Landwirtschaftliche Genossenschaften – ein Zukunftsmodell
Konrad Hannemann, Eisenhüttenstadt
Ein neues Buch über die LPG in der DDR. Seit 26 Jahren müssen wir uns von Politikern der gebrauchten (oder alten) Bundesländer anhören, dass die LPG in der DDR nur durch Zwangskollektivierung zustande gekommen seien. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Ja, es gab Fälle, in denen durch übereifrige Funktionäre unangemessener Druck auf die Bauern ausgeübt wurde, um die Vollgenossenschaftlichkeit eines Dorfes zu erreichen. Aber die überwiegende Mehrzahl der Bauern trat den LPG aus eigener Überzeugung bei oder folgte den Argumenten der Agitationsgruppen, die vor allem im Jahre 1960 im Einsatz waren.
Die Bildung größerer Produktionseinheiten in Form von LPG war ein mutiges Experiment mit vielen Unbekannten. Aber für die DDR war es eine unbedingte Voraussetzung, um die Bürger weitgehend selbst mit Nahrungsmitteln zu versorgen und eine höhere Produktivität zu erreichen.
Zugleich wurde damit das Vorbild für eine moderne, zukunftsweisende Entwicklung des ländlichen Raumes geschaffen. Wie richtig das war, zeigte sich auch nach der »Wende«, als sich die LPG auf die kapitalistische Wirtschaftsweise und die gesetzlichen Bedingungen der BRD umstellen mussten. Entgegen den Erwartungen westlicher Politiker hielt die Mehrzahl der Bauern an der genossenschaftlichen Bewirtschaftung fest; denn sie hatten die Entwicklung in der BRD verfolgt und waren durch den Ruin Tausender von Bauern gewarnt. Dieses Risiko wollten sie nicht eingehen. Heute zeigt sich, dass im Osten Deutschlands die Nachfolgebetriebe der LPG (Genossenschaften, GmbH, GbR usw.) das stabilste Glied der Landwirtschaft sind.
Diesen Sachverhalt greift ein kürzlich von Rohnstock-Biografien herausgegebenes Buch unter dem Titel »LPG – Zwangskollektivierung oder Zukunftsmodell?« auf. Im Vorwort dazu hebt Katrin Rohnstock hervor, dass auch in der Landwirtschaft der BRD der genossenschaftlichen Bewirtschaftung die Zukunft gehören sollte. Diese Feststellung gewinnt an Bedeutung, falls die Freihandelsabkommen wirksam werden, die Bauern noch stärker der ausländischen Konkurrenz ausgesetzt sind und damit noch mehr von ihnen der wirtschaftliche Ruin droht. Die Bildung von Genossenschaften könnte dem entgegen wirken. Dazu sollten wir als Sozialisten sie ermutigen.
Das genannte Buch kann eine wertvolle Hilfe dabei sein. Das Besondere ist, dass darin drei ehemalige LPG-Leitungskader ihre Erfahrungen selbst darlegen. Jeder von ihnen hat den Weg in die LPG-Mitgliedschaft auf andere, teils widerspruchsvolle Art gefunden. Aber alle kamen zu dem Schluss: Auf meinem Bauernhof hätte ich dieses Produktionsniveau nie erreichen können, und deshalb war das der richtige Weg.
Die drei Autoren des Buches bieten einen reichen Erfahrungsschatz an. Sie schildern die Arbeitsorganisation, den komplexen Einsatz moderner Technik, die Formen der Arbeitsvergütung, die sozialen Regelungen, die Qualifizierung der Mitglieder sowie die Gestaltung des kulturellen Lebens, das die LPG zum Mittelpunkt des Dorfes werden ließ. Auch fehlerhafte Entwicklungen sprechen sie offen an und machen damit sichtbar, was künftig zu vermeiden wäre. Es wäre wünschenswert, dass jeder Bauer in den westlichen Bundesländern dieses Buch in die Hände bekäme, um eine Aufgeschlossenheit für den genossenschaftlichen Weg zu erreichen.
Allerdings gibt es ein ernst zu nehmendes Hindernis für eine gesunde Entwicklung der Landwirtschaft, und das ist der massenweise Landkauf durch industrielle Großinvestoren, die durch hohen Gülleanfall die Umwelt schädigen und Bestimmungen des Tierschutzes zu umgehen versuchen. Der Boden gehört in die Hand von landwirtschaftlichen Genossenschaften, Personengesellschaften und starken Bauernbetrieben. Hier ist der Staat in der Pflicht, eine fehlerhafte Entwicklung auf gesetzlichem Wege zu verhindern.
Katrin Rohnstock (Hg.): LPG. Zwangskollektivierung oder Zukunftsmodell?, Edition Berolina, Berlin 2015, 160 S., 9,99 Euro. von Bernd Büttner (Autor), Hans Müller (Autor), Ernst Junghanns (Autor), ISBN: 978-3958410244.