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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Ludwig Renn (1889-1979)

Zu seinem 125. Geburtstag am 22. April

An seine Kinderbücher »Trini«, »Herniu und der blinde Asni« und »Nobi« werden viele Ältere sich noch erinnern. Sie erschlossen uns fremde Welten, Kulturen und Verständnis für Geschichte, Klassenkämpfe und Unterdrückung. Weltbekannt aber wurde er durch seine Auseinandersetzung mit dem imperialistischen Krieg. Sein in 23 Sprachen übersetzter Roman »Krieg« (1928) fand ähnliche Resonanz wie Remarques »Im Westen nichts Neues«, und in »Nachkrieg« (1930) beschreibt er die politischen Gegensätze in der jungen Weimarer Republik und seine eigene politische Wandlung. Der nachfolgende Textauszug erzählt von den letzten Tagen der Spanischen Republik aus seinem Werk »Der Spanische Krieg« [1]. Es ist der ungekürzte, unzensierte Bericht des Kommandeurs des Thälmann-Bataillons und Stabschefs der XI. Internationalen Brigade Ludwig Renn. Er gehörte zu den bedeutendsten sozialistischen Schriftstellern der DDR und errang internationale Bedeutung auch mit solchen Werken wie »Die Schlacht bei Guadalajara« (1955), »Auf den Trümmern des Kaiserreiches« (1961) und – in der Auseinandersetzung mit seiner Herkunft - »Adel im Untergang“ (1944) und »Meine Kindheit und Jugend« (1957).

Nach seinem Sieg in Katalonien verhielt sich Franco ruhig. Vielleicht bereitete er eine Offensive gegen Zentralspanien vor. Dort hatten wir noch mindestens 500 000 Mann unter Waffen, darunter sehr gute Truppen. Die besten militärischen Führer der bisherigen katalanischen Front waren nach Madrid geflogen. Modesto und Lister waren nach ihren glänzenden Siegen zuerst zu Oberstleutnants und dann mit Ach und Krach zu Obersten befördert worden. Endlich wurden sie nun Generale.

Am 5. März gegen Abend gab es verwirrende Gerüchte aus Madrid. Oberst Casado sollte eine neue Regierung gebildet haben, die kommunistische Offiziere erschießen ließ. Am nächsten Tage wurden die Nachrichten klarer: Julián Besteiro, ein rechter Sozialdemokrat von üblem Ruf, hatte schon lange Verhandlungen mit England und Frankreich angeknüpft, um eine bedingungslose Übergabe der Spanischen Republik zu erreichen. Zusammen mit dem Sozialisten Wenceslao Carrillo, dem Oberst Casado, General Miaja und dem Anarchisten Cipriano Mera hatte er ein »Komitee der Nationalen Verteidigung« gebildet. Oberst Casado war der Kommandeur aller Truppen der Zentralen Zone und ein Agent Englands. General Miaja, politisch nie stark, hat später zugegeben, daß er nicht verstand, was er tat. Der Übelste war Mera, Führer der Madrider Anarchisten und derselbe, der damals in Torija gegen die angebliche Bürgerlichkeit Hans Kahles protestierte, indem er und sein Stab unrasiert zum Abendessen erschienen. Zur Zeit des Casado-Putsches führte er das IV. Armeekorps vor Guadalajara. Er zog Truppen von der Front ab, die Tausende von kommunistischen Offizieren und Politikern mißhandelten, in die Gefängnisse sperrten oder erschossen.

Aber noch immer war die Lage für die rechtmäßige Regierung nicht verloren. Das zeigte sich einige Tage später, als sich Casado und seine Mitverschworenen vor den treugebliebenen Truppen verstecken mußten. Es wäre nötig gewesen, die unzuverlässigen und meist auch unfähigen Offiziere endlich abzusetzen. [...]

Nachdem der Krieg um die rechtmäßige spanische Republik vorbei war, hätte die französische Regierung die Konzentrationslager für die Angehörigen der ehemaligen republikanischen Armee öffnen müssen. Aber sie tat das nicht.

Am 4. April 1938 hatte ich auf der Kundgebung im Theater der Renaissance in Paris der französischen Regierung im Namen der antifaschistischen Deutschen das Angebot gemacht, daß wir bereit wären, Frankreich mitzuverteidigen, falls es von Hitler angegriffen würde. Nun wußte man endgültig, daß die französische Regierung dieses Angebot nicht annehmen wollte.

Lieber wollte man von Hitler geschlagen werden, als mit den Antifaschisten zusammen zu kämpfen. Später hat die offen faschistische Regierung Petain die Insassen der südfranzösischen Konzentrationslager an die Nazis ausgeliefert. Viele ehemalige Internationale wurden nach Deutschland gebracht und dort ermordet, so der Führer der Centuria Thälmann, Hermann Geisen, und der gute Kaderkommissar der Elften Brigade, Albert Denz. Von manchem fehlt noch heute jede Nachricht. [...]

Und Spanien? Sein schlimmstes Problem im Kriege war nicht der Mangel an militärischer Erfahrung. Der herrschte ähnlich auch bei den Franco-Truppen. Den größten Schaden richtete der Wirrwarr der Parteien an. Die Gruppen und einzelnen Personen, die so grauenhaft versagten, waren alle auf dem Wege zu einer ernsthaften sozialistischen Auffassung irgendwo stehengeblieben: die linksbürgerlichen Intellektuellen Azafia und Companys, die Anarchisten, die katalanischen und baskischen Nationalisten, die Sozialisten um Largo Caballero. Aber auch Sozialisten, die Gutes geleistet haben, wie Negrin und Alvarez del Vayo, wurden in den entscheidenden Stunden schwach. [...]

Einige Jahre nach dem Kriege lebte der Partisanenkampf in Spanien wieder auf. Das geschah vor allem in der gebirgigen Gegend um Teruel. Wer führt diesen Kampf? Die Linksbürgerlichen? - Sie haben noch nie als Partisanen gekämpft. Die Anarchisten? - Könnte sich ein Verräter vom Schlage des Cipriano Mera bei den Kämpfern in den Bergen zeigen? Oder einer, der gegen Friedensbeschlüsse ist? Die Sozialisten? - Selbst der tapfere Negrin wäre als Partisan unbrauchbar.

Wer führt diese todesmutigen Partisanen? Sie lieben die Pasionaria, die mütterliche Frau, die zugleich die starke Führerin der Kornmunistischen Partei Spaniens ist. Unter den Partisanen erzählt man sich auch von den Heerführern Modesto und Lister, die gekämpft haben, bis sie nicht mehr konnten. Diese großen Soldaten haben sich in den Jahren des Zweiten Weltkriegs und danach weitergebildet aber nicht nur militärisch. Das ist es gerade, was sie mit den Partisanen und den anderen Kämpfern in Spanien verbindet: Sie sind zwar bereit, mit der Waffe zu kämpfen, aber im Grunde hassen sie den Krieg. Was sie erstreben, ist der Frieden.

Ich habe erzählt, was ich im Spanischen Kriege erlebte. Oft hat mich beim Schreiben der Schmerz überwältigt. In den Nächten lag ich wach und quälte mich damit, mir vorzustellen, wie wir es besser hätten machen sollen. Dieses Wieder-Erleben ließ mich nicht los, obwohl es eigentlich Unsinn war.

Der Kampf des spanischen Volkes um seine endgültige Freiheit wird wohl anders aussehen als der vergangene Krieg, weniger militärisch. Dabei wird er schneller zum Sieg führen.

Spanisches Volk, du wirst Brot haben. Du wirst arbeiten und wieder singen und tanzen. (Vgl. zum selben Thema den Beitrag von Victor Grossman im Heft 3/2014, S. 24-28.)

Anmerkung:

[1] Ludwig Renn, Der Spanische Krieg S. 508-511, Das Neue Berlin 2006.