Kriegsverhinderung verlangt klare Begriffe
Dr. Artur Pech, Schöneiche
Es herrscht Begriffswirrwarr bis zur Sinnesverwirrung, wenn über die Verwendung der Bundeswehr diskutiert wird. Die Rede ist von Militäreinsatz, Kampfeinsatz, Polizeieinsatz, bewaffnetem Einsatz, Einsatz mit hoher Gewaltintensität und manchmal auch bloß vom nicht näher bezeichneten Einsatz mit UN-Mandat. Die Inhalte dieser Begriffe sind in der Regel offen. Deshalb ist klarzustellen:
Der Zweck des Militärs ist es, den organisierten bewaffneten Kampf zu führen.
Daß es darüber hinaus auch bei Hochwasserkatastrophen oder zur Regulierung des Straßenverkehrs eingesetzt werden kann, ändert an seiner tatsächlichen Zweckbestimmung nichts.
Wer sich heute an der Diskussion über Reformen der Bundeswehr beteiligt, sollte den Grundmechanismus solcher Reformen verstehen:
- Da ist das "Kriegsbild" zu klären. Auf welche Kriege soll die Bundeswehr vorbereitet werden?
- Davon abgeleitet ist die Bewaffnung zu klären: Welche Waffen sind für diese Kriege zu beschaffen?
- Wie sollen die Streitkräfte ausgerüstet, gegliedert, geführt und ausgebildet werden, um die so konzipierten Kriege dann auch führen zu können?
- Und wenn es denn das so konstituierte Militär nun einmal gibt – wofür ist es sonst noch zu gebrauchen?
Die LINKE hat zu klären, daß ein Einsatz der Bundeswehr zur Führung des organisierten bewaffneten Kampfes, also zum Krieg, kein vertretbares Mittel zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele sein kann.
So steht es im Programmentwurf, und dabei muß es bleiben – egal, welche Bezeichnungen für derartige "Einsätze" noch erfunden werden.
Deshalb müssen wir auch den herrschenden Begriffswirrwarr entlarven und dürfen uns nicht an seiner Verschlimmbesserung beteiligen.
In den letzten 20 Jahren ereigneten sich zahlreiche Kriege. Bei genauerem Hinsehen ging es letztlich um ökonomische Interessen von Völkern und Volksgruppen, Ethnien und Stämmen.
Dominant sind Kriege der kapitalistischen Zentren gegen Staaten an der Peripherie. Es sind imperialistische Kriege zur Neuordnung der Welt.
Es ist eine Stärke des Programmentwurfs, den Zusammenhang von Krieg und Eigentum klarzustellen. Denn damit bekommt der Friedenskampf eine klare Richtung.
In der heutigen Welt ist der Gebrauch des Krieges für kapitalistische Akteure eine Kosten-Nutzen-Rechnung – häufige Fehlrechnungen eingeschlossen.
Der Geist der Militarisierung, das Geflecht der gesellschaftlichen Strukturen, die die Kriegführungsfähigkeit ausmachen, drängen zum Krieg.
Diesen Mechanismus zu stoppen verlangt, in der Mehrheit der Bevölkerung Krieg als Mittel der Politik zu delegitimieren und sich eben nicht an der Rechtfertigung nebulöser "Einsätze" zu beteiligen.
Für Krieg als Mittel der Politik gibt es keine Rechtfertigung. Wenn diese Position zur herrschenden öffentlichen Meinung wird, entzieht es der Politik den Krieg als eines ihrer Instrumente.
In der heutigen Welt den Frieden zu erhalten, erfordert, an die Stelle der Erpressung durch überlegene Mittel der Kriegführung ein System gemeinsamer Sicherheit zu setzen. Die westlichen Industrieländer beuten die Naturreichtümer und menschliche Arbeit der übrigen Welt aus. Ihre Wirtschaft, der Reichtum des Besitzbürgertums und der relative Wohlstand einer Mehrheit sind gebunden an die Verfügung über die Energie- und Rohstoffquellen, über die Billiglohnarbeitskräfte und Märkte der Entwicklungsländer und über die Verkehrswege dorthin.
Deshalb erhalten die Streitkräfte den Auftrag, die beanspruchten Einflußsphären zu behaupten. Sie sollen im globalen Rahmen die "vitalen Sicherheitsinteressen" der ausbeutenden Industrieländer durchsetzen.
Diesem Interventionsauftrag folgt eine entsprechende Umrüstung. Sie ist also nichts anderes als die militärische Komponente der neoliberalen Globalisierung.
Allgemeiner Grund dafür ist weder ein unausweichlicher Globalisierungsprozeß noch die kapitalistische Wirtschaftsform an sich. Der Grund ist der deregulierte entfesselte Kapitalismus, der ungezähmt global expandiert und ohne Rücksicht auf die Verluste an Menschenleben, auf soziale Not und ökologische Verwüstung in Freiheit gesetzt wird. Dagegen wird ein vielschichtiges Bündnis von gesellschaftlichen Bewegungen und von realistischen Fraktionen der herrschenden Klasse gebraucht, die aus Gründen weitsichtig kalkulierter Interessen, Wettrüsten, militärische Konfrontation und Kriege eindämmen und das Überlebensrisiko ausschalten wollen.
Kriege jetzt verhindern und Frieden sicherer und besser machen – das verträgt keine politische Enge. Wollen wir im Widerstand gegen die Militarisierung der Außenpolitik erfolgreich sein, müssen wir uns der ökonomischen Gründe und Triebfedern dieser Militarisierung bewußt sein.
Diskussionsbeitrag in Arbeitskreis 7 des Programmkonvents der LINKEN am 7. November 2010 in Hannover. Nachbemerkung: Die Ausführungen knüpfen inhaltlich vor allem an Gedanken von Prof. Wolfgang Scheler sowie an eigene Arbeiten zum Kriegsbild in der BRD an.
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