Erwartungen in Vorbereitung des Magdeburger Parteitages
Brief an den Parteivorstand der Partei DIE LINKE und den Fraktionsvorstand der Linksfraktion
Liebe Genossinnen und Genossen, worin besteht der Unterschied zwischen Genossinnen und Genossen, die im Zusammenhang mit Flüchtlingen von begrenzten Kapazitäten sprechen, und jenen, die sich an Regierungen beteiligen, die Flüchtlinge abschieben? Die einen äußern sich, die anderen handeln. Wir haben mit beidem ein Problem.
Wir hatten schon ein Problem damit, wie seinerzeit mit unserem Dringlichkeitsantrag »Bleiberecht für die Roma aus dem Kosovo« an die 1. Tagung des 2. Parteitages in Rostock umgegangen wurde. Kern dieses Antrages war, unsere Partei möge sich dafür einsetzen, dass aus historischer Verantwortung für Sinti und Roma eine ähnliche Kontingentlösung zustande kommt, wie seinerzeit für Jüdinnen und Juden aus der früheren Sowjetunion. Nicht zuletzt durch die Intervention des Parteivorstandes wurde dieser Dringlichkeitsantrag auf dem Parteitag nicht behandelt(1). Das war im Mai 2010.
Liebe Genossinnen und Genossen, wir wollen nicht wiederholen, was wir zur sogenannten Flüchtlingsfrage auf den Bundeskonferenzen im November 2015 und im April 2016 an klaren Standpunkten geäußert haben. Diese Standpunkte kann jeder auf unserer Internetseite bzw. in den Mitteilungen Nr. 12/2015 und 5/2016 nachlesen.
Der Sinn unseres Briefes besteht darin, auf zwei Dinge aufmerksam zu machen:
1. Die Empörung mancher Protagonisten der LINKEN über Äußerungen Sahras zur sogenannten Flüchtlingsfrage ist uns suspekt. Wo bleibt die Empörung über die Abschiebungen in Brandenburg und Thüringen? Es stellt sich die Frage nach dem Unausgesprochenen: Soll Sahras Position als Fraktionsvorsitzende in Zweifel gezogen werden, mit der Begründung, sie verträte in dieser Frage die Mehrheitsauffassungen der LINKEN nicht? Noch einmal: Jede und jeder ist verpflichtet, gemäß dem Erfurter Parteiprogramm zu agieren. Doch wie oft haben z.B. Stefan Liebich oder auch Gregor Gysi das Prinzip der Einzelfallprüfung bei Bundeswehreinsätzen gefordert und damit Minderheitenpositionen vertreten? Ähnliche Aufregungen von führenden Funktionsträgern unserer Partei sind uns in diesem Kontext nicht erinnerlich.
2. Wenn der laufende Streit – warum ihn wer auch immer führt – nicht alsbald beendet wird, erfordert es nicht viel Phantasie, sich dessen Auswirkungen auf die Bundestagswahlergebnisse 2017 auszumalen. Der bevorstehende Magdeburger Parteitag am 28./29. Mai 2016 wird hier so oder so ein Meilenstein sein. Wir bitten daher dringend darum, dass sich noch vor diesem Parteitag Parteivorstand und Fraktionsvorstand treffen – in einer geschlossenen Sitzung, aus der heraus die Medien nicht mit Nachrichten versorgt werden, wie das sonst hin und wieder geschieht. Es wäre dringend erforderlich, dass im Ergebnis dieser Zusammenkunft eine Erklärung zustande kommt, die den laufenden schädlichen Debatten ein Ende setzt.
Liebe Genossinnen und Genossen, wir werden diesen Brief im Maiheft der Mitteilungen der Kommunistischen Plattform veröffentlichen und veröffentlichen natürlich auch eventuelle Reaktionen von Euch im Mai oder im Folgemonat.
Mit solidarischen Grüßen
Bundessprecherrat der KPF
Anmerkung
(1) Der Dringlichkeitsantrag D.04 »Bleiberecht für die Roma aus dem Kosovo« wurde an den in Rostock neu gewählten Parteivorstand überwiesen. Eine nachfolgende Befassung durch den Parteivorstand erfolgte nicht.