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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Kritik auch an deutscher Flüchtlingspolitik

Dokumentation

Das UN-Flüchtlingskommissariat hat am 5. Dezember erneut an die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union appelliert, keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland "rückzuüberstellen". Die sogenannte Dublin-II-Verordnung sieht vor, daß jener Staat für Asylverfahren zuständig ist, in dem ein Flüchtling zuerst EU-Gebiet erreicht hat. Dieses System benachteiligt die am Rande der EU liegenden Staaten. Speziell Griechenland ist seit langem berüchtigt dafür, humanitäre Standards im Umgang mit Flüchtlingen zu ignorieren. Trotz der bekannten Mängel hat Deutschland in diesem Jahr bereits 199 Asylsuchende nach Griechenland zurückgeschickt.

Aus: "Kritik auch an deutscher Flüchtlingspolitik" von Ulla Jelpke, jW, 8. 12. 2008, Seite 5

Nachfolgend dokumentieren wir Auszüge aus einer "Recherche zur Situation von Asylsuchenden in Griechenland", durchgeführt vom 20. bis 28. Oktober 2008 von Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL.

"The situation in Greece is out of control”

In Griechenland existiert kein Asylverfahren, welches rechtstaatlichen Normen entspricht. Anhörungen am Flughafen finden ohne Übersetzer statt. Die erste Instanz ist keine Asylinstanz, sondern eine reine Ablehnungsmaschinerie. Die zweite Instanz arbeitet seit Juli 2008 nicht mehr. Der Zugang zur zentralen Ausländer- und Asylbehörde wird Schutzsuchenden verweigert. Ich habe mit Anwältinnen und Anwälten von Asylorganisationen gesprochen, deren Haupttätigkeit darin besteht, Briefe für Schutzsuchende zu schreiben, damit diese die zuständige Asylbehörde überhaupt betreten können. Alle Dublin-Überstellten aus Deutschland, mit denen ich gesprochen habe, sind obdachlos und mittellos. [...]

Eine Überstellung von Schutzsuchenden nach Griechenland, wo es nur ein sehr begrenztes Aufnahmesystem für wenige Asylsuchende und kein rechtstaatliches Asylverfahren gibt, ist [...] nicht zu rechtfertigen.

[...] In Athen hatte die zentrale Ausländer- und Asylbehörde vom 21. September 2008 bis 26. Oktober 2008 die Türen für Asylantragssteller geschlossen. Als am Sonntag, dem 26. Oktober, erstmals wieder Termine vergeben wurden, warteten ca. 3.000 Menschen vor den Toren des Aliens Directorate of Attica in der Petrou-Ralli-Straße 24. Es kam zu Rangeleien mit der Polizei, Schlagstockeinsatz und Panik unter den Wartenden. Bei dieser Auseinandersetzung wurden über zehn Personen verletzt. In der Nähe der Behörde starb der 29 Jahre alte pakistanische Asylsuchende Mohammed Ashraf Montaser unter ungeklärten Umständen.

Tausende Schutzsuchende hatten zuvor über Monate vergeblich versucht, einen Asylantrag zu stellen – sie waren abgewiesen worden. "Komm in zwei Monaten wieder", wurden Asylsuchende am Eingang abgefertigt. Die Politik der verschlossenen Türen bedeutet: Menschen, die einen Asylantrag stellen wollen, bekommen keinen Zugang zum Gebäude und damit auch nicht zum Asylverfahren. Die Folge: Schutzsuchenden droht die Inhaftierung.

Ombudsmann, Asylorganisationen und UNHCR fordern: Zugang für alle Schutzsuchenden gewährleisten

Nach den Auseinandersetzungen während der Terminvergabe am 26. Oktober ist völlig offen, wie es weitergeht. [...]

Laut Erlaß soll der Staat Asylsuchenden Unterkunft und ein für die Befriedigung der Grundbedürfnisse ausreichendes Tagegeld zur Verfügung stellen. [...] Dennoch waren am 22. Oktober 2008 in Athen über 100 Personen der höchsten Prioritätsstufe – Familien mit Kindern – obdachlos. Diese Zahl gibt nur einen kleinen Ausschnitt der zugespitzten Situation wieder. Selbst die zahlreichen privaten Elendsquartiere wie z.B. "Afghani-Hotels" usw. sind voll. In einem einzigen Zimmer leben bis zu drei Familien mit Kindern.

Asylsuchende leben in Parks, in Abbruchhäusern, schlafen auf öffentlichen Plätzen und in Parks. Sie haben keine Chance, daß ihnen eine Unterkunft zugewiesen wird oder übergangsweise ein Hotel bezahlt wird. "The situation is hopeless", so Kalliopi Stefanaki vom UNHCR angesichts der großen Anzahl obdachloser Asylsuchender und der wenigen verfügbaren Plätze.

In ganz Griechenland existieren momentan 924 Aufnahmeplätze. Das Gesundheitsministerium hat in den letzten Monaten einige neue Unterkünfte geschaffen und eine Unterkunft, die sich in einem katastrophalen Zustand befand, geschlossen.

Für die Auszahlung der "Tagegelder" an Asylsuchende fehlen die Haushaltsmittel. [...]

In der Nähe des Gesundheitsministeriums hat sich ein männlicher Straßenstrich etabliert. Es ist unschwer zu erkennen, daß sich dort auch minderjährige Jungen aus Afghanistan prostituieren. Mubarak Shah fragt in einem Gespräch, das ich mit ihm führte:

"Wie kann man über Menschenhandel reden und die Ausgangsvoraussetzungen verschweigen? Menschen, die obdachlos und mittellos sind, sind erpressbar und ausbeutbar. Wenn Griechenland und Europa unbegleitete Flüchtlingskinder, junge Frauen und Männer vor Sklaverei schützen wollen, dann müssen an erster Stelle menschenwürdige Aufnahmebedingungen für diese besonders Schutzbedürftigen geschaffen werden."

Die Situation am Athener Flughafen ist unverändert. Alle Dublin-Überstellten kommen am Flughafen Eleftherios Venizelos an. Es gibt weiterhin keine Dolmetscher bei den polizeilichen Befragungen, Asylanhörungen und rechtliche Belehrungen finden in griechischer Sprache statt.

Die Unterbringungssituation im Gewahrsam bleibt prekär. Familie K., Christen aus dem Irak, wurde am 27. 10. 2008 mit einem sechs Wochen alten Baby und einem 1½-jährigen Mädchen von Frankfurt nach Athen abgeschoben.1 Das Ehepaar berichtet nach der Überstellung während eines Besuches im Flughafengewahrsam: "Wir sind in einer Zelle mit 20 Erwachsenen und 12 Kindern eingesperrt. Der zuletzt angekommenen Familie stand nicht einmal eine Matratze zur Verfügung". Diese im Flughafengewahrsam Inhaftierten sind Dublin-Fälle aus verschiedenen europäischen Staaten. [...]

Die Haftlager an den Außengrenzen sind völlig überfüllt. Nach Schätzungen des griechischen Ombudsmanns sind ungefähr 58.000 Flüchtlinge und Migranten in den ersten sechs Monaten in Griechenland angekommen. Weit über 15.000 Menschen wurden allein von Januar bis Ende September 2008 in regulären und ad hoc errichteten Lagern auf den griechischen Ägäis-Inseln inhaftiert. Die Insel Leros (53 Quadratkilometer, 8000 Einwohner) registrierte in den ersten neun Monaten des Jahres 3.500 Flüchtlinge. Die Präfektur der Insel Lesbos berichtet von 11.001 neu eingetroffenen Flüchtlingen allein in den ersten zehn Monaten 2008. 2007 waren es noch 5.995 und 2006 1.766 Personen. All diese Menschen werden im Lager Pagani inhaftiert. Die Präfektur in Mitilini spricht von einer Kapazität von 436 Betten – am 4. 11. 2008 waren jedoch 862 Personen dort inhaftiert.

Ich habe in den letzten zwölf Monaten über zehn Besuche in Pagani gemacht. Schon bei 200 inhaftierten Menschen waren die Verhältnisse äußerst beengt und die sanitären Einrichtungen funktionsuntüchtig.

Unmenschliche Haftbedingungen – Beispiel Pagani in Mitilini/Lesbos

600 Flüchtlinge im Haftzentrum Pagani auf der Insel Lesbos erlitten Mitte Oktober eine Vergiftung, weil das Trinkwasser wegen der maroden Leitungssysteme verschmutzt war.

Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" hatte bereits am 30. 9. 2008 die Behörden auf Lesbos aufgefordert, den Bootsflüchtlingen umgehend zu helfen.

"Mehrmals mußten die medizinischen Teams Patienten durch Gitterstäbe hindurch behandeln, da die Inhaftierten ihre Zellen nicht verlassen durften (...) Es dauerte drei Monate und bedurfte des Drucks von ‚Ärzte ohne Grenzen’ und anderen Akteuren, bis den Lagerinsassen erlaubt wurde, regelmäßig den Innenhof zu nutzen, bis dem Lager ein weiterer Arzt zugewiesen wurde und bis grundlegende Instandhaltungsmaßnahmen begonnen wurden. Die einfachen technischen Arbeiten, die wir durchgeführt haben, hätten die Lebensbedingungen wesentlich verbessert. Doch die Behörden konnten nicht einmal minimale Instandhaltungs- und Reinigungsarbeiten garantieren. Noch immer sind Frauen, Minderjährige und Kinder gemeinsam mit Männern unter inakzeptablen Bedingungen eingesperrt, ohne Rücksicht auf ihre speziellen Bedürfnisse."

Am "Ausgangspunkt Griechenlands" im Hafen von Patras spitzt sich die Situation zu. Über 1000 Menschen – darunter eine große Zahl Minderjähriger aus Afghanistan – leben in Papphütten und den angrenzenden Freiflächen unter unmenschlichen Bedingungen – ohne Toiletten, ohne Wasser und Strom.

Die gesamte Recherche einschließlich der hier weggelassenen Quellenangaben kann als PDF-Dokument von www.proasyl.de heruntergeladen werden:

www.proasyl.de/fileadmin/proasyl/fm_redakteure/Asyl_in_Europa/

Griechenland/GrBericht_Out_of_contol_1108.pdf

Wenngleich in der BRD die Lebensbedingungen für Asylsuchende und Flüchtlinge wesentlich besser sind als jene, die Karl Kopp anprangert, gibt es hinlänglich Grund, die deutsche Asyl- und Flüchtlingspolitik zu kritisieren. Und Kritik reicht nicht aus. Wir müssen praktisch Solidarität üben, so wie es die Genossinnen und Genossen aus Berlin-Tempelhof-Schöneberg auf dem Landesparteitag am 6./7. 12. 2008 taten.

Berliner Bezirksverband fordert menschenwürdige Bedingungen für Flüchtlinge

Antrag des Bezirksverbands Tempelhof-Schöneberg der Partei DIE LlNKE.Berlin:

Der Landesparteitag möge beschließen:

Die Lage der Flüchtlinge in der Unterkunft Motardstraße macht deutlich, daß die derzeitigen Gegebenheiten zu menschenunwürdigen Lebensverhältnissen führen. Daher ist es notwendig, daß die LINKE in Berlin die Aktivitäten des Berliner Flüchtlingsrates unterstützt und für die Durchsetzung der folgenden Forderungen eintritt:

1. Keine neuen "Sachleistungsunterkünfte" – statt dessen das Recht auf eine eigene Wohnung!

2. Umgehende Schließung der Unterkunft Motardstraße.

3. Initiativen des Landes Berlin für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes, hilfsweise für die Anhebung der Leistungen auf das Niveau des Alg 11, die Abschaffung des Sachleistungsprinzips sowie Zugang zu Krankenversicherungsschutz.

4. Initiativen des Landes Berlin für eine Abschaffung des Arbeits- und Ausbildungsverbots für Flüchtlinge.

5. Anpassung der Mietobergrenze in der AV Wohnen an die Mietsteigerungsrate.

Begründung:

Seit Jahren kritisieren der Berliner Flüchtlingsrat und weitere Flüchtlingsinitiativen die Lebensumstände in der Unterkunft für Flüchtlinge und Asylbewerber in der Spandauer Motardstraße. Dort sind Menschen, die gerade einen Asylantrag gestellt haben, ebenso untergebracht wie geduldete Flüchtlinge, die zwangsweise von den Bezirksämtern hierher eingewiesen wurden. Grund ist der Vorwurf, daß diese Menschen nicht genügend mit den Behörden hinsichtlich der Beschaffung von Reisepapieren und damit für ihre Abschiebung kooperieren würden.

Die rechtliche Grundlage für die Zwangseinweisungen, die damit verbundenen gravierenden Leistungskürzungen und die Ersetzung der Bargeldzahlungen zum Lebensunterhalt der Flüchtlinge durch "Sachleistungen" (wie zum Beispiel Gutscheine, Verpflegung mit "Essenpaketen" oder – wie in der Motardstr. – folienverpacktes Fertigessen) liefert das Asylbewerberleistungsgesetz. Für deren Abschaffung sollten wir als Partei in Regierungsverantwortung glaubhaft eintreten, so beispielsweise mit der öffentlich erhobenen Forderung nach einer Bundesratsinitiative des Landes Berlin für die Abschaffung dieses Gesetzes.

Mehrere Mitglieder unserer Partei haben im letzten Jahr mit dem Berliner Flüchtlingsrat der Unterkunft einen Besuch abgestattet und sind mit den Bewohnern ins Gespräch gekommen. Sie konnten sich vor Ort vom Schaben- und Schimmelbefall mehrerer Räume überzeugen.

Für die Betroffenen wiegt besonders schwer, daß sie isoliert in einem abgelegenen Spandauer Industriegebiet leben müssen. Wege zu Ämtern, Beratungsstellen und Ärzten sind mit langen Fußmärschen verbunden, da die Menschen über kein Fahrgeld verfügen. Der ungute Eindruck entsteht, daß die hier Untergebrachten und ihre Situation der Öffentlichkeit entzogen werden sollen. Die letzte politische Verantwortung in einer Demokratie trägt die Gesellschaft. Diese kann ihre Verantwortung nur tragen, wenn die Dinge nicht im Verborgenen geschehen und wenn sie mit den Menschen, deren Schicksal ihr anvertraut ist, in Kontakt treten kann. Flüchtlinge zu isolieren ist auch unter diesem Gesichtspunkt zu verurteilen.

Nach Protesten des Flüchtlingsrates und anderer Initiativen und einem Besuch der Sozialsenatorin in der Motardstraße kam es zu einigen Verbesserungen: Toiletten und Duschen im Heim wurden teilweise repariert und das Essen verbesserte sich. Für eine Reihe von Betroffenen wurde es im Rahmen einer Einzelfallprüfung seitens des Bezirksamtes Marzahn-Hellersdorf möglich, wieder in Wohnungen zu ziehen. Die Anzahl der durch die Bezirke und die Zentrale Leistungsstelle für Asylbewerber eingewiesenen geduldeten Flüchtlinge ist jedoch unvermindert hoch.

Nun vermeldete die Tageszeitung "Neues Deutschland" am 22. Oktober, daß der Senat beabsichtigte, den Ende des Jahres auslaufenden Nutzungsvertrag für das Heim mit der AWO zu verlängern, obwohl nunmehr auch die Bezirksverordnetenversammlungen Marzahn-Hellersdorf und Pankow mit den Stimmen fast aller Parteien (außer der NPD!) den Senat auffordern, die "Motardstraße" zu schließen.

Seit einigen Monaten bietet die Senatssozialerwaltung den Bezirksämtern sogar zusätzliche Kapazitäten zur "familiengerechten" Umsetzung der Sachleistungsversorgung nach § 1a AsylbLG in einem Wohnheim in der Degnerstraße an (vergleiche Abgeordnetenhaus-Drs. Nr.16/12 380, Antwort Nr. 16).

Nunmehr sind auch Kinder vom vollständigen Bargeldentzug betroffen, deren regelmäßiger und erfolgreicher Schulbesuch dadurch erschwert wird.

Die Betroffenen können sich mangels Geld für eine anwaltliche Vertretung gegen die Kürzungen rechtlich nicht wehren. Das Prozeßkostenhilferecht macht Zahlungen an Anwälte nicht entbehrlich.

Liegt tatsächlich ein Kürzungstatbestand nach § 1a AsylbLG vor, kann diese Leistungskürzung rechtlich gesehen auch ohne Umzug unter Verbleib in der bisherigen Unterkunft bzw. Wohnung bei Weiterzahlung der (entsprechend gekürzten) Bargeldeistungen umgesetzt werden. Dies wird bei den Bezirkssozialämtern teilweise auch so praktiziert. Sachleistungsunterkünfte sind dann entbehrlich.

Die Anmietung von Wohnungen durch asylsuchende und geduldete Flüchtlinge in Berlin ist nach Aussagen des Berliner Flüchtlingsrates in den letzten Monaten zunehmend unmöglich geworden. Dies liegt daran, daß die Mieten deutlich gestiegen sind und Vermieter zunehmend Mietkautionen fordern. Die von der Senatsozialverwaltung in den Ausführungsvorschriften Wohnen festgesetzten, für Sozialämter und Jobcenter verbindliche Mietobergrenzen sind seit vier Jahren unverändert. Die Übernahme von Kautionen wird von den Leistungsbehörden im Regelfall abgelehnt. Die Gruppen mit der schwächsten Marktposition scheitern hieran zuerst. Die Neuanmietung von Wohnraum durch ALG-II Berechtigte scheitert hieran zunehmend, für Flüchtlinge ist sie faktisch unmöglich geworden.

Solidarität mit ausgegrenzten Menschen, die vor Krieg, Armut und Verfolgung flüchten, sollte für uns Tagesaufgabe sein. Deshalb bitten wir Euch, die im Antrag aufgeführten Forderungen des Berliner Flüchtlingsrates (vgl. Pressemitteilung vom 31. Oktober 2008 zu "15 Jahre Asylbewerberleistungsgesetz") zu unterstützen.

Dieser Antrag ("Antrag 5") an den Berliner Landesparteitag wurde bei 1 Enthaltung auf der Gesamtmitgliederversammlung des Bezirks am 7. 11. 2008 beschlossen.

Ein Ersetzungsantrag

Der Landesparteitag möge beschließen: Der Antrag 5 wird wie folgt ersetzt:

Für eine humane Flüchtlingspolitik!

DIE LINKE. Berlin tritt weiterhin für die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetz und für die gleichen Rechte für alle Menschen ein. Bis dahin sind hilfsweise alle Initiativen zu ergreifen, die die Einschränkung des § 1a AsylbLG aufheben. Die Sozialsenatorin wird deshalb gebeten, Verhandlungen mit dem Innensenator aufzunehmen, um die vorhandenen Ermessenspielräume im Umgang mit dem § 1a AsylbLG im Interesse der Betroffenen vollständig zu nutzen und entsprechend auf die Bezirke hinzuwirken.

Das Land Berlin ist gesetzlich verpflichtet, eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerberinnen vorzuhalten. Diese befindet sich zur Zeit in der Motardstraße. Wir bekräftigen erneut den Willen, die Liegenschaft in der Motardstraße auf die Funktion der Erstaufnahmeeinrichtung zu begrenzen. Alle anderen Personen, die derzeit dort wohnen, werden in Wohnungen bzw. – in gesetzlich unabweisbaren Fällen – in Unterkünften untergebracht, die von den zuständigen Bezirken bereitgestellt werden. Mittelfristig soll eine Erstaufnahmeeinrichtung an einem anderen Standort eingerichtet werden, die dem gegenüber den 90er Jahren geringeren Platzbedarf gerecht wird und eine bessere sozialräumliche Integration der Flüchtlinge ermöglicht.

Änderungsantrag Nr. 5.1., Einreicherlinnen: Elke Breitenbach, Heidi Knake-Werner, Katina Schubert, Carsten Schatz

"Wir ziehen unseren Antrag zurück"

Liebe Genossinnen und Genossen, wir ziehen unseren Antrag zugunsten des Antrages "Für eine humane Flüchtlingspolitik" zurück. Wir ziehen unseren Antrag nicht zurück, weil die Begründung für unseren Antrag eine Übertreibung wäre. Die Zustände in der Motardstraße sind menschenunwürdig, und eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber muß nicht in der Motardstraße sein.

Wir ziehen unseren Antrag nicht zurück, weil wir unsere Forderungen für falsch halten. Die Forderung nach Anhebung der Leistungen für Asylbewerber auf das Niveau von Alg II ist richtig. Die Forderung nach Abschaffung des Arbeits- und Ausbildungsverbots für Flüchtlinge ist richtig.

Liebe Genossinnen und Genossen, wir ziehen unseren Antrag zurück, weil es im Antrag von Elke Breitenbach, Klaus Lederer, Heidi Knake-Werner, Katina Schubert und Carsten Schatz ein Versprechen gibt: "Alle" – ich betone – "alle anderen Personen, die derzeit dort wohnen, werden in Wohnungen, bzw. in gesetzlich unabweisbaren Fällen in Unterkünften untergebracht, die von den zuständigen Bezirken bereitgestellt werden."

Dieses Versprechen ist von so grundsätzlicher Natur, daß es sich lohnt, hierfür unseren Antrag zurückzuziehen. Der Landesparteitag sollte die Realisierung dieses Versprechens fest auf der Agenda behalten. Carsten Schulz, Rede auf dem Landsparteitag


1 Mit Schreiben vom 29. 10. 2008 entschuldigte sich das Bundesamt bei der Rechtsanwältin Lex, die die Familie K. im Asyl- und Dublinverfahren vertritt. Das Bundesamt versprach, die Familie K. "so schnell wie möglich in die Bundesrepublik zurückzuholen".