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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Martin Luther King: »Jenseits von Vietnam«

Auszüge aus seiner Rede gegen den Vietnamkrieg vom 4. April 1967

Am 15. Januar 1929 wurde Martin Luther King geboren. Anlässlich seines 90. Geburtstages veröffentlichen wir Auszüge aus seiner Rede gegen den Vietnamkrieg vom 4. April 1967.

(…) Für die Vietnamesen müssen die Amerikaner seltsame Befreier sein. Nach der franzö­sisch-japanischen Besatzung und vor der kommunistischen Revolution in China, erklärte das vietnamesische Volk unter der Führung Ho Chi Minhs 1945 seine Unabhängigkeit. In ihrem Freiheitsdokument zitierten die Vietnamesen die amerikanische Unabhängigkeitser­klärung, aber wir lehnten es ab, sie anzuerkennen. Stattdessen beschlossen wir, Frank­reich bei der Wiedereroberung seiner früheren Kolonie zu unterstützen. Unsere Regierung meinte, die Vietnamesen seien noch nicht »reif« für die Unabhängigkeit. Wir wurden wieder einmal Opfer jener tödlichen westlichen Arroganz, die die internationale Atmosphäre schon so lange vergiftet. (…)

Nachdem die Franzosen besiegt waren, sah es so aus, als ob die Genfer Abkommen den Weg für die Unabhängigkeit und die Landreform wieder freimachen könnten. Stattdessen aber kamen die Vereinigten Staaten. Sie wollten nicht zulassen, dass Ho Chi Minh die zeit­weise geteilte Nation wiedervereinigt. Und die Bauern mussten erneut zusehen, wie wir einen der brutalsten modernen Diktatoren unterstützten – den von uns auserkorenen Pre­mierminister Diem. (…)

Was müssen sie von uns Amerikanern denken, wenn ihnen klar wird, dass wir die Unter­drückungsmaßnahmen und Grausamkeiten eines Diem billigten, die der Grund für ihren Zusammenschluss als Widerstandsgruppe im Süden wurde? Was müssen sie von uns den­ken, wenn wir jene Gewalt billigen, die sie zu den Waffen greifen ließ? (…) Wie können sie uns vertrauen, wenn wir ihnen jetzt Gewalt vorwerfen, nach der mörderischen Gewalt eines Diem? Wie können wir ihnen Gewalt vorwerfen, während wir den Tod mit unseren neuesten Waffen über ihr Land bringen? (…) Wir müssen doch erkennen, dass unsere mit Computern errechneten Vernichtungspläne selbst ihre größten Gewalttaten vergleichs­weise unerheblich erscheinen lassen. (…) Der Krieg in Vietnam ist nur ein Symptom einer viel tiefer liegenden Erkrankung des amerikanischen Geistes. (…) Seit zehn Jahren können wir die Entstehung einer neuen Form der Unterdrückung beobachten. Sie soll die Anwesenheit amerikanischer Militär-»Berater« in Venezuela rechtfertigen. Die konterrevolutionären Aktionen amerikanischer Streitkräfte in Guatemala dienen der Aufrechterhaltung des Status quo zur Sicherung unserer Investi­tionen. Dem gleichen Ziel dienen amerikanische Hubschrauber gegen die Guerilla in Ko­lumbien und amerikanisches Napalm und die Green Beret Elitetruppen gegen Rebellen in Peru. (…)

Wir müssen erkennen, dass die Zukunft heute beginnt. Das Heute konfrontiert und fordert uns heraus. Das sich vor uns entfaltende Rätsel des Lebens und der Geschichte kennt auch ein »zu spät«. (…) Wir müssen die Unentschlossenheit überwinden und handeln. (…) Beginnen wir jetzt. Lasst uns den Kampf wieder aufnehmen, den langen und schwierigen – aber auch schönen – Kampf für eine neue Welt. (…)

Übersetzung: Doris Pumphrey. Quelle: ag-friedensforschung.de/regionen/USA/king3.html