Militarisierung ist das Ziel
Reiner Kotulla, Leun
Unionspolitiker benutzen den brutalen Überfall auf einen Rentner in München, um härtere Strafen gegen kriminelle Jugendliche und junge Erwachsene zu fordern. An vorderster Front dabei: Roland Koch, der, weil gerade Wahlkampf war, auf die Ängste der Bürger vor Kriminellen und die Vorbehalte gegenüber ausländischen Mitbürgern setzte.
Koch, der während seiner Regierungszeit rund 700 Stellen bei den Polizisten und mehr als 80 Stellen von Richtern und Staatsanwälten gestrichen hat, geht es nicht um eine Stärkung des Rechtsstaates oder gar um die Erhöhung der inneren Sicherheit, wenn er fordert, straffällige Jugendliche in Lagern nach US-Vorbild umzuerziehen.
Dort wird jungen Menschen unter Anwendung brutalster Foltermethoden der Wille gebrochen. Dazu gibt es erschreckende Berichte [Die Thematik ruft beklemmende Szenen aus Filmen in Erinnerung. Genannt seien "Bless the Beasts & Children" (USA, 1971, Regie: Stanley Kramer), der in der BRD unter dem Titel "Denkt bloß nicht, daß wir heulen" und in der DDR als "... und sie sind nur Kinder" lief, und der Film "Sleepers" (USA, 1996) – Red.] über das grausame Lagerleben:
In Utah beispielsweise starb ein 15jähriges Mädchen bei einem erzwungenen Langstreckenlauf. Ein 14jähriger Junge wurde von Aufsehern zu Tode gequält, indem sieben Aufseher den bereits am Boden Liegenden traten und schlugen und ihm schließlich Ammoniak einflößten.
Viele Jugendliche berichteten laut "New York Times" von der täglichen Gewalt, sexuellem Mißbrauch und menschenverachtenden Züchtigungsmethoden. Einem jüngst vom US-Kongreß vorgelegten Bericht zufolge starben seit 1990 zehn Jugendliche in diesen Lagern. Oft genug gebe es Selbstmordversuche. Allein im Jahr 2005 habe es in den Lagern mehr als 1600 Mißbrauchsfälle gegeben. "Kinder werden gezwungen, ihr eigenes Erbrochenes zu essen, in Urin oder Kot zu liegen. Sie werden getreten, geschlagen und zu Boden geworfen", berichtete ein Ermittler des US-Kongresses, Gregory Kutz [Vergl.: Trankovits, Laszlo: Der Wille soll gebrochen werden, in WNZ, 2.1.2008, Seite 6].
All das weiß Herr Koch natürlich, wenn er solche Lager auch für unser Land fordert, wenn er Jugendlichen den Rechtsstaat mit Hilfe ihres Erbrochenen schmackhaft machen will.
Militärischer Drill ist es, der die Jugend reif machen soll für den Kriegseinsatz überall auf der Welt, denn die Philosophie dieser Art von Erziehung ist der der US-Marines entlehnt. Auch deren Wille wird durch ihre Führer mit Hilfe von Demütigungen, seelischen und körperlichen Mißhandlungen gebrochen, um ihn dann im Sinne des US-Imperialismus wieder aufzubauen. Und welcher Art Unwesen die dann treiben, wissen wir nicht erst seit dem Irak-Krieg.
Hierzulande soll dazu die Bundeswehr zur Schule der Nation gemacht werden.
Die heutige Schule darf deshalb so schlecht bleiben, wie sie ist und wie es internationale Untersuchungen belegen.
Bildung und Ausbildung werden nur so weit entwickelt, wie es den Interessen der Konzernherren entspricht: Nicht der allseits gebildete Mensch ist das Ziel, sondern Arbeitskräfte, also auch Soldaten, die dem Profitinteresse des Kapitals entsprechen – nur so weit gebildet und ausgebildet, wie es die jeweilige Produktion oder der militärische Einsatz erfordern – und politisch angepaßt an das kapitalistische System.
Nun ist ja die Bildung nur ein Faktor menschlicher Sozialisation. Blödpresse, Blödfernsehen und entsprechende Computerspiele leisten ein Übriges.
Dann spielen sie nach, was sie gelernt haben und werden straffällig, und wenn es nach den oben angeführten Herren geht, deportiert man sie in Lager, wo ihnen ihr Wille gebrochen und im obigen Sinne wieder aufgebaut wird.
Niemand wird bestreiten wollen, daß zu Tätern gewordene Jugendliche der Erziehung bedürfen. Knastverlängerung ist das, was Koch und Konsorten dazu einfällt, ein längerer Aufenthalt in Strafvollzugseinrichtungen, die personell so mangelhaft ausgestattet sind, daß sie eher einer Schule des Verbrechens ähneln, als einer Resozialisierungseinrichtung.
Was tun?
Dazu muß das Fahrrad nicht noch einmal erfunden werden. Da kann man auf die Erfahrungen zum Beispiel von A.S. Makarenko zurückgreifen, der bereits 1927 beweisen konnte, daß ein Weg ins Leben [Makarenko, Anton Semjonowitsch: Der Weg ins Leben, Werke Bd. 1, Berlin 1958] möglich ist.
Über Makarenko weiß man hierzulande wenig, im besten Falle, daß er zu den historischen Vorbildern der Projektmethode zu zählen sei. Er war ein Vertreter der sowjetischen Arbeitsschulbewegung und ein äußerst engagierter Sozialpädagoge. In der Gorki-Kolonie versuchte er, obdachlosen, verwahrlosten zum Teil gewalttätigen und meist hungernden Jugendlichen erst einmal ein Dach über den Kopf zu geben. Diesen Jugendlichen mußte zunächst der Nutzen von angeordneter Arbeit zum Wohle aller in einem streng geordneten Tagesablauf vermittelt werden.
Dabei, Schritt für Schritt, erfolgte eine Erziehung zur Selbstbestimmung, die es den vormals Kriminellen ermöglichte, ihren Weg ins Leben zu finden.
Natürlich müssen dabei auch Normen und Werte vermittelt werden. Die da heute zum Beispiel sind: Schutz der Menschenwürde, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Freiheit der Person, Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit, Pressefreiheit sowie die Freiheit der Kunst und der Wissenschaft, Versammlungsfreiheit, Brief- und Postgeheimnis, Freiheit der Berufswahl, Verbot der Zwangsarbeit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Asylrecht und weitere mehr.
Doch eine solche Erziehung bekommt man nicht umsonst, die kostet Steuergelder. Und die werden, mit Genehmigung der Grünen, der SPD und der CDU/CSU lieber für die Ausbildung von Soldaten und ihren Einsatz in diversen völkerrechtswidrigen Kriegen ausgegeben. Da schließt sich der Kreis. Bildung nur so viel wie nötig, denn der deutsche Soldat soll nicht erkennen, daß er in Afghanistan die Drogenbarone und deren Ernte schützt, während in Frankfurt am Main gleichzeitig ein jugendlicher Drogendealer zu hoher Lagerstrafe verurteilt werden soll.