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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Mandela zu Ehren

Prof. Dr. Hermann Klenner, Berlin

 

Nelson Mandela, geboren am 18. Juli 1918, von Beruf Rechtsanwalt; seit 1944 Mitglied des ANC (African National Congress); 1952-1960 dessen Vizepräsident; 1961 Mitbegründer und Oberkommandierender des bewaffneten Flügels des ANC Umkhonto we Sizwe (Speer der Nation); 1964 bis 1990 eingekerkert; 1988 auf die Terroristenliste der USA gesetzt; 1991-1997 Präsident des ANC; 1994-1999 Staatspräsident von Südafrika; 1988 UN-Menschenrechtspreis; 1990 Internationaler Lenin-Friedenspreis; 1993 Friedensnobelpreis.

Das Manifest des bewaffneten Flügels des ANC von 1961 ist in den 1986 in Wien unter dem Titel "Der Kampf ist mein Leben" erschienenen Reden und Schriften Mandelas aus der Zeit zwischen 1944 und 1985 abgedruckt. Die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1973 angenommene und 1976 in Kraft getretene Internationale Konvention über die Bekämpfung und Bestrafung des Apartheid-Verbrechens (deutsch in: Gesetzblatt der DDR, Teil II, 1974, S. 492 ff.) ist von der BRD wie von den USA offensichtlich infolge wirtschaftlicher und militärischer Interessen nicht ratifiziert worden; auch nach der "Herstellung der deutschen Einheit" durch den Einigungsvertrag von 1990 hat die Bundesrepublik nicht die Gelegenheit wahrgenommen, den 1974 vollzogenen Beitritt der DDR zur Anti-Apartheid-Konvention der UN für das ganze Gebiet Deutschlands anzuerkennen [1]. Inzwischen ist das Apartheidverbrechen (als Art. 7j) in den Katalog der vom Internationalen Strafgerichtshof zu verfolgenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufgenommen worden.

Nachfolgende Gedankensplitter wurden der in London 1994 publizierten Autobiographie Nelson Mandelas "Long Walk to Freedom" entnommen und angemessen übersetzt - HK, August 2013:

* * *

Es war ein Verbrechen, durch eine Whites-Only-Tür zu gehen, ein Verbrechen, einen Whites-Only-Bus zu benutzen, ein Verbrechen, aus einer Whites-Only-Wasserquelle zu trinken, ein Verbrechen, sich an einem Whites-Only-Strand oder sich auf einer Straße nach 23 Uhr aufzuhalten, ein Verbrechen, an bestimmten Orten zu leben oder gar keinen Platz zum Leben zu haben.

Unter dem Apartheid-Regime lebte ein Schwarzer ein düsteres Leben zwischen Legalität und Illegalität, zwischen Offenheit und Verborgenheit; in Südafrika ein Schwarzer zu sein, bedeutete, niemandem zu trauen, der nicht lebenslang wie im Untergrund lebte.

Mit ihrer Erklärung, dass die Weißen Gottes auserwähltes Volk und die Schwarzen eine minderwertige Art seien, lieferte die Holländisch Reformierte Kirche dem Apartheidregime seine religiöse Grundlage.

In Südafrika war es normal, arm und zugleich schwarz zu sein; arm und zugleich weiß zu sein, war eine Tragödie.

Man sagt, dass keiner einen Staat kennt, solange er nicht dessen Gefängnisse kennt; ein Staat sollte nicht danach beurteilt werden, wie er die Reichsten, sondern wie er die Ärmsten behandelt.

Nicht nur die Unterdrückten, auch die Unterdrücker sind ihrer Menschlichkeit beraubt.

Während meiner Laufbahn als Rechtsanwalt entwickelte sich meine idealistische Ansicht vom Recht als einem Schwert der Gerechtigkeit zu einem Begriff des Rechts als einem von der herrschenden Klasse benutzten Werkzeug, mit dem sie die Gesellschaft in ihrem Interesse formt.

Durch das Gesetz war ich zu einem Verbrecher gemacht worden, nicht weil ich Verbrechen begangen hatte, sondern wegen der Sache, für die ich stand, wegen der Gedanken, die ich dachte, und wegen meines Gewissens.

Kommunismus und Christentum, zumindest in Afrika, schließen einander nicht aus.

Während vieler Jahrzehnte waren die Kommunisten die einzige politische Gruppierung in Südafrika, die bereit waren, mit uns zu essen, mit uns zu sprechen, mit uns zu leben und mit uns zu arbeiten. Genau deshalb neigen heutzutage viele Afrikaner dazu, Freiheit und Kommunismus gleichzusetzen.

Ich war weder Kommunist noch Mitglied der Partei; doch habe ich mich nie von meinen kommunistischen Bundesgenossen abgegrenzt.

Was unseren Widerwillen betrifft, die Südafrikanische Kommunistische Partei beiseite zu schieben: welcher Mensch von Ehre würde auf die Behauptung eines gemeinsamen Gegners einen lebenslangen Freund im Stich lassen, und dennoch bei seinen Leuten glaubwürdig bleiben?

Ich war und bin Christ. Aber sogar Christus, wenn ihm nichts anderes übrig blieb, um die Geldhändler aus dem Tempel zu jagen, benutzte Gewalt.

Der Freiheitskampf besteht nicht bloß darin, Reden zu halten, Versammlungen zu organisieren, Resolutionen abzufassen, Vertreter zu wählen, sondern in präziser Organisation, in kampfbereiter Massenaktion und, vor allem, in der Bereitschaft zu leiden und Opfer zu bringen.

Zuweilen hingen an den Wänden meines Hauses Bilder von Roosevelt, Churchill, Stalin, Gandhi, und dem Sturm auf den Winterpalast in St. Petersburg von 1917. Ich habe auch die Schriften von Che Guevara, Mao Tse-Tung, Menachem Begin und Clausewitz gelesen.

Auf Robben Islands organisierten wir unter den Gefangenen Schulungskurse, zum Beispiel über die Geschichte des ANC oder über den Freiheitskampf in Indien; auch einen über den Marxismus, geleitet von Mac, der in der DDR studiert hatte.

Nichts ist gefährlicher als der Anführer einer Freiheitsbewegung, der Forderungen erhebt, von denen er weiß, dass sie nicht erreicht werden können.

Ein Freiheitskämpfer muss auf harte Weise lernen, dass es der Unterdrücker ist, der die Natur und die Formen des Kampfes bestimmt, und dass dem Unterdrückten oft nichts anderes übrig bleibt, die gleichen Methoden anzuwenden, deren sich die Unterdrücker bedienen; an einem gewissen Punkt kann man Feuer nur mit Feuer bekämpfen.

Es war die Regierung, die zu Gewalt provozierte, indem sie Gewalt anwandte, um unseren gewaltlos erhobenen Forderungen zu begegnen.

Es ist immer der Unterdrücker, nicht der Unterdrückte, der die Form des Kampfes diktiert. Wenn der Unterdrücker mit Gewalt vorgeht, dann bleibt dem Unterdrückten letztlich nichts anderes übrig, als mit Gewalt zu antworten. In unserem Fall war es schlicht und einfach eine legitime Form von Selbstverteidigung.

Als mir klar wurde, dass die Gewaltlosigkeit in unserem Kampf gegen die ihre Gewalt um jeden Preis exekutierende weiße Minderheitsherrschaft für uns eine wertlose Strategie war, kam schließlich der Tag, an dem ich sagte, Gewalt sei die einzige Waffe, die das Apartheidsystem zerstören könne, und wir müssen vorbereitet sein, diese Waffe in naher Zukunft auch zu benutzen.

Was ich herausfinden wollte, waren die Grundsätze, um eine Revolution zu beginnen.

Ich, der ich niemals ein Soldat gewesen war, der niemals in einer Schlacht gekämpft und niemals ein Gewehr auf einen Feind gefeuert hatte, wurde mit der Aufgabe betraut, eine Armee zu organisieren.

Wir berücksichtigten vier Arten von Gewalthandlungen: Sabotage, Guerillakrieg, Terrorismus und offene Revolution.

Es ist richtig, mit den Formen von Gewalt zu beginnen, die das geringste Leid dem Einzelnen zufügen, also mit Sabotage; denn wir wollten die besten Hoffnungen auf eine spätere Versöhnung zwischen den Schwarzen und den Weißen erhalten. Wenn aber Sabotagehandlungen nicht die erhofften Ergebnisse brächten, waren wir auf die anderen Formen von Gewalt vorbereitet, auf Guerillakrieg und Terrorismus.

Nur ein sich auf dem Willen des Volkes gründender demokratischer Staat kann das mit uns geborene Recht eines jeden ohne Unterschied der Farbe, der Rasse, des Geschlechts und des Glaubens garantieren.

Der Reichtum unsres Landes soll dem Volk zurückgegeben werden; die Bodenschätze, die Banken, die Monopolindustrie sollen als Ganzes dem Volk übergeben werden; alle andere Industrie soll kontrolliert werden, damit sie der Wohlfahrt des Volkes dient.

Ich habe immer wieder das Volk daran erinnert, dass der Befreiungskampf nicht eine Schlacht gegen irgendeine Bevölkerungsgruppe oder Hautfarbe sei, sondern ein Kampf gegen das Unterdrückungssystem.

Ich habe gegen weiße Vorherrschaft gekämpft; ich habe gegen schwarze Vorherrschaft gekämpft; ich habe das Ideal einer demokratischen, freien Gesellschaft verteidigt, in der alle Menschen in Harmonie und unter gleichen Bedingungen zusammenleben.

 

Anmerkung der Redaktion:

[1] In der Ausgabe 7/2013 der "Mitteilungen" hat auf der Seite 34 nach der Erinnerung an Nelson Mandelas 95. Geburtstag, als wir aus seiner Rede 1996 vor dem Deutschen Bundestag und Helmut Kohl zitierten, ein redaktioneller Hinweis gefehlt, dass die BRD als Staat damals keineswegs ihren wirksamen Beitrag zur Überwindung der Apartheid geleistet hatte, sondern es zusammen mit den USA und im Gegensatz zur DDR vorzog, der "Internationalen Konvention zur Bekämpfung und Bestrafung des Apartheid-Verbrechens" nicht beizutreten.

 

Mehr von Hermann Klenner in den »Mitteilungen«:

2013-07: Karl Marx – Ein Ochsenkopf von Ideen

2012-09: Blamage und Triumph der Gedankenwelt des Jean-Jacques Rousseau

2012-04: Kommunismus zum Nachdenken