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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Eugen Drewermann zum 80. Geburtstag

Horsta Krum, Berlin

 

Was bisher von ihm vorliegt an Büchern, Vorträgen usw., ist so vielfältig, so reich, dass ein einziger Artikel dem auch nicht annähernd gerecht werden kann. So sei im Folgenden nur einiges erwähnt.

Eugen Drewermann ist katholischer Theologe und Psycho-Analytiker. Er deutet biblische Erzählungen, Legenden, Märchen. Das Büchlein »Der kleine Prinz« des französischen Autors Antoine de Saint-Exupéry gehört für ihn zu den wichtigsten Büchern des 20. Jahrhunderts, er deutet es liebevoll und feinfühlig.

Bereits vor dreißig Jahren schreibt er sein Buch »Kleriker – Psychogramm eines Ideals«. Das Gelübde der Armut, der Demut, d.h. Gehorsam, und der Verzicht auf Sexualität, der sich nach außen im Zölibat, der Ehelosigkeit, darstellt, bestimmen das Leben eines Priesters. Schon der Gedanke an Sexualität gilt als Sünde, ebenso Homosexualität.

Drewermann schreibt sein Buch mit dem Ziel, »ein bestimmtes System religiöser Satzungen psycho-analytisch so weit bewusst zu machen, dass den Einzelnen, deren Leben innerhalb dieses Systems bis in die winzigsten Details hinein festgelegt erscheint, wieder die Atemluft zum eigenen Denken und Sprechen, Fühlen und Handeln zurückgegeben wird.« [1]

2019 wurde das Buch neu aufgelegt; der Autor hat es durch ein ausführliches Vorwort aktualisiert: »Ein notwendiger Nachtrag: Der Missbrauchs-Skandal«. Seit einigen Jahren geht dieses Thema durch die Medien, die Öffentlichkeit ist erschüttert. Aber die Verantwortlichen innerhalb der katholischen Kirche, den Papst eingeschlossen, weisen nach wie vor nur Einzeltätern Schuld zu. Die hierarchisch-autoritäre Struktur, die realitätsferne Inhalte vermittelt und den einzelnen Menschen entmündigt, stellen sie nicht in Frage. Die sogenannten Laien sind weniger von der Institution Kirche und ihrer Morallehre abhängig als die Priester, die sich durch ihr Gelübde gebunden haben.

Ab 1991 darf Drewermann nicht mehr lehren, ab 1992 nicht mehr predigen. Die Gründe, die die Amtskirche anführt, betreffen nicht seine kritische Darstellung des Christentums, sondern Lehrinhalte, bestätigen also, was Drewermann seiner Kirche vorwirft: die realitätsfernen Inhalte, die die Kirche krampfhaft festhält, seien ihr wichtiger als die befreiende und versöhnende Botschaft Jesu.

Faszinierend zu lesen ist die Verbindung der Menschheits-, Kultur- und Religionsgeschichte mit der Ökonomie, wie Drewermann sie 1982 in »Der Krieg und das Christentum« darstellt und dann 2016 und 2017 in den drei Bänden »Kapitalismus und Christentum« weiter thematisiert.

Nicht nur in den vier genannten Büchern geht es um Krieg und Frieden; dieses Thema zieht sich wie ein starker roter Faden durch sein Werk, durch sein Leben. Gestützt auf Karl Marx und Ökonomen vor und nach Marx, beschreibt Drewermann das Wesen des Kapitalismus und seine Unfähigkeit zum Frieden.

Doch Drewermann schreibt nicht nur, er ist auf öffentlichen Veranstaltungen zu hören. Er analysiert nicht nur Fakten und Zahlen, die an sich eindrücklich genug sind, etwa wenn er den Rüstungsaufwand Russlands mit dem der USA und der NATO vergleicht – unter Einbeziehung ihrer jeweiligen militärischen Präsenz auf unserem Globus. Um noch deutlicher zu machen, was Kriege und Wirtschaftsdiktatur in den armen Ländern anrichten, verwendet er u.a. literarische Zeugnisse: 2018 auf dem Berliner Ostermarsch folgt er dem Duktus des Gedichtes »'s ist Krieg!« von Matthias Claudius.

Im dritten Band von »Christentum und Kapitalismus« zitiert er ein Gedicht des Priesters und zeitweiligen Kulturministers Ernesto Cardenal aus Nicaragua. [2] Das Gedicht handelt von dem begehrten Mineral Coltan, das im Kongo vorkommt. Es wird von Kindern geschürft, weil ihre kleinen Körper besser in die Felsspalten passen. Viele Kinder sterben dabei. Dieses »organisierte Verbrechen der multinationalen Konzerne« hat vor etwa zwei Jahren ein Fernsehfilm bekannt gemacht. Aber über 90 Prozent der verkauften Handys sind auch heute noch genauso billig. An den mörderischen Arbeitsbedingungen wird sich also wohl kaum etwas geändert haben. Jedenfalls gehört der Kongo zu den reichsten Ländern der Erde, und seine Menschen zu den Ärmsten dieser Erde.

Der dritte Band von »Christentum und Kapitalismus« handelt vom Kriegskapitalismus. Dabei stützt sich Drewermann weitgehend auf Marx und Lenin. Er schätzt den Marxismus als hervorragendes analytisches und praktisches Arbeitsinstrument – lehnt ihn aber als Philosophie ganz und gar ab, mehr noch: er hält ihren Materialismus für gefährlich. Dabei setzt er sich weder mit dem historischen noch mit dem dialektischen Materialismus auseinander. Ein Name wie beispielsweise Hans Heinz Holz kommt unter den vielen Philosophen, auf die Drewermann sich bezieht, nicht vor. Auch die Autorenliste aus der Literatur ist beeindruckend lang. Aber ein Name wie Peter Hacks kommt nicht vor. Allein das Christentum mit der Person Jesu im Mittelpunkt, so Drewermann, habe ein Menschenbild geschaffen, das fähig sei, den Kapitalismus in seiner schlimmsten Form, dem mörderischen Kriegskapitalismus, zu überwinden.

Drewermann ist ein wichtiger Verbündeter der Friedensbewegung. Wir nehmen seinen 80. Geburtstag am 20. Juni zum Anlass, um ihm dafür herzlich zu danken. Denn es ist doch so, »dass wir eine Humanität haben, die uns alle verbindet«, sagt er 2018 in Berlin.

Wenn ein Christ wie er sich mit Marxisten verbunden weiß im Engagement für eine friedliche Welt und für ein menschenwürdiges Leben für die Wehrlosen und Ärmsten unserer Welt – sollte er dann nicht auch zu einem grundlegenden Dialog mit seinen Verbündeten bereit sein, einem Dialog in Augenhöhe?

 

Anmerkungen:

[1] S. 345. Das Zitat bezieht sich auf die Neuauflage von 2019 (Kevelaer).

[2] Kapital und Christentum 3, Ostfildern, 2017, S. 78 f.

 

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2020-04: »Dem Rad in die Speichen fallen«

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