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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Kriegerisch, neoliberal und unsozial

Sahra Wagenknecht, MdB, Düsseldorf

Schwarz-Gelb setzt die verheerende Politik der Vorgängerregierungen fort

Eine besonders akute "Knappheit der Erkenntnis" attestierte vor einiger Zeit kein geringerer als Paul Krugman der alten, konservativ-sozialdemokratisch geführten Regierung. [Paul Krugman, "Die neue Weltwirtschaftskrise", deutsche Ausgabe] Damit fällt der bekannte linksliberale US-Ökonom ein vernichtendes Urteil über die Politik der früheren Bundesregierung. Paul Krugman ist kein Gegner der "freien Marktwirtschaft", er ist vielmehr Verfechter derselben. Aber er gehört nicht zu jenen besessenen Predigern, die tagein, tagaus die Selbstheilungskräfte der Märkte beschwören, sondern zu den wenigen übriggebliebenen Keynesianern, die auf staatliche Regulierung des Finanzmarktes setzen und den Blick für die sozialen Probleme nicht gänzlich verloren haben. Die Kritik Krugmans zeigt, daß die Regierungstätigkeit der Sozialdemokratie all die Jahre noch nicht einmal links-keynesianischen Ansprüchen einer nachfrageorientierten, um sozialen Ausgleich bemühten Wirtschaftspolitik genügen konnte. Statt dessen trieb die SPD über ein Jahrzehnt lang Privatisierung, Liberalisierung, Lohndumping und die weitere Verarmung sozial benachteiligter Bevölkerungsschichten voran. Mittlerweile lebt ein Drittel mehr Menschen unterhalb der Armutsschwelle als noch beim Regierungsantritt von Rot-Grün vor 12 Jahren. Zahlreiche Steuergeschenke, welche die Staatsquote in den Jahren zwischen 1999 und 2008 um beinahe fünf Prozentpunkte absinken ließen, führten dazu, daß die öffentliche Hand immer mehr kaputtgespart wurde. Das ist ein desaströses Ergebnis, welches die sozialdemokratische Regierungsbeteiligung hinterlassen hat. Die SPD hat in ihren 11 Jahren Regierungstätigkeit vor allem eines belegt: ihren Gebrauchswert für das Kapital.

An der von Krugman beschriebenen geistigen Knappheit, die großen sozialen Verwerfungen und ökonomischen Probleme zu lösen, mangelt es offenbar auch der neuen schwarz-gelben Regierung nicht. Allerdings handelt es sich bei der aktuellen Regierungspolitik nicht allein um Unfähigkeit, vielmehr werden ganz gezielt und wissentlich die Interessen des wirtschaftlichen Establishments bedient. Die Couleur der neuen Koalition ist zwar nunmehr eine andere, aber an der herrschenden Politik hat sich im Grunde nichts verändert: Tricksen, täuschen, verschleppen und betrügen   das ist auch die politische Agenda der schwarz-gelben Bundesregierung.

Schwarz-Gelb setzt auf mehr Gewalt am Hindukusch

Die Bundesregierung täuscht und schwindelt beim Afghanistan-Krieg. Wahrheitswidrig behauptet sie, die Bundeswehr würde am Hindukusch Demokratie und Menschenrechte verteidigen. Allerspätestens seit dem Kriegsverbrechen in Kunduz weiß jeder: Die von der Regierung angegebenen Gründe für Krieg und Besatzung sind schlichtweg verlogen. In Wirklichkeit sind die 100.000 in Afghanistan stationierten NATO-Soldaten weder uniformierte Entwicklungshelfer noch friedfertige Brunnenbauer, sondern sie töten unschuldige Menschen, um die letztlich ökonomischen Interessen der sogenannten "westlichen Zivilisation" zu sichern. Der brutale Kriegskurs wird entgegen allen Bedenken und Einwänden fortgeführt. Nun sollen weitere 40.000 Soldaten in den Hindukusch entsendet werden, davon 850 aus Deutschland. Mit der Aufstockung der Bundeswehrtruppen in Afghanistan setzt Schwarz-Gelb auf eine Ausweitung der militärischen Gewalt.

Von der SPD-Fraktion ist keine Gegenwehr zu dieser Kriegspolitik zu erwarten. Fast geschlossen stimmte die sozialdemokratische Bundestagsfraktion für die Ausweitung der Kampfeinsätze. Die SPD bleibt damit auch in oppositionellen Zeiten Kriegspartei. Die große Mehrheit der Bevölkerung dagegen folgt dem Regierungsbellizismus nicht: 63 Prozent sind laut jüngsten Umfrageergebnissen gegen die Truppenaufstockung am Hindukusch. Nur die LINKE gibt dem Willen dieser Mehrheit eine laute, unüberhörbare Stimme im Parlament.

Schwarz-Gelb hofiert die Reichen

Auch in wirtschaftspolitischer Hinsicht hält Schwarz-Gelb an der neoliberalen Politik ihrer Vorgängerregierungen fest. Höhere Ausgaben einerseits und der zu erwartende Einbruch der öffentlichen Einnahmen andererseits führen zu einem Milliardenloch im Bundeshaushalt. Mit einem beträchtlichen Haushaltsdefizit in Höhe von rund 100 Milliarden Euro rechnet Bundesfinanzminister Schäuble für dieses Jahr. Problematisch dabei ist allerdings nicht allein der wachsende Schuldenberg, sondern, es sind vielmehr dessen Ursachen, an deren Beseitigung die Regierung keinerlei Interesse zeigt. Zu den Ursachen zählt nicht nur eine völlig verfehlte "Bankenrettung", die einzig dazu diente, die überzogenen Renditeansprüche von Finanzkonzernen und Vermögensbesitzern selbst in Krisenzeiten durchzusetzen. Schon seit Jahren wird eine rabiate Umverteilung praktiziert: Umverteilung von unten nach oben und aus der öffentlichen Hand in die Hände einer finanzstarken und einflußreichen Elite.

Unter dem täuschenden Namen "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" werden über acht Milliarden Euro zugunsten der Unternehmer, Großerben und Wohlhabenden umgeschichtet – wohlwissend, daß die wachsende Verteilungsungleichheit bei Einkommen und Vermögen die Binnennachfrage weiter schwächen wird. Das "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" ist in Wirklichkeit ein Umverteilungsbeschleunigungsprogramm. Die Erbschaftssteuer wird gesenkt. Und auf Wunsch der Mövenpick-Kette werden die Steuern im Hotelgewerbe herabgesetzt. Die durch das "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" entstehenden Einnahmeverluste werden insbesondere die Länder und Gemeinden hart treffen. Auf diese kommen fast vier Milliarden Euro Mindereinnahmen zu.

Um die Steuergeschenke an die reichen Eliten zu vertuschen und der Öffentlichkeit soziale Absichten vorzugaukeln, erhöht die Bundesregierung das Kindergeld um 20 Euro. Aber die Hartz-IV-Empfänger, die diese Erhöhung am dringendsten gebrauchen könnten, gehen wieder einmal leer aus.

Auch die abhängig Beschäftigten müssen mit schweren Zeiten rechnen. Rund 6,5 Millionen Menschen arbeiten bereits heute zu Niedriglöhnen. Laut OECD liegt die Niedriglohnschwelle in Deutschland bei 9,85 Euro. Dies entspricht der Forderung der LINKEN nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro. Aber vor allem die FDP wehrt sich weiterhin mit allen Bandagen gegen die Einführung armutsfester Löhne. Das jüngste Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, den Postmindestlohn zu verwerfen, hat den Mindestlohn-Gegnern in FDP und CDU weiteren Auftrieb gegeben.

Nicht zuletzt im Gesundheitswesen sollen, ginge es nach den Plänen des wirtschaftsliberalen Gesundheitsministers Rösler, neue neoliberale Maßstäbe gesetzt werden. Rösler drängt auf die Verwirklichung der bereits im Koalitionsvertrag vereinbarten Kopfpauschale. Danach soll ein Einkommensmillionär im Grunde genauso viel in das Gesundheitssystem einzahlen wie ein einfacher Angestellter. Während die Unternehmen aus der Pflicht zur paritätischen Finanzierung der Sozialsysteme mehr und mehr entlassen werden, müssen all jene Menschen, die auf ein solidarisch finanziertes Gesundheitssystem angewiesen sind, mit Mehrkosten bzw. dem Entzug notwendiger Medikamente und Behandlungen rechnen.

Die erhebliche Privilegierung Wohlhabender und großer Unternehmen wird die Einnahmebasis des Staates weiter erodieren lassen, und sie wird die volkswirtschaftliche Nachfrage nicht spürbar steigern können. Während sich die oberen Zehntausend über die prächtigen Steuergeschenke freuen dürften, droht den Kommunen angesichts der zu erwartenden Einnahmeeinbrüche und unter dem Druck der Schuldenbremse der finanzielle Ruin. Soziale Einrichtungen, kommunale Daseinsvorsorge, Freizeittreffs und Jugendclubs – alles, was das Leben lebenswerter macht, aber nicht renditeträchtig ist, droht der Schließung oder Privatisierung zum Opfer zu fallen. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt deshalb, daß das für dieses Jahr zu erwartende milliardengroße kommunale Haushaltsloch dramatische Auswirkungen auf die öffentliche und soziale Infrastruktur haben werde. Drastische Ausgabenkürzungen auf Grund leerer Kassen drohen nun. Aber die Merkel-Regierung scheint mit all dem keine Probleme zu haben. Sie setzt auf die Fortsetzung marktradikaler Politik.

Schwarz-Gelb plant weitere soziale Sauereien

Wer nun glaubt, daß der schwarz-gelbe Raubzug gegen die letzten sozialen Errungenschaften bald ein Ende finden wird, irrt sich gewaltig. Denn die Konzepte für weitere soziale Sauereien liegen schon längst in den Schubladen zur Verkündung bereit. Öffentlich präsentiert werden sie aber erst nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Denn kann die Rüttgers-Regierung sich dort an der Macht behaupten, wäre die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat gesichert und die Bundesregierung hätte freie Fahrt für die endgültige Beerdigung des Sozialstaates. Die Zeche für Wirtschaftskrise und milliardenschwere Bankenrettungspakete würde dann ausgerechnet jenen aufgebürdet werden, die keinerlei Schuld an der schweren Krise tragen und die es ohnehin schon schwer haben, im Alltag über die Runden zu kommen.

Rüde Sparpolitik stößt allerdings vielerorts auf großen Widerstand. Üppige Steuergeschenke an die Reichen zu verteilen und gleichzeitig den Armen ihr letztes Geld aus der Tasche zu ziehen, das verstehen zu Recht immer mehr Menschen nicht mehr. Sie wehren sich, und die Verfechter der neoliberalen Umverteilungspolitik geraten stärker unter Druck. Diese haben an starken sozialen Protesten kein Interesse. Deshalb gab Westerwelle jüngst von sich, daß es ungerecht sei, daß eine verheiratete Kellnerin mit zwei Kindern im Schnitt weniger verdiene, als wenn sie Hartz IV beziehen würde. Westerwelle geht es dabei mitnichten um ein höheres Einkommen der besagten Kellnerin. Im Gegenteil! Das Ausspielen von Armen gegen noch Ärmere ist eine üble Hetze, mit der die Herren Westerwelle und Co. von ihrer eigenen Bestechlichkeit sowie von Diskussionen über Steuerhinterziehung und üppige Bankerboni ablenken wollen. Darüber hinaus soll mit dieser Hetze Solidarität zerstört und damit jeder Ansatz für soziale Proteste im Keim erstickt werden. Dankend aufgegriffen haben deshalb BILD und Guido Westerwelle die unverschämten Forderungen des Wirtschafts"weisen" Wolfgang Franz, die ALG-II-Sätze um weitere 30 Prozent zu senken. Sie hetzten nun gemeinsam im Chor der Konzernlobbyisten gegen unschuldig arbeitslos gewordene ALG-II-Empfänger und versuchen damit, die von ihnen beabsichtigten sozialen Kürzungen vorzubereiten.

Hinzu kommt, daß mit der noch von der vergangenen konservativ-sozialdemokratischen Koalition eingeführten Schuldenbremse der "Rechtfertigungsgrund" für kommende Sparmaßnahmen längst gefunden ist. Nach dieser 2009 beschlossenen Schuldenbremse soll die strukturelle Nettokreditaufnahme des Bundes bis zum Jahr 2016 auf höchstens 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes begrenzt werden. Das hat rücksichtslose Ausgabenkürzungen in zweistelliger Milliardenhöhe zur Folge. Die mögliche Alternative, nämlich durch Steuererhöhungen zu Lasten der Spitzenverdiener und reichen Erben die Staatseinnahmen zu erhöhen, ist von einer konzernhörigen Koalition wohl nicht zu erwarten.

Bundesfinanzminister Schäuble hat bereits angekündigt, daß auf die Bevölkerung schwere Zeiten zukommen werden. Das läßt ahnen, daß die Bundesregierung versuchen wird, brachiale Sparpolitik zu betreiben, sobald der erhoffte schwarz-gelbe Wahlsieg in Nordrhein-Westfalen in Sack und Tüten ist. Dies ist ein Grund mehr, für den Einzug einer starken LINKEN in den Düsseldorfer Landtag zu kämpfen.

Nur die LINKE ist echte Opposition gegen Krieg und Sozialkahlschlag

Die Sozialdemokraten und Grünen sind indessen meilenweit davon entfernt, glaubhaft und kraftvoll gegen den marktradikalen Kurs der Merkel-Regierung zu kämpfen. Ihre Oppositionsarbeit ist unglaubwürdig, weil sie in ihren früheren Regierungsjahren mit der Agenda 2010 und Hartz IV rüdem Lohndumping Tür und Tor geöffnet, die Liberalisierung der Märkte vorangetrieben und Völkerrechtsbruch und Kriegseinsätze als Mittel der Politik legitimiert haben. Zwar haben sie sich mittlerweile an ihre Rolle der parlamentarischen Opposition gewöhnt und machen mit linker Rhetorik auf sich aufmerksam. Aber dieser "Wechsel" hat weniger etwas mit einer tatsächlich veränderten politischen Ausrichtung zu tun, sondern ist vielmehr der Anpassung an die parlamentarischen Spielregeln geschuldet, welche die Grünen und Sozialdemokraten mittlerweile längst eintrainiert und verinnerlicht haben. Links zu blinken und anschließend rechts abzubiegen, gehört schon seit Jahren zum eingeübten Politikbetrieb beider Parteien. Ein echter politischer Kurswechsel aber, der sich abgrenzt vom Agenda-2010-Debakel, von Völkerrechtsbruch und Kriegspolitik, ist bei beiden nicht zu erkennen.

Anders die LINKE: Sie hat als kämpferische Interessenvertreterin der kleinen Leute und durch kontinuierliche Arbeit das Vertrauen ihrer Wähler gewonnen. Das Festhalten an den Kernpositionen ‚Mindestlohn jetzt‘, ‚Gegen die Rente ab 67‘, Hartz IV muß weg‘, ‚Privatisierung stoppen‘ und ‚Raus aus Afghanistan‘ hat den großen Erfolg bei den Bundestagswahlen im letzten Jahr begründet. Sie hat wichtige Themen in die öffentliche Debatte gebracht und die politischen Gegner wie auch die Mainstream-Medien dazu gedrängt, sich mit ihren Positionen auseinanderzusetzen. Die LINKE hat zudem bewiesen, daß sie durch ihre konsequente Oppositionspolitik die neoliberalen Parteien unter Druck gesetzt und zu Korrekturen ihrer Politik bewogen hat. Die politische und strategische Ausrichtung der Partei hat sich also bewährt. Nichts wäre deshalb absurder als der Versuch, das soziale und friedenspolitische Profil der LINKEN etwa durch faule Kompromisse schwammig und beliebig werden zu lassen. Sie ist statt dessen gut beraten, ihren erfolgreichen Weg beharrlich und glaubwürdig weiterzugehen, ihre Kerninhalte zu verteidigen und den außerparlamentarischen Widerstand zur schwarz-gelben Politik zu stärken.

Tip: Eröffnung des Düsseldorfer Wahlkreisbüros von Sahra Wagenknecht am 19. April 2010, 12.30 Uhr, siehe www.sahra-wagenknecht.de