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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

»Vorwärts mit Marx in eine friedliche Zukunft!«

Prof. Dr. Herbert Meißner, Oranienburg

 

Vortrag auf der Konferenz von DKP, RotFuchs und Kommunistischer Plattform der Partei DIE LINKE unter dem genannten Motto am 27. Oktober 2018 in Rostock [1]

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Mitkämpfer und Verbündete! Im Januar 1946, also vor 72 Jahren, wurde ich Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands. Von da an bis heute bin ich Mitglied einer kommunistischen Gemeinschaft, die sich von den Erkenntnis­sen von Marx, Engels und Lenin leiten lässt. Und auch wenn sich manche Positionen und Organisationsformen im Laufe der politischen Entwicklungen modifizierten, so blieb kommunistisches Denken und Handeln für mich stets oberste Maxime.

Wenn wir beim Abschluss von Bundeskonferenzen der Kommunistischen Plattform ge­meinsam mit erhobener Faust die Internationale singen, fühle ich mich richtig zu Hause!

Dies beruht auf der Tatsache, dass sich innerhalb der Linkspartei die Kommunistische Plattform als wahrhaft marxistisch-leninistische Gruppierung gebildet und erhalten hat und als solche im engen Bündnis mit anderen marxistisch-leninistischen Kräften wirksam ist. Sie unterscheidet sich damit von jenen Gruppierungen, die sich ebenfalls in der Linkspartei als Arbeitsgruppen, Problemkommissionen, Flügel usw. herausgebildet haben. Aber in be­achtlicher Weise werden viele dieser Gruppierungen von Führungskräften vertreten und gesteuert, die nicht mehr auf dem Boden von Marx, Engels und Lenin stehen.

Marxsche Denkweise und ihre Anwendung

Die einen wollen im heutigen imperialistischen Herrschaftssystem sozialistische Ansätze erkennen und gemeinsam mit selbstkritischen Teilen der Bourgeoisie in den Sozialismus tanzen. Andere wollen die Großbanken und die Finanzoligarchie dadurch entmachten, dass mittels finanzpolitischer Manipulationen ein kleinteiliger Finanzsektor von Regionalbanken ohne Profitorientierung geschaffen wird. An wieder anderer Stelle wird empfohlen – man höre und staune –, das imperialistische Finanzsystem solle kontrolliert werden »von einem Finanz-TÜV … von der Art der Stiftung Warentest«.

Solche und ähnliche kleinbürgerliche Illusionen tragen nicht zur Festigung der marxis­tischen Bewegung bei. Es geht um strategische, weltanschauliche und theoretische Grundfragen des Marxismus. Aus der Parteigeschichte habe ich gelernt, wie gefährlich es für die Partei ist, wenn wegen aktueller politischer Interessen Grundfragen des Marxismus-Leninismus unter den Teppich gekehrt werden.

Wir alle kennen die Fälle, wo namhafte Parteiführer und exzellente marxistische Theoreti­ker schrittweise den marxistischen Weg verlassen haben. Angekommen sind sie beim So­zialreformismus und Revisionismus. Das war so bei Eduard Bernstein, bei Karl Kautsky und auch bei Rudolf Hilferding.

Bei unserer gegenwärtigen Auseinandersetzung mit solchen Tendenzen für jeden Einzelfall ein passendes Marx-Zitat zur Hand zu haben, ist natürlich auch nützlich, trifft aber nicht den Kern der Sache. Worauf es ankommt, ist die Erfassung der Marxschen Denkweise, die Anwendung der von Marx erarbeiteten materialistischen Dialektik und die Erfassung und Nutzung der vielseitigen Erfahrungen der Arbeiterbewegung. Mit solchem marxistischen Herangehen, welches dialektisches und historisch-materialistisches Denken verbindet, sind die Widersprüche in unserer Gesellschaft am klarsten erkennbar.

Hier soll aber nicht übergangen werden, dass inzwischen auch namhafte Politiker und Politikwissenschaftler aus verschiedenen Ländern, die keine Marxisten sind, ausgespro­chen scharfe und antikapitalistische Positionen beziehen. Noch vor über 30 Jahren richtete sich das Gesellschaftsdenken groß- und kleinbürgerlicher Soziologen, Ökonomen und Poli­tologen darauf, die bestehende kapitalistische Ordnung zu rechtfertigen, zu verteidigen und zu erhalten. Es gab noch keinen bürgerlichen Theoretiker, der dieses System als »kan­nibalisch«, also menschenfressend, bezeichnet hat. Und es gab noch keinen Papst, der zu der Feststellung kam: »Diese Wirtschaft tötet.« Das alles hat sich deutlich geändert!

Der renommierte Schweizer Professor der Universität Genf, Jean Ziegler, der auch in Men­schenrechtsfragen für die UNO tätig ist, veröffentlichte kürzlich ein Buch mit dem Titel »Ändere die Welt«. Er verschärfte diese Forderung durch den Untertitel: »Warum wir die kannibalische Weltordnung stürzen müssen«.

Ich betone: nicht verbessern, verändern oder umgestalten, sondern stürzen!

Ziegler kommt nach faktenreicher Analyse der Tätigkeit der multinationalen Konzerne zu dem Schluss: »sie entziehen sich jeder einzelstaatlichen, supranationalen, gewerkschaftli­chen und sonstigen Kontrolle«. Und er betont weiter: »Sie häufen finanziellen Reichtum an, wirtschaftliche, politische und kulturelle Macht in einem Ausmaß, wie kein König, kein Kai­ser und kein Papst in der Geschichte der Menschheit sie je besessen hat«.

Bei allem Respekt vor dieser Position bleibt die Frage offen, weshalb dieser Autor auf die Untersuchung der objektiven ökonomischen und letztlich politischen Grundlagen der Ent­stehung, Festigung und Stärke dieses Systems verzichtet. Er ignoriert die Gesellschafts­analyse von Marx und nennt sie: »Der gescheiterte Traum von Karl Marx«. Er gesteht ihm bestenfalls zu: »Marx großartige Vision lebt weiter als Utopie der Emanzipation der Men­schen«.

Dieses Unverständnis gegenüber Marx hindert den Schweizer Kollegen auch daran, realis­tische Wege für den von ihm geforderten Sturz dieses kannibalischen Systems zu finden.

Ähnlich ist es bei dem ebenfalls international renommierten US-amerikanischen Politolo­gen Noam Chomsky. Er ist emeritierter Professor am MIT, der weltberühmten geistigen Kaderschmiede der USA, und gilt als einer der bekanntesten Intellektuellen der USA. In seinem Buch »Wer beherrscht die Welt?« (2016) analysiert er mit großer Scharfsichtigkeit und faktenreichen Darlegungen die Politik des amerikanischen Finanz- und Rüstungskapi­tals und kennzeichnet sie als Weltherrschaftsstreben. Die davon ausgehenden Gefahren für die Weltgesellschaft schildert Noam Chomsky anschaulich an vielen Vorgängen der ver­gangenen Jahrzehnte.

Zunehmende Konflikte und Widersprüche

Bemerkenswert ist seine Feststellung: »Unaufhaltsam setzt die amerikanische Macht ihren Abstieg vom einsamen Gipfel der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg fort. Zwar bleiben die Vereinigten Staaten das mächtigste Land der Welt, trotzdem teilt sich die Macht auf dem Globus immer weiter auf, so dass die USA zunehmend Schwierigkeiten haben, ihren Willen durchzusetzen«.

Das zeigt sich besonders deutlich seit dem Regierungsantritt von Donald Trump. Er hat seit seinem Regierungsantritt mit ständigem Hin und Her sowie Auf und Ab eine Verun­sicherung der internationalen Beziehungen herbeigeführt, die auch viele andere kapitalis­tische Staaten verunsichert und in Widerspruch zur Politik des US-amerikanischen Präsi­denten geraten lässt.

Ob es sich um die außenpolitischen Konflikte der USA in Bezug auf Mexiko und neben Nordkorea inzwischen auch Südkorea handelt oder um die Außenhandelskrise im Hinblick auf ganz Westeuropa – insgesamt zeigt sich ein Weltbild mit zunehmenden Konflikten und Widersprüchen im kapitalistischen Bereich.

Demgegenüber wachsen Stärke und internationaler Einfluss solcher Gegenkräfte wie Chi­na, die Russische Föderation, Koreanische Volksrepublik, Cuba und einige weitere, mit denen auch unsere deutsche kommunistische Bewegung eng verbunden ist.

Und wir deutschen Kommunisten sind stolz darauf, fester Bestandteil der internationalen kommunistischen Bewegung zu sein.

Im Hinblick auf die internationale Situation kommen die Einschätzungen solcher Autoren wie Jean Ziegler, Noam Chomsky und anderer Kapitalismuskritiker unseren marxistischen Analysen recht nahe. Daher ist bedauerlich, dass sie die tieferliegenden marxistischen Erkenntnisse des Zu­sammenhangs von Privateigentum an den Produktionsmitteln, Profitmaximierung, Kapital­konzentration, Finanzkapital bis zum Rüstungskapital ignorieren. Durch diese Ignoranz bleiben sie trotz aller radikalen Kapitalismuskritik bei der Beschreibung von Oberflächener­scheinungen, statt auf Ursachen und Wurzeln zurückzugreifen, die eben bei Marx zu finden sind.

Ungeachtet dessen bleibt von großer Bedeutung, dass Autoren mit solcher Kritik am Groß­kapital an Zahl und Gewicht zunehmen. Auch wenn sich diese Autoren vom Marxismus distanzieren, sind sie objektiver Bestandteil der antimonopolistischen Front. Und es kann gar nicht genug Gruppierungen, Organisationen, Vereinigungen und ähnliche Gemeinschaf­ten geben, die solchen antiimperialistischen Kurs vertreten.

Das kann und darf aber nicht heißen, unsere klare kommunistische Position durch die ver­schiedenartigsten Interessenkonstellationen verwässern zu lassen.

Wer ernsthaft unsere antimonopolistischen Aktivitäten unterstützen will, soll ungeachtet sonstiger organisatorischer Verbindungen unser Bündnispartner sein. Wer aber unsere politische Kraft für eigene persönliche oder organisationspolitische Zwecke nutzen will, sollte auf Distanz gehalten werden.

Natürlich weiß ich, wie schwierig es ist, das eine vom anderen zu trennen.

Erkennbar ist jedoch, dass sich angesichts von Hilflosigkeit und Widersprüchlichkeit der Regierungspolitik zunehmend sozialkritische Kräfte entfalten. Da gibt es Netzwerke wie »Seebrücke«, »Unteilbar«, »We'll Come United« und andere, die für die verschiedensten Lebensbereiche spürbare Verbesserungen fordern. Diese Bemühungen sind natürlich zu unterstützen, ohne dabei jedoch der Illusion zu unterliegen, damit die Funktionsweise des Ausbeutungssystems zu ändern.

Hinzu kommt seit kurzem die Gruppierung »AUFSTEHEN«, gegründet von einigen Führungs­kräften der Linkspartei, von linken Sozialdemokraten und gesellschaftskritischen Grünen. Es ist noch zu früh, um zu einer endgültigen und ausgewogenen Einschätzung dieser Bewe­gung zu kommen. Aber eindeutig ist, dass die sozialpolitischen Forderungen der »AUFSTE­HENden« fast identisch sind mit dem Programm der Linkspartei von 2017.

Wenn dies aber nun mit Interessen der Grünen, von Sozialdemokraten, von Christdemo­kraten und anderen gesellschaftskritischen Kräften durcheinandergewürfelt und dreimal geschüttelt wird, kommt mit Sicherheit keine marxistisch-leninistische Position heraus!

Wenn es aber gelingt, die verschiedenen antikapitalistischen Strömungen zum gemeinsa­men AUFSTEHEN zu bewegen und dies mit den parteipolitisch und parlamentarisch vertre­tenen marxistischen Kräften zusammenwirkt, kann dies ein wichtiger Schritt auf dem Wege zu unserem Endziel werden.

Im Oktoberheft des RotFuchs sind dazu wertvolle Gedanken vorgelegt.

Daher bleibt unsere Aufgabe, auf den Positionen von Marx, Engels und Lenin Klarheit über die gegenwärtigen Klassenverhältnisse zu sichern und auch weiterhin als Leitschnur unse­res Handelns zu handhaben.

Kommunisten an vorderster Front für den Frieden

Seit dem völkerrechtswidrigen Überfall der USA unter George W. Bush auf den Irak von Saddam Hussein ist der Nahe und Mittlere Osten in den verschiedensten militärischen Konflikten, die bis heute fortdauern, entbrannt. In Israel werden palästinensische Einwoh­ner ganzer Städte und Dörfer vertrieben.

Hier ist nicht Zeit und Raum, um diese Entwicklungen ausführlich darzustellen. Darüber gibt es hinreichend und ausführlich aufklärende Literatur. Den meisten von Euch sind diese Vorgänge ohnehin hinreichend bekannt.

Aber es geht eben nicht nur darum, bestehende Konflikte einzuschränken und neue zu ver­hindern. Es geht um die anstehende Gefahr, dass sich die Einzelkonflikte zu einem Welt­brand auswachsen.

Welchen Umfang die Vorbereitung der imperialistischen Weltmächte darauf bereits hat, zeigen die NATO-Manöver, die vor wenigen Tagen in Nord-Ost-Europa begonnen wurden. Es sind die größten Manöver seit Ende des Kalten Krieges. Das Oberkommando liegt in der Hand des US-Admirals James Foggo und beteiligt sind 50.000 Soldaten; die Bundeswehr ist mit ca. 10.000 Soldaten die zweitstärkste Truppe nach den USA. Da weder die USA noch die Bundeswehr einer militärischen Bedrohung ausgesetzt ist, dienen diese Aktivitä­ten – und man könnte weitere hinzufügen – der Sicherung ihrer Machtposition und ihrem Weltmachtstreben.

Aus dieser Situation resultiert das Bemühen der internationalen Friedenskräfte, die Gefahr eines Weltkrieges zu bannen. Es geht also nicht nur um die Befriedung dieses oder jenes Landstriches, sondern um die unmittelbare Bedrohung des Weltfriedens in der ganz direk­ten Bedeutung des Wortes. Diese Bedrohung allen Menschen von den Schultern zu neh­men, sind Zusammenschluss und Aktivität aller friedliebenden Kräfte in solchen Maße erforderlich, dass dies weltpolitisch wirksam wird!

In diesem weltumfassend geführten Kampf stehen wir Kommunisten an vorderster Stelle. Und wir stehen auch dort auf unserem Platz, wo momentan keine revolutionäre Situation besteht. Die These von Marx bleibt gültig: »Die Revolutionen sind die Lokomotiven der Ge­schichte!« Und wir fügen hinzu: Ganz gleich, wo sie in Gang gesetzt werden!

Engels schrieb 1898 im »Figaro«: »... wir haben nicht die Absicht, der Menschheit endgülti­ge Gesetze zu diktieren«. In einem Brief an Kugelmann hat Marx weitsichtig und für heute erstaunlich aktuell formuliert: »Die Weltgeschichte wäre allerdings sehr bequem zu ma­chen, wenn der Kampf nur unter der Bedingung unfehlbar günstiger Chancen aufgenom­men würde. Sie wäre andererseits sehr mystischer Natur, wenn Zufälligkeiten keine Rolle spielten.«

Und wie viel an Zufälligkeiten verschiedenster Art hat der Marxismus-Leninismus seitdem durchlebt – und überwunden!

Und so, liebe Genossinnen und Genossen, liebe Mitkämpfer und Verbündete, werden wir auch künftig unseren Kampf gemeinsam fortsetzen – unseren Kampf für eine friedvolle, lebenswürdige und wahrhaft menschliche Gesellschaft!

 

Anmerkung:

[1]  Im vollbesetzten Saal des Stadtteilbegegnungszentrums Toitenwinkel, Olof-Palme-Straße 26, wurde den rund 170 Gästen ein Programm geboten, in dem neben Herbert Meißner auch der Vorsitzende der DKP Patrick Köbele als Referent und die RotFuchs-Singegruppe aus Berlin/Brandenburg und Hartmut König als Sänger auftraten.

 

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