Nein zum Reformvertrag
Sahra Wagenknecht, Berlin, MdEP
Die Zustimmung des Bundestags zum Vertrag von Lissabon ist eine Niederlage für die Demokratie und ein weiteres Zeichen für die Ignoranz einer politischen Klasse, die sich von den Interessen der Bevölkerung mehr und mehr entfernt hat. Daß der Vorläufer des Reformvertrags bei Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden durchgefallen ist, daß viele Millionen Menschen in Europa die militaristischen und neoliberalen Inhalte der EU-Verträge ablehnen und an der Entscheidung über die künftige Verfaßtheit der EU beteiligt werden wollen – all dies interessiert die vermeintlichen "Volksvertreter" aus CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen herzlich wenig.
Doch wer glaubt, die Auseinandersetzung um den Vertrag von Lissabon sei mit der heutigen Entscheidung des Bundestags gelaufen, der täuscht sich. Ein Vertrag, in dem das Recht des Kapitals auf schrankenlose Ausbeutung höheres Gewicht hat als die Rechte von Beschäftigten und Gewerkschaften, ist nicht akzeptabel. Wie nötig es ist, die vertraglichen Grundlagen der EU zu ändern, haben die jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs (zu Laval, Viking Line und Rüffert) sehr deutlich gemacht: In all diesen Fällen wurden elementare soziale Rechte – vom Streikrecht bis hin zu Auflagen zur Zahlung von Mindestlöhnen – mit Verweis auf die in den EU-Verträgen verankerte Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit angegriffen und ausgehöhlt.
Ein Europa der Konzerne, wie es der Reformvertrag vorsieht, widerspricht den Interessen und Erwartungen der meisten Menschen in Europa. Wer ein friedliches, soziales und demokratisches Europa will, sollte sich also dafür einsetzen, daß die EU-Verträge revidiert werden. Zum Beispiel muß Artikel 56 des Lissabonner Vertrags, der jegliche Kontrolle von Kapitalflüssen untersagt und damit die Gesellschaft den Profitinteressen des Finanzkapitals ausliefert, ersatzlos gestrichen werden. Ferner muß die in den Artikeln 43, 48 und 49 des Lissabonner Vertrags geregelte Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit beschränkt oder gänzlich revidiert werden. Und selbstverständlich müssen alle Artikel, die die EU zur Aufrüstung verpflichten oder den Einsatz von EU-Truppen im Ausland erlauben, abgeschafft und durch ein unbedingtes Friedensgebot ersetzt werden!
Presseerklärung vom 24. April 2008