarken­den globalen Kriegsregimes. Statt die globalen Krisen durch kooperative Systeme und echten Multilateralismus anzugehen, droht die Kriegslogik unsere Wirtschaft, Politik und Kultur noch mehr zu durchdringen und Freund-Feind-Schemata zu verschärfen. Feindbilder gefährden sowohl den inneren Frieden, indem sie »Schuldige« für die sozia­len Probleme ausmachen, als auch den äußeren Frieden, denn sie sollen dazu dienen, eine Gesellschaft »kriegstüchtig« zu machen.

Dies alles steht im eklatanten Widerspruch zum Friedensgebot des deutschen Grundge­setzes, das mit der Präambel und dem Artikel 1, Abs. 2 und weiteren Regelungen fest verankert ist. Nur wenn Frieden herrscht, kann sich Politik um die Zukunftsaufgaben unserer Gesellschaft kümmern. Faschismus und Militarismus sind zwei Seiten dersel­ben Medaille. Wir sind daher davon überzeugt, dass wir Antifaschismus und Frieden zusammen denken und angehen müssen. Der Kern unseres gesellschaftlichen Zusam­menhalts ist eine Kultur des Friedens, die auf der Wahrung von Menschen- und Grund­rechten, auf Dialog und auf dem Engagement für Abrüstung und Entspannung fußt und auf eine zivile statt eine militärische Sicherheitspolitik fokussiert.

In einem Gastbeitrag für die »Berliner Zeitung« vom 8. Juni 2024 schreiben Angelika Claußen und Ralph Urban – Mitautoren der obigen Resolution der IPPNW (Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzt*innen in sozialer Verantwortung e.V.) – weiter, die »Proteste gegen eine drohende Wiederkehr des Faschismus« seien »bemerkenswert und unbedingt zu unterstützen. Gleichzeitig darf der Fokus unseres antifaschistischen Engagements nicht bei rechtsnationalen Vereinigungen und der AfD enden. Schon jetzt beobachten wir eine gefährliche Aushöhlung rechtsstaatlicher und demokratischer Prinzipien in Europa. ...« und der Rechtsruck gelte in Europa »auch für die Außen- und Sicherheitspolitik.«

Die »Mitteilungen«-Redaktion bedankt sich für die freundliche Genehmigung zum Abdruck.