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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Stationen unter dem »blutenden Mond« [1]

Heidrun Hegewald, Berlin

Ich bin Ostdeutsche. Mein Name ist Heidrun Hegewald.

Dresden, am 13. Februar 1945: Das schützende Gehäuse, die Wände des Dialogs mit der Angst, die Heimat, die Heimat des Kinderspiels, die Wärme – sie waren verbrannt.

In den Fensterhöhlen tobte der Feuerfraß, und die Lohe nährte den Feuersturm.

Ein verlorenes Paradies.

Ich bin Jahrgang 1936. Der Zweite Weltkrieg, die faschistischen Verbrechen politisierten mich. Das Erbe, eine tiefe beständige Friedenssehnsucht, habe ich angenommen.

Warnen, Beschwören und Bewahren sind eine Mission, die sich mit meiner Arbeit bildne­risch und im Wort reproduzieren läßt.

In »Fachkreisen« wurde meine Kunst als »kopflastig« verachtet.

Aber das Publikum schenkte mir den Dialog.

Heiner Müller sagt: »In der Zeit des Verrats sind die Landschaften schön.«

Zum Bild gestaltet, sind diese keine politische Kunst, aber dann ein Politikum!

Die politische Kunst ist nicht das Außergewöhnliche. Das Außergewöhnliche ist die Wirk­lichkeit, für die eine Sprache gefunden werden muß. Um das Maßlose des Schreckens zu ermessen, beschwor (!) und beschwört (?) die Menschheit Ungeheuerliches mit Metaphern der Künste, indirekt in Auftrag gegeben denen, die das Medium beherrschen, als Notwehr gegen die Ohnmacht.

Die DDR war meine emotionale Heimat, meine kulturelle, meine politische. Künstler und die geschaffene Kultur hatten Würde, weil gefürchtet als Instanz der Meinungsbildung.

In kassandrischer Gewißheit, nicht erhört zu werden, nahm Günther Anders, der Zivilisati­onskritiker, Autor von »Hiroshima ist überall« (und vielem anderen) die Verzweiflung mit ins Grab (1992). Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, ihn zu zitieren, immer dann und immer dort und immer wieder, wenn er der Meister des letzten Wortes ist und bleibt! Günther An­ders nennt die nukleare Bombenlast dieser Erde den »blutenden Mond«. Er ist über uns. Als Bedrohung. Auch wenn er seine kriegerische, versehentliche, terroristisch beabsichtig­te, machtwahnsinnige Bestimmung noch nicht erhalten hat. Er ist der radioaktive Apo­kalypse-Reiter, dessen Entsorgung allein schon apokalyptisch ist. »Analphabeten der Angst« und »apokalypseblind« sind für Günther Anders die Menschen.

Ach bitte, Menschen, leistet Euch historische Vergleiche, um das Unheilvolle der Gegenwart zu erkennen!

Wie Marx fordert, die Welt nicht nur zu interpretieren, sondern zu verändern, war die DDR ein bekämpfter und mühevoller Weg eines solchen Versuches. Bei Marx ist zu lesen, daß Sozialismus der Kommunismus niederer Stufe ist und auf dieser war das Erreichte wohl die früheste Phase.

Haben wir erkannt, daß wir den Frieden als Fest des Alltags lebten? Die DDR: Keine paradiesischen Verhältnisse. Dennoch: Ein verlorenes Paradies.

Anmerkung:

[1] Der Text wurde geschrieben für das Buch »Das verlorene Paradies« von Roland Willaert. Heidrun Hegewald hat uns diesen Beitrag anlässlich des 7. Oktober 2018 überlassen.