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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Bewaffnung der Bundesrepublik

Frank Schumann, Berlin

 

Am 26. Oktober 1950 gründete die Bundesregierung das Amt Blank und begann im Interesse der USA die Wiederaufrüstung und den Kampf gegen den Kommunismus 

 

»Wer noch einmal eine Waffe in die Hand nimmt, dem soll die Hand abfallen.« Mit die­sem Satz zog der Oberleutnant a. D. und Generalsekretär der CSU Franz Josef Strauß 1949 in den Bundestags-Wahlkampf. Er holte am 14. August das Direktmandat in Weilheim in Oberbayern. Der 34-jährige Strauß hatte den Krieg gegen die Sowjetunion vom ersten Tag des Überfalls mitgemacht, er hatte in der Ukraine, auf der Krim und in Stalingrad geschossen und war wiederholt auch Zeuge deutscher Massaker an Juden geworden. Kriegserlebnisse hätten ihn, wie er bei seinen Begegnungen mit Honecker in den achtziger Jahren offenbarte, tief geprägt.

Zu jener Zeit, als der Christsoziale Strauß den Friedensengel gab, stritt in München ein Franz Halder vor Gericht »um seine Ehre« als Soldat: Er wurde als »nicht belastet« eingestuft. Der Generaloberst a. D. hatte im Ersten Weltkrieg gegen die Russen gekämpft, im Zweiten ebenfalls. Er war an den strategischen Planungen der Nazi-Wehrmacht für die Überfälle auf Polen, Frankreich und die Sowjetunion maßgeblich beteiligt gewesen. Das »Unternehmen Barbarossa« trug seine Handschrift wie auch der berüchtigte »Kommissarbefehl«, wonach Politkommissare der Roten Armee bei Gefangennahme nicht als Kriegsgefangene zu behandeln, sondern sofort zu erschießen waren. Halder war bereits im Sommer 1945 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen und als Leiter der deutschen Abteilung der kriegsgeschichtlichen Forschungsgruppe der US Army (Historical Division) berufen worden, was er bis 1961 blieb. In dieser Funktion übte er entscheidenden Einfluss auf die westdeutsche Geschichtsschreibung aus, er kreierte die Legende von der »sauberen Wehrmacht«. 

Bekanntlich zerbrach unmittelbar nach dem Sieg der Antihitlerkoalition das Bündnis. Churchill war der Auffassung, dass man das »falsche Schwein« geschlachtet habe und ließ Pläne für die Fortsetzung des Krieges ausarbeiten – mit 100.000 reaktivierten deutschen Kriegsgefangenen wollte er gegen die Sowjetarmee marschieren. (Diese »Operation Unthinkable« sollte erst in den neunziger Jahren bekannt werden.) Dem heißen Krieg schloss sich ein Kalter Krieg an, die Strategie der USA lautete »containment« – »der Kommunismus« sollte eingedämmt werden. Zu diesem Zweck gründeten die USA am 4. April 1949 mit zehn westeuropäischen Staaten und Kanada den Nordatlantikpakt, die NATO. Auch die westlichen Besatzungszonen in Deutschland sollten in dieses antikommunistische Bollwerk eingebunden werden, weshalb auf dem Territorium der Trizone ein Staat konstituiert werden musste. Dazu waren bereits wichtige Schritte unternommen worden, etwa die Einführung einer Währung am 20. Juni 1948 und die Erarbeitung eines Grundgesetzes für eine Bundesrepublik Deutschland, an der ein Parlamentarischer Rat seit dem 1. September 1948 arbeitete. Dieses Grundgesetz trat am 23. Mai 1949 in Kraft. Mit der Bildung eines Separatstaates wurde die Teilung Deutschlands vollzogen. Zwangsweise zog die sowjetisch besetzte Zone mit der Konstituierung der Deutschen Demokratischen Republik nach, ohne die Einheit Deutschlands aufzugeben. 

Den USA unterworfen

Die kapitalistischen Machtverhältnisse im Westen Deutschlands, nunmehr BRD, waren 1945 nur kurzzeitig erschüttert worden. In ihrem Ahlener Programm vom 3. Februar 1947 hatte die Adenauer-CDU noch erklärt: »Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen. Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein.« Doch die herrschende Klasse ging bald wieder zur gewohnten Tagesordnung über. Mehr noch: Sie opferte die eigenen nationalen Interessen, indem sie das Land spaltete und sich den US-amerikanischen Interessen unterwarf. Die Parole lautete jetzt Westbindung und Westintegration. 

In der Eindämmungs-Strategie der USA war die Bewaffnung der Bundesrepublik von erheblicher Bedeutung. Allerdings waren erst vier Jahre zuvor die Waffen in Europa verstummt – die Bereitschaft zu Wiederaufrüstung und Säbelrasseln war nicht nur in der (west-)deutschen Bevölkerung gering. Also bedurfte es politisch-ideologischer Aufrüstung. Dafür wurden Männer wie dieser Fritz Halder und andere kriegserfahrene Antikommunisten gebraucht. 

Im Mai 1950 rief Bundeskanzler Konrad Adenauer unter größter Geheimhaltung eine »Zentrale für Heimatdienst« (ZfH) ins Leben. Dort steckten ehemalige Generalstabsoffiziere, Generale und Admirale der drei Wehrmachtteile die Köpfe zusammen. Sie firmierten als Expertenrunde, die für militärische Gespräche und Verhandlungen mit den USA zur Verfügung stand. Auch in anderen Gruppen von ehemaligen Nazi-Militärs und -Geheimdienstlern wurden die alten Pläne aus der Endphase des Krieges neuerlich diskutiert, als man sich mit den Westmächten in der Antihitlerkoalition gegen die Sowjetunion verbünden wollte. 

Im Kloster Himmerod in der Eifel kamen konspirativ im Oktober 1950 auf Vorschlag Adenauers, eingeladen von der ZfH, fünfzehn einstige Nazi-Militärs zusammen und erarbeiteten eine »Denkschrift über die Aufstellung eines Deutschen Kontingents im Rahmen einer übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas«. Als »Himmeroder Denkschrift« wurde diese Geheime Bundessache Vorlage für die Bildung einer Bundeswehr. In fünf Abschnitten wurden in dem Papier präzise Ansagen zu Organisation, Ausstattung und Struktur gemacht, zur Ausbildung und zum »inneren Gefüge«. Ent­scheidend jedoch waren die Abschnitte 1 und 2. Dort forderte man die Beendigung der »Diffamierung« von Angehörigen der Wehrmacht und der Waffen-SS sowie eine »Ehrenerklärung für den deutschen Soldaten«. Außerdem hieß es, dass Deutschland in den künftigen Verteidigungsplänen einer gemeinsamen Allianz nicht erst am Rhein verteidigt und damit zum verwüsteten Kampfgebiet werden dürfe. 

Vom Halder-Plan zur Eifeldenkschrift und zum Amt Blank

Damit ging man zum Abschnitt 2 über: einer vermeintlichen sowjetischen Bedrohung. Die Nazi-Militärs, die im Auftrag des deutschen Kapitals schon einmal gegen die Sowjetunion »präventiv« ins Feld gezogen waren, erklärten dort, dass die Sowjetunion jederzeit und ohne weitere Vorbereitungen Westeuropa angreifen und von Narvik bis zu den Pyrenäen besetzen werde. Wann ein solcher Angriff erfolge, sei nicht absehbar, hieß es. Der Westen verfüge nur über völlig unzureichende Verteidigungsmöglichkeiten. Es bedürfe eines operativen Plans für die Verteidigung Westeuropas, in die amerikanische und deutsche Beiträge eingebunden seien. Europa müsse so weit wie möglich im Osten verteidigt werden. Die Verteidigungsbereitschaft müsse sehr schnell hergestellt werden …

Nach der Vorlage dieser Denkschrift berief Adenauer den CDU-Bundestagsabgeordneten Theodor Blank, einst Oberleutnant in einer Panzerdivision der Wehrmacht, zum »Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen«. Die wegen des bürokratischen Titels nur »Amt Blank« genannte Institution nahm am 26. Oktober 1950 die Arbeit auf. In ihr ging die ZfH auf, und Nazigenerale wie Hans Speidel und Adolf Heusinger fanden eine Anstellung. Schon bald zählte das Amt um die siebenhundert einschlägig erfahrener Mitarbeiter. In der 1967 im Dietz Verlag erschienen dreibändigen Chronik der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung hieß es dazu: »Diese Dienststelle soll die Aufstellung einer westdeutschen Armee auf der Grundlage des Halder-Plans (Juli) und der Eifeldenkschrift westdeutscher Militaristen (4.-9. Oktober) in Stärke von 250.000 Mann vorbereiten. Zur gleichen Zeit entstehen in Westdeutschland zahlreiche militaristische und revanchistische Vereinigungen, die Verbindungsleute für das Amt Blank benennen und Kader für die Aggressionsarmee sammeln.« 

Eine dieser Vereinigungen war die Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP), am 5. Januar 1952 als Gesellschaft für Wehrkunde (GfW) gegründet. Nach 1990 erfolgte die Umbenennung in Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik (GfW) beziehungsweise am 7. Oktober 2014 in Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP). Sie zählt rund 7.300 Mitglieder und ist, weiß sogar Wikipedia, mit sicherheitspolitisch relevanten Organisationen und der Rüstungsindustrie vernetzt und wird durch Zuwendungen des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung gefördert. 

Protest verboten

Die im Bundeskanzleramt angesiedelte Dienststelle Blank war bis 1955 tätig, dann wurde sie zum Bundesministerium für Verteidigung, Theodor Blank dessen erster Minister und die BRD Mitglied der NATO. In jener Zeit regte sich heftiger Widerstand gegen die Wiederaufrüstung und Remilitarisierung – siebzig Prozent der Bundesbürger lehnten sie ab. Bundesinnenminister Gustav Heinemann (CDU) trat am 31. August 1950 zurück, als Adenauer auf einer Kabinettssitzung mitteilte, er habe den USA in einem »Sicherheitsmemorandum« und bei Geheimverhandlungen ein »deutsches Kontingent« angeboten. Es formierte sich in der BRD-Gesellschaft die Bewegung »Ohne uns«, in fast zweitausend Betrieben der Schwer- und Rüstungsindustrie, in denen Sonderschichten unter der Bezeichnung »Panzerschichten« gefahren wurden, legten Zehntausende die Arbeit nieder. Die KPD gab die Losung heraus: »Auf Panzerschichten folgen Panzerschlachten!« Die Partei mobilisierte Millionen gegen die Wiederbewaffnung, organisierte eine Volksbefragung und andere Aktionen, sie musste darum aus Sicht der Herrschenden ausgeschaltet werden: Am 23. November 1951 stellte die Bundesregierung Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der KPD durch das Bundesverfassungsgericht. Bis zum Verbot der Partei 1956 erfolgten bis zu 200.000 Ermittlungsverfahren und bis zu 10.000 Verurteilungen durch die Justiz. Auf Länderebene wurden achtzig Organisationen, die als von der KPD gelenkt galten, verboten.