Nicht einmal enthalten würde ich mich
Ellen Brombacher, Berlin
Diskussionsbeitrag auf dem Berliner Landesparteitag am 11. Oktober 2024
Meine Urgroßeltern wurden nach Theresienstadt deportiert, da waren sie knapp neunzig. Die Spuren meiner Großeltern verlieren sich im Warschauer Ghetto. Vierzig Menschen aus meiner Familie mütterlicherseits wurden Opfer der Shoa.
Antisemitismus ist für mich absolut intolerabel und wenn Stolpersteine herausgerissen werden – ausgerechnet am 7. Oktober – dann soll mir keiner erzählen, das geschähe aus Wut über Gaza. Da sind Antisemiten am Werk. Da bin ich illusionslos.
Der Antrag G5 lautet »Gegen jeden Antisemitismus – Emanzipation und universelle Menschenrechte verteidigen«. Doch wo in diesem Antrag findet sich die Verteidigung der Menschenrechte palästinensischer Kinder? Ja – das was in Gaza geschieht, legitimiert keinen Antisemitismus. Aber ein Antrag gegen Antisemitismus, der 1.400 tote palästinensische Kinder erbarmungslos vergisst, dem fehlt die Dimension, welche Empathie glaubwürdig macht. Empathie mit jüdischen Menschen und Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid der Palästinenser, das geht nicht zusammen. Und weil dem Antrag eine entscheidende Dimension fehlt, polarisiert er, statt zusammenzuführen.
Würde er abgelehnt, so erklärte die veröffentlichte Meinung unseren Landesverband zum kollektiven Antisemiten. Würde er angenommen, so spaltete er den Landesverband. Uns alle bringt dieser Antrag in eine Zwangslage. Bliebe er unverändert, so würde ich mich jeglicher Abstimmung entziehen. Nicht einmal enthalten würde ich mich.
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