USA: 150 Jahre in Bewegung (abschließender Teil II)
Victor Grossman, Berlin
Ob und wie US-amerikanische Arbeiter/innen kämpfen
(Fortsetzung von Heft 9/2025, Seite 33-36. – Der Teil I behandelte die wechselvolle Geschichte der Arbeiterbewegung in den USA von 1876 bis zum erneuten Aufschwung 1935.)
Das Hauptereignis bei dem neuen Widerstand amerikanischer Arbeiter begann 1936 in Flint (Michigan) mit Streiks gegen den Riesen General Motors, der Chevrolet-, Buick-, Pontiac- und Cadillac-Autos baute und überall auf der Welt verkaufte. Dabei war die Ausbeutung extrem, die der von Ford gleichkam. Diese Millionenquelle schützte GM mit einer Armee von Spitzeln, Schlägern und Mördern und mit dem Säen von Hass.
Dagegen setzten die Arbeiter eine zum Teil von Europa übernommene Methode ein, die sie nun in supergeheimen nächtlichen Treffen vorbereiteten: den »Sit-down Strike«!
Dabei blieben die Arbeiter einfach in den Betrieben. Sie haben damit die Produktion völlig verhindert, aber litten an keinen Schlägereien mit Streikbrechern. Sie sorgten dafür, dass Maschinen nicht beschädigt wurden, und bildeten Komitees, die sich um Schlafstellen, Sauberkeit, Ordnung, Ernährung (mit der Hilfe einer freundlichen Gaststätte in der Nähe), Unterhaltung und vor allem Verteidigung kümmerten, denn die Polizei versuchte mehrmals einzudringen, was mit einem Hagel von Schrauben, Bolzen, Scharnieren verhindert wurde. Als die Polizei Tränengas einsetzte, kamen ihr Wasserstrahlen aus den Betriebsbrandschutzschläuchen entgegen – im eisigen Februar. Frauen und Freundinnen lieferten Lebensmittel und Kleidung durch die Fenster und bildeten eine Verteidigungsbrigade mit roten Baskenmützen (und Baseball-Schlägern). Schließlich kamen Unterstützer aus der ganzen Gegend und marschierten schützend um die Betriebe. Wegen Sorgen um die nächsten Wahlen zögerten Roosevelt und der Gouverneur von Michigan damit, sich einzumischen, und nach 44 Tagen gab General Motors nach und gab bekannt, die Gewerkschaft anzuerkennen und mit ihr zu verhandeln. Das betraf 150.000 Arbeiter in fünfzig General-Motors-Werkstätten! Weil all das im ganzen Land gespannt verfolgt wurde, gab der Sieg in Flint einen Impuls für neue Industrieverbände in fast allen Berufen. Einen Monat später beschloss die zweite große Autofirma, Chrysler, ebenfalls zu verhandeln. Bald tanzten sogar die Verkäuferinnen zwischen den Reihen in Woolworth-Geschäften, die auch sie mit Sit-down-Streiks besetzten!
Kommunisten als Organisatoren
Als der Gewerkschaftsverband CIO immer größer wurde, musste die AFL sehen, wie sie mitkam. Trotz dauernden Widerstands, besonders von den Bauberufsverbänden, ließ sie auch Industrieverbände zu. Einer der sehr großen war der der Frauenkonfektionsgewerkschaften ILGWU, der aber nun beschloss, in der gewiss konservativeren AFL zu bleiben, wo manche AFL-Führer sogar Republikaner wählten. Doch der Frauenkonfektionsverband, ursprünglich weit nach links neigend, wurde von einigen »umgedrehten« und sozialdemokratischen Funktionären »erobert«. Sie einte ihre schäumende antikommunistische Ablehnung irgendeiner »Volksfront«.
Solche Gefühle passten gut zur AFL, doch damals nicht zum CIO. Die Volksfront (Popular Front) war damals stark und in ihr die Rolle der Kommunisten erstaunlich groß – obwohl das heute wie damals gern verdreht oder, noch öfter, verschwiegen wird. Bei den großen Streiks und Gründungskämpfen hatten zuweilen Mitglieder anderer Richtungen ab und zu Einzelerfolge: Sozialisten, Trotzkisten, Pazifisten, auch noch Wobblies. Doch waren es Kommunisten und ihre Freunde, die in San Francisco den Generalstreik führten, auch bei dem Sieg des Sit-down-Streiks in Flint und beim Aufbau des mächtigen Auto-Industrieverbandes UAW insgesamt. Die Genossen (und Genossinnen) der KP der USA bauten den starken Verband derjenigen Arbeiter auf, die Radios, Kühlschränke und alles Elektrische herstellten, UE (United Electrical, Radio and Machine Workers of America). Kommunisten spielten die Hauptrolle beim Organisieren der Seemänner, der U-Bahner New Yorks, der Bergleute für Buntmetall, der Hersteller von Landwirtschaftsmaschinen, der Leder- und Pelz-ArbeiterInnen und der Zigaretten-ArbeiterInnen im Süden, wo das Zusammentreffen von Schwarzen und Weißen meist verboten und auch lebensgefährlich war.
Ihre Erfolge und ihre Wirkung lagen vor allem an ihrem Einsatz für Industrieverbände und für Solidarität gegen die Millionäre auf allen Ebenen: mit Arbeiterinnen, den Nichtfachkräften, Lehrlingen und mit allen Nationalitäten, vor allem aber gegen den Rassismus bei der Anstellung, der Promotion, der Bezahlung. Das schuf Vertrauen. Dadurch besaßen die Kommunisten bei der Rekrutierung und den Kämpfen Unterstützung von Immigrantenkreisen, Kirchen, Arbeitslosengruppen. Hinzu kam ihre Betonung der Vereinsdemokratie, die Betonung der Stimmen der Arbeiter und nicht, wie so oft, die der Funktionäre.
Die Kommunistische Partei, die höchstens 50.000 Mitglieder zählte (aber viel mehr Sympathisanten), übte damals einen sehr starken Einfluss auf allen Gebieten der Kultur, häufig als Teilnehmer des großen Regierungsprogramms für Arbeitslose – einschließlich Künstler, Musiker, Schauspieler. Eine große Mehrzahl stand damals links, vor allem wegen des führenden Einsatzes von Kommunisten gegen Rassismus und Faschismus, am dramatischsten im spanischen Bürgerkrieg 1936-1939, wo viele ihrer Mitglieder kämpften, und wo von beinahe 3.000 USA-Freiwilligen fast ein Drittel ums Leben kam. Unter den Freunden (und manchmal Mitgliedern) der KP der USA waren Theodore Dreiser, Richard Wright, Arthur Miller, Leonard Bernstein, Aaron Copeland, Pete Seeger, Woody Guthrie und der weltweit beliebte schwarze Sänger und Schauspieler Paul Robeson. Fast alle dieser Künstler suchten den engeren Kontakt mit Menschen der Arbeiterklasse.
Der Gewerkschaftsführer John L. Lewis, politisch eher konservativ (wenn auch feurig für Arbeiterrechte), liebte niemals Kommunisten. Doch kannte er ihre Bereitschaft zum selbstaufopfernden Einsatz ohne finanziellen Vorteile, und er stellte viele Kommunisten als Organisatoren ein, besonders beim Aufbau des wichtigsten Verbandes für Eisen- und Stahlarbeiter. Als Lewis wegen dieser Verbindung angegriffen wurde, sagte er: »Ich drehe meine Organisatoren nicht auf dem Kopf, um zu prüfen, was für politisches Druckzeug aus ihren Taschen fällt!« Zynischer beantwortete er ähnliche Vorwürfe vom antikommunistischen Führer des Damenkonfektionsverbandes: »Wer bekommt am Ende den Vogel? Der Jäger oder der Hund?« Die Kontrolle behielt er immer fest in der Hand!
Doch der starken, häufig von Kommunisten geführten Volksfront war es zu verdanken, dass amerikanische Arbeiter nicht nur das Recht auf Gewerkschaften gewinnen konnten, sondern – alles neu – auch die 40-Stunden-Woche, Arbeitslosenunterstützung, Invalidenhilfe und – mit 65 Jahren – eine Rente! Und höhere Löhne!
In diesem Erfolgsbild trat aber im August 1939, als Molotov und Ribbentrop den deutsch-sowjetischen Vertrag unterschrieben, ein scharfer Bruch ein, wodurch es den Antikommunisten oft möglich wurde, sich durchzusetzen – und etliche kraftvolle Verbindungen zu kürzen oder zu kappen.
Dieser Bruch wurde nach 1941 umso mehr geheilt, je stärker die Rote Armee die Nazi-Wehrmacht schlug – und bei der Verteidigung der Welt gegen Faschismus die Hauptrolle spielte. Es gab dennoch einige Komplikationen; dass die Kommunisten den Sieg im Krieg betonten, kostete sie manche noch kämpferische Mitglieder in der Arbeiterbewegung, die ja trotz des Krieges noch streiken wollten. Das betraf auch ihren schwarzen Teil, denn während sich Kommunisten immer noch stark gegen Rassismus einsetzten, hatte der Sieg im Krieg in allem Vorrang. Doch 1943, 1944, 1945 steigerte sich die Begeisterung für den Vormarsch der Roten Armee immens, der ja auch jungen Amerikanern zu Gute kam. Kurz nach dem Krieg erreichte die KP der USA ihre Höchstzahl von fast 100.000 Mitgliedern.
Mit Rassismus und Antikommunismus zur Spaltung
Die neue Friedenszeit wurde jedoch nicht von Roosevelt, sondern von Truman und Churchill eingeführt, und weniger mit fröhlichen Glocken eingeläutet als mit den bedrohlichen Massenmordexplosionen von Hiroshima und Nagasaki. Für die Führenden in Washington und an der Wall Street ging es nunmehr um Dominanz in der ganzen Welt. Zunächst hieß das, gegen die immense Popularität der UdSSR und der Kommunisten vorzugehen, die sowohl von Kämpfen wie in Stalingrad und Berlin herrührte wie von der Führung des mutigen, opferreichen Widerstands von Carcassonne bis Thessaloniki und Kirkenes. Es ging auch um die Freiheitskämpfer in Kolonien wie Algerien, Madagaskar, Malaya, Vietnam, Indonesien, und die schwarzen Südafrikaner. Meist wurden sie von der UdSSR unterstützt, von den USA bekämpft. Gegen alle Unerwünschten im Norden oder Süden stiegen die reichen, vom Krieg ungeschwächten USA ein – mit Spionen, Marionetten und »Influencern«, geleitet zumeist von der 1947 gegründeten, geheim agierenden CIA.
Begeistert davon, und mit der CIA eng verknüpft, mit großen Summen von ihr unterstützt, war das Auslandsbüro der AFL, geführt von Jay Lovestone aus dem Damenkonfektionsverband ILGWU. In jungen Jahren Kommunist, wurde er zu dem führenden antikommunistischen Kreuzzügler. Aus seinem Büro in New York lenkte er seinen reisenden zweiten Mann, Irving Brown, der von seinem Büro in Brüssel aus in einem Land nach dem anderen die im Krieg entstandenen einheitlichen Gewerkschaften (und Regierungen) im Interesse der US-Politik zur Spaltung brachte: in Frankreich, Italien, Griechenland, Finnland, auch in Deutschland und in Lateinamerika, Südasien und Afrika. Sie hatten dafür viel Geld, auch schöne Geschenke, manchmal auch nicht so schöne Schlägertrupps – wie in Marseille. Brown und hinter ihm Lovestone waren führend beim Organisieren des »Kongresses für kulturelle Freiheit« 1950 in West-Berlin. Seine Saat blühte, als »freie Komitees«, Ausstellungen und eine Reihe literarische Zeitschriften getarnt. Darunter in West-Berlin »Der Monat« mit Artikeln von Hannah Arendt, Theodor Adorno, Heinrich Böll und Wolfgang Leonhard. Es war wohl nicht erkennbar, dass alles von der CIA geplant, finanziert und gelenkt war. Erst Jahre später wurde das entlarvt und eingestanden.
Da brannte es aber auch zu Hause. Wegen des Krieges hatten die Arbeiter sich größtenteils mit Forderungen zurückgehalten. Nun waren die Preise sehr hoch, aber die Löhne niedrig. Es kamen Millionen von Kriegsveteranen nach Hause, die neue Familien aufbauen wollten – und oft kampfgestählt waren. Der linke Einfluss war noch stark. Es kam also 1945-1946 zu der größten Streikwelle der USA-Geschichte. Mehr als fünf Millionen waren dabei, darunter 750.000 Stahlwerker und 320.000 in den Autobetrieben – auch wieder bei General Motors. Auch Fleischerei-Arbeiter, Hollywood-Film-Crews, Bergleute, sogar die unentbehrlichen Eisenbahner. Überall im Lande. Es ging diesmal zwar recht gewaltlos zu, doch die Reichen bekamen Angst. Wo führt diese neue Kraft hin? Vielleicht am Ende gar gegen uns?
Die Haupt-Gegenmaßnahme war Spaltung, und die Hauptdoktrin – neben dem ständigen Rassismus – war wie in Europa der Antikommunismus. Die AFL war schon immer dabei gewesen und mit jeder Regierung einig, wenn nur ab und zu einige Verbesserungen für die Arbeiter kampflos zu erreichen waren.
Der CIO dagegen war eben selbst geteilt. Im großen Stahlarbeiterverband waren nun, trotz mancher harter, blutiger Kämpfe am Anfang, die kommunistischen Organisatoren entbehrlich geworden, und er lag fest in politisch rechten Händen.
Der zweite der größten CIO-Verbände, in den Autobetrieben (UAW), war von Anfang an gespalten. Die Kommunisten hatten die ersten großen Kämpfe geführt, doch bald stiegen die Sozial-Demokraten (oder »Sozialisten«) zu und kämpften mit, besonders gegen Ford. Ihr führender Mann war der attraktive, fähige Walter Reuther (plus sein Bruder Victor) und mit der wachsenden antikommunistischen Welle im Lande haben sie sich nach harten Kämpfen im Verband durchgesetzt. Jahrzehnte später enthüllte Victor, dass sie dafür auch Geld von der CIA bekommen hätten. Mit deren reichen Quellen halfen sie außerdem noch dem Irving Brown beim Kaufen und Spalten der einstigen Einheitsverbände in Europa weiter, wie etwa – einmal erkannt – beim gelegentlichen Verteilen von $ 50.000 in 50-Dollar-Scheinen in der Bundesrepublik, um bei DGB-Führern jede Beziehung zu DDR-Gewerkschaften zu verhindern.
Beim dritten Großen, dem Verband der Hersteller von Elektrogeräten, der UE, gelang es zwar, mit dem abtrünnigen früheren Präsidenten, der streng katholisch war und zunehmend antikommunistisch, mit Hilfe der Bosse, der Medien und sogar der Kirche, einen Teil abzuspalten und als ständigen favorisierten Rivalen aufzubauen. Doch wegen ihres starken, demokratischen Aufbaus, wo Entscheidungen nicht von Bonzen oben, sondern von den Mitgliedern getroffen wurden, blieben ihr viele Mitglieder treu – und sie fest links. Das galt auch für etwa ein Dutzend kleinerer Verbände, ebenfalls links und demokratisch geführt, auch stark für gleiche Löhne für Frauen und fest gegen die ständige Plage, den Rassismus.
Die riesige Streikwelle nach dem Krieg hatte den Bossen – trotz des nun zunehmenden Neigens nach rechts und trotz ihres gewaltfreien Endes – Sorge bereitet. 1947 stimmte darum der Kongress dem Taft-Hartley-Gesetz zu, das manche der zehn Jahre zuvor gewonnenen Rechte der Gewerkschaften zurücknahm oder begrenzte. Vor allem verlangte es, dass gewählte Funktionäre, wenn sie wichtige Rechte für ihre Verbände überhaupt in Anspruch nehmen wollten, eine eidesstattliche Erklärung unterschreiben müssen, dass sie nicht Kommunisten oder Faschisten seien oder auch Anhänger irgendeiner Organisation, die »mit Gewalt die Regierung stürzen« wolle – nach einer langen »Bösewicht«-Liste der Regierung. Truman legte zunächst sein Veto dagegen ein; er wollte Arbeiterstimmen im kommenden Wahljahr. Doch die Rechten im Kongress hatten nun die Stimmenzahl, um das Gesetz wieder über sein schwaches Veto durchzusetzen.
Faschisten in den Gewerkschaftsführungen gab es wohl kaum. Kommunisten aber schon. Das Gesetz bedeutete also, dass nicht nur Kommunisten, sondern Mitglieder etlicher linken Organisationen aus Gewerkschaftspositionen ausgeschlossen werden sollten. Öffentlich sprach der CIO gegen das Gesetz, insgeheim freuten sich viele, dass es möglich wurde, die störenden Linke loszuwerden, wie den drittgrößten Verband, den UE der Elektroindustrie, den Westküstenverband der Docker mit Harry Bridges und noch zehn andere Verbände im CIO.
Vom eisigen Kalten Krieg bis heute
In der Welt wie in den USA wuchs die Spannung. Henry Wallace, ein Agrarexperte, war von 1941 bis 1945 Roosevelts fortschrittlicher Vize-Präsident und ein Fürsprecher für gute USA-UdSSR-Beziehungen nach dem Sieg über den Faschismus. Leider ließ ihn Roosevelt fallen; Harry Truman wurde Vize – und dann Präsident. Wallace wurde zum Trost Handelsminister, trat aber dann wegen Trumans gefährlicher Politik der Konfrontation, noch mit dem Atombomben-Monopol, zurück. Anfang 1948 willigte er ein, Präsidentschaftskandidat einer neuen Progressiven Partei zu werden. Seine drei Hauptziele: ein Wechsel zu friedlicher Koexistenz in der Welt, ein Kampf gegen den Rassismus, und Verbesserungen für die arbeitende Bevölkerung gegenüber den Monopolen. Es gab immense Begeisterung unter fortschrittlichen Menschen, auch unter den Kommunisten, viele setzten ihre ganze Kraft ein – wie Pete Seeger und Paul Robeson – und hofften, die gemeinsamen Kräfte der Volksfront der 1930er Jahre noch zu retten, zu beleben, vielleicht zuerst 1948 mit 6 bis 7 Millionen Wahlstimmen.
Doch der Kalte Krieg war zu eisig. Im Ausland kam der Umsturz in der Tschechoslowakei, der Vormarsch der Truppen mit Mao Tse-tung und, vor allem, die Berliner Luftbrücke, die alle von den Medien benutzt wurden, um Wallace als Stalin-Lover abzustempeln, auch weil die neue Partei gegen den aggressiven Marshallplan stand. Die rechten Kräfte in der AFL und nun im CIO unterstützten Truman, nicht Wallace, und das Dutzend linker Verbände, das im Überlebenskampf stand, konnte sich kaum für Wallace einsetzen. Es kam zum tragischen Resultat; 1,16 Millionen (2,4 Prozent). Der Traum war aus. Der Neoliberale Truman war Sieger, doch eigentlich die Reaktion, in den USA bald mit Senator McCarthy und dem großen Hetzen, in der Welt mit der Politik der Brüder Allen und John Foster Dulles – in Korea, Iran, Guatemala, Kuba, überall!
Nun konnten die rechten Kräfte in dem CIO sich völlig durchsetzen, mit dem Ausschluss der zwölf linken Verbände und ihrer Einverleibung oder Vernichtung – dabei auch deren tapfere Versuche, Weiße mit Schwarzen in den Südstaaten zusammen gegen Armut zu vereinen. Nur zwei linke Verbände überlebten: die UE, sehr verkleinert, aber tapfer – und demokratisch – bis heute noch, und die Docker der Westküste, immer noch sehr stark.
Die meisten bleibenden Verbände des CIO verfielen wieder in den alten Funktionärs-Sumpf, mit schwindenden Mitgliederzahlen, ohne den aktiven Kampf gegen Rassismus, fast völlig ohne Kampfgeist. Immer mehr ähnelten sie der AFL und kooperierten genau so willig mit der CIA im Ausland. Schließlich kamen die beiden wieder zusammen und bildeten die AFL-CIO, mit Walter Reuther als modernem, elastischem, aber genau so korruptem Präsidenten. Auch nach dessen Tod 1970 bei einem Flugzeugabsturz ließ man es mit dem Klassenbewusstsein.
Das Resultat, nach immer neuen Attacken von Republikanern wie Ronald Reagan und gebrochenen Versprechen von Demokraten wie Clinton, Obama und Biden: zu ihrem Höhepunkt waren 35 Prozent der Lohn- und Gehaltsempfänger organisiert gewesen. Seit 1970 fiel die Zahl rapid auf etwa 11-12 Prozent, wobei ein Großteil davon Lehrer+innen waren, zur Feuerwehr, zur Polizei, zum Straßenbau oder den vielen Amtsbüros gehörten und diese Verbände noch mehr oder weniger gesetzlich geschützt wurden. Politisch wurden die Funktionäre willige Anhängsel der Demokratischen Partei, während die Mitglieder wechselhafter waren – und auch oft für Trump stimmten.
Außenpolitisch machte der AFL-CIO weiterhin mit der USA-Expansionspolitik jeden Dreck mit – ob gegen Allende, gegen die Sandinistas, gegen Vietnam, sehr engagiert für den Umsturz etwa in Polen mit Lech Wałęsa (und mengenweiser Hilfe, von Dollars bis zu Kopiergeräten) und wo es sonst noch nach rechts gehen sollte.
Aber halt! In den reaktionärsten Bundesstaaten wie West Virginia und Oklahoma streikten die Lehrer+innen – oft trugen sie dabei rote T-Shirts! Ihre Kolleginnen in Chicago kämpften hart und gewannen auch Streiks (und auch mehrere sozialistische Sitze im Stadtrat). Pro-Gewerkschafter besetzten das Kapitolgebäude in Madison (Wisconsin). Die größten Monopole mit riesigen Angestelltenzahlen, Amazon und Walmart vor allem, immer eisern gegen jeden kleinsten Versuch der Gewerkschaften hereinzukommen, sahen ihre Mauern hier und dort bröckeln – wie auch bei McDonalds, Starbucks und ähnlichen Ketten. 11.500 Drehbuchautoren in Hollywood streikten, unterbezahlte Lehrkräfte an de Hochschulen, oft Aspiranten, organisierten sich und kämpften.
Dann, nach der überraschenden Demokratisierung und Neuwahlen bei den Autogewerkschaftern, mit einem kämpferischen neuen Präsidenten, kam der bedeutungsvolle, klug gestaffelte Sieg gegen General Motors, Ford und Stellantis. Das regte viele an! Und die Docker im Westen, wieder weitblickend, lehnten die Beladung aller Schiffe mit Waffen für Israel ab!
Und Zohran Mamdani, ein »Demokratischer Sozialist«, ein Immigrant und sogar ein Muslim, siegte bei der Vorwahl zum Amt des Oberbürgermeisters in der größten Stadt der USA, New York, und will der Trump-Politik trotzen. Im Herbst wird man wissen, ob er eine riesige Gegenkampagne übersteht.
Die Beispiele dürfen nicht täuschen; die Arbeiter sind insgesamt schwach und zersplittert, kaum mehr als 10 Prozent sind organisiert. Viele glauben noch an die Versprechen von Trump. Doch auch solche Einzelsiege (und manche knappen Verluste) widerspiegeln eine zunehmende Wut gegen die schwache Akzeptanz der sich verschlechternden Zustände – und es entsteht ein neuer Kampfgeist. Wird die Wut stärker werden? Welche Richtung kann sie nehmen? Kann sie Trump widerstehen? Viele Fragen erwarten Antwort. Man kann große Angst bekommen, doch kann man auch hoffen!
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