Klassenkampf von Oben: Zehn Jahre Rente erst ab 67!
Matthias W. Birkwald, MdB
Vor zehn Jahren – am 9. März 2007 – wurde im Bundestag das sogenannte Altersgrenzenanpassungsgesetz« von CDU/CSU und SPD beschlossen. Anpassung klingt vernünftig, war es aber nicht, denn dahinter verbarg sich nichts anderes als die Einführung der Rente erst ab 67. Mit diesem Gesetz wurde der seit der Jahrtausendwende eingeleitete Kahlschlag der Gesetzlichen Rente vorläufig abgeschlossen. Die Kürzung des Rentenniveaus wurde für all diejenigen nochmal verschärft, die es nicht bis zu den neuen Altersgrenzen schaffen.
Konkret wurde und wird das normale Renteneintrittsalter – die Regelaltersgrenze – mit diesem Horror-Gesetz in den Jahren 2012 bis 2031 schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Aktuell liegt sie für den Jahrgang 1952 bei 65 Jahren und sechs Monaten. Wer früher in Rente gehen muss, erleidet – wenn er bis dahin nicht 45 Beitragsjahre geschafft hat – Abschläge von am Ende bis zu 14,4 Prozent.
Die abschlagsfreie sogenannte »Rente ab 63« nach 45 Beitragsjahren ist schon seit dem vergangenen Jahr ihren Namen nicht mehr wert und nichts anderes als eine Mogelpackung! Denn schon der Jahrgang 1953 konnte erst ab 63 und zwei Monaten abschlagsfrei in Rente gehen. Jahr für Jahr steigt der abschlagsfreie Renteneintritt um zwei weitere Monate auf am Ende 65 Jahre an.
Und auch die Altersgrenze, ab der Schwerbehinderte und Erwerbsgeminderte, also kranke Frührentner*innen, eine abschlagsfreie Rente erhalten, wird schrittweise auf die Vollendung des 65. Lebensjahrs angehoben.
Das klingt kompliziert, deshalb in Euro und Cent: Für einen Bauarbeiter des Jahrgangs 1953, der wegen eines kaputten Rückens schon im Alter von 63 Jahren in Rente gehen muss und nicht 45 Jahre durchgängig gearbeitet hat, beträgt der Rentenabschlag wegen der schrittweisen Anhebung der Altersgrenze auf 67 Jahre in diesem Jahr 9,3 Prozent. Er bekommt also brutto statt 1.000 Euro Rente nur 910 Euro Rente monatlich. Jahr für Jahr wird seine Rente um mehr als 1.000 Euro gekürzt. Geht ein Bauarbeiter des Geburtsjahrganges 1964 vorzeitig ab 63 in Rente, schraubt sich die jährliche Kürzung auf sage und schreibe 1.728 Euro hoch!
Nein, für DIE LINKE im Bundestag ist und bleibt es völlig klar: Die Rente erst ab 67 muss abgeschafft werden – ohne Wenn und Aber. Jede und jeder muss wieder spätestens ab 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. Nach 40 Beitragsjahren wollen wir einen abschlagsfreien Einstieg in die Rente schaffen. Das soll bereits ab der Vollendung des 60. Lebensjahres möglich sein.
Wer echte Wahlfreiheit der Älteren will, muss endlich die Kürzungsfaktoren aus der Rentenanpassungsformel streichen und wieder zu dem »Sicherungsniveau vor Steuern« von 53 Prozent des Jahres 2001 zurückkehren, d.h. zu dem Rentenniveau, das es in Deutschland gab, bevor Gerhard Schröder (SPD), Joschka Fischer (Bündnis90/Die Grünen) und Walter Riester (SPD) es politisch gewollt absenkten.
Das Rentenpaket des Sommers 2014 hat die wesentlichen Probleme des deutschen Rentensystems, die verheerenden Zustände auf dem Arbeitsmarkt (für Ältere) und den Verfall des Sicherungsniveaus vollständig ignoriert und auch die sogenannte Flexi-Rente hatte nicht viel mehr im Sinne als das Renteneintrittsalter deutlich über die 67 hinaus zu schieben. Die FAZ titelte deshalb zu Recht: »Die Koalition macht die Rente mit 70 attraktiver«.
Zudem wurden die Bedingungen für einen vorzeitigen Rentenübergang in den vergangenen Jahren deutlich eingeschränkt statt flexibilisiert. Die Altersrente für Frauen wurde abgeschafft, die »Rente wegen Arbeitslosigkeit und Altersteilzeit« lief aus. Auch an den völlig ungerechten Abschlägen bei den Erwerbsminderungsrenten wird nicht gerüttelt. Die Renten verlieren durch das sinkende Rentenniveau im Verhältnis zu den Löhnen an Wert. Das erhöht den Druck, weiterarbeiten zu müssen. Es erhöht den Druck, Abschlägen und Kürzungen hinterher zu sparen und hinterher zu arbeiten.
Diese unsoziale Politik ignoriert komplett die Realität, denn viele Menschen schaffen es gar nicht bis zum 67. Geburtstag. Im Jahr 2015 starben 24 Prozent aller Männer und 12 Prozent aller Frauen vor ihrem 67. Geburtstag. Sie würden also im Jahr 2031, wenn die Rente erst ab 67 voll wirkt, ihre Rente gar nicht mehr erleben. Außerdem wissen wir aus einer Untersuchung des Robert-Koch-Instituts, dass Männer, die im Alter über weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügen, im Durchschnitt mit 70 Jahren sterben. Jene, deren Einkommen das 1,5 fache des Durchschnitts und mehr beträgt, leben fast elf Jahre länger. Die Lebenserwartung steigt also nicht Jahr für Jahr in biblische Regionen, sondern sie ist höchst ungleich verteilt!
Die Abschaffung der Rente erst ab 67 ist aber auch notwendig, weil es immer noch viele Berufe gibt, in denen die Beschäftigten bei ihrem durchschnittlichen Berufsaustritt deutlich jünger als 63 Jahre sind. Bauarbeiter können zum Beispiel mit 57,6 Jahren nicht mehr arbeiten und das Berufsaustrittsalter von Krankenschwestern liegt bei knapp 61 Jahren.
Forderungen, die Regelaltersgrenze immer weiter anzuheben sind vor diesem Hintergrund nichts anderes als Klassenkampf von Oben. Es ist einfach eine irrsinnige Vorstellung, dass ein Tiefbauarbeiter oder eine Krankenschwester bis 65 oder gar bis 67 und erst recht nicht bis 73 im Beruf bleiben könnten.
Fast jede*r fünfte Neurentner*in geht wegen Krankheit vorzeitig in die Erwerbsminderungsrente, und zwar zu fast 100 Prozent mit Abschlägen von im Durchschnitt 85 Euro brutto im Monat! Das durchschnittliche Zugangsalter in die krankheitsbedingten Erwerbsminderungsrenten liegt nicht bei 65 oder 60 Jahren, sondern exakt bei 51,6 Jahren und zeigt wie kaputt Arbeit immer noch macht.
Und die, die nicht krank werden? Die trifft dann oft die Erwerbslosigkeit.
Die Arbeitslosenquote bei den 60- bis 64-Jährigen liegt bei 7,5 Prozent gegenüber 6,4 Prozent bei allen Beschäftigten. Der Sockel der älteren Erwerbslosen ist zwischen 2007 und 2015 von 42.000 auf 229.000 angewachsen. Die Hälfte davon ist langzeiterwerbslos. Das heißt dann, dass ein langes und hartes Arbeitsleben oft auf den letzten Metern mit Hartz IV und all seinen Schikanen endet.
Das heißt: Viele Ältere schaffen es nicht, bis zu ihrem verdienten Ruhestand in ihrem Beruf zu bleiben, sie werden krank oder sie werden entlassen. Von ihren Chefs werden sie auf den letzten Metern allein gelassen. Der DGB Index »Gute Arbeit« ergab, dass 60 Prozent der älteren Frauen gerne ihre Arbeitszeit im Übergang zur Rente reduzieren würden. Nur jede Vierte, die sich das wünscht, hat dazu aber die Möglichkeit.
Die anderen halten durch und ruinieren sich ihre Gesundheit noch mehr.
Über diese bittere Realität der Älteren auf dem Arbeitsmarkt dürfen uns die Abend für Abend im Fernsehen präsentierten aktiven und rüstigen Älteren und Rentnerinnen und Rentner nicht hinwegtäuschen. Sicher, es gibt sie und es gibt vielleicht auch immer mehr rüstige Ältere, die im wohlverdienten Ruhestand nicht nur die Enkel in den Kindergarten bringen, eine Jugendmannschaft betreuen oder sich endlich mal dem Garten widmen, sondern die weiter einer Erwerbsarbeit nachgehen wollen. Und es können.
Aber es gibt auch die anderen Rentnerinnen und Rentner, von denen in den Reportagen seltener die Rede ist und deren Existenz von unserer Gesellschaft nur allzu oft vergessen oder verdrängt wird.
Diese Älteren gehen nicht in den wohlverdienten Ruhe- oder Unruhestand, sondern sie sehen einer unsicheren Zukunft entgegen. Im Jahr 2015 mussten 2,9 Millionen Menschen im Rentenalter unterhalb der offiziellen Armutsschwelle der EU in Höhe von 1.033 Euro netto im Monat leben, in der Mehrzahl Frauen.
Viele arbeiten deshalb über ihre persönliche Regelaltersgrenze hinaus weiter. Manche in Vollzeit, viele in Teilzeit und sehr viele in Minijobs. Sie gehen zum Beispiel putzen oder fahren Taxi, sie tragen Zeitungen aus, sie arbeiten im eigenen Handwerksbetrieb, bei ihrem bisherigen Arbeitgeber, in Bäckereien, auf dem Markt oder auf dem Bauernhof weiter. Manche, weil sie wollen, immer mehr, weil sie müssen.
Das Motiv, endlich im Ruhestand wieder aufzutanken und die Knochen zu schonen, nicht mehr arbeiten zu müssen und sich endlich um die Enkelkinder kümmern zu können, verreisen zu können oder den eigenen Garten mal so richtig umzugraben, mag vielen vermeintlichen Demografieexpert*innen ein Graus sein. Für uns LINKE wird der Ruhestand im eigentlichen Sinne des Wortes ein zivilisatorischer Fortschritt und ein Ziel bleiben, für das es sich lohnt, politisch zu kämpfen.
Wir meinen: Die immer größer werdende Zahl von älteren Langzeitarbeitslosen, von Älteren mit zunehmenden Gesundheitsproblemen, die sich trotzdem noch auf Arbeit schleppen, weil sie immer noch von ihrer aktuellen Rentenauskunft geschockt sind und die gut ausgebildete, erfahrene Krankenschwester, oder der LKW-Fahrer, die beide mit ihren kaputten Rücken einfach nicht mehr weiterarbeiten können, weil sie keine Chance hatten, weniger Stunden zu arbeiten oder auf weniger belastende Stellen zu wechseln – diese Menschen benötigen unsere Unterstützung und unsere konsequente Stimme im Parlament gegen die Rente erst ab 67 und für einen wohlverdienten und abgesicherten Ruhestand!
Matthias W. Birkwald ist rentenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE.Vor zehn Jahren – am 9. März 2007 – wurde im Bundestag das sogenannte »Altersgrenzenanpassungsgesetz« von CDU/CSU und SPD beschlossen. Anpassung klingt vernünftig, war es aber nicht, denn dahinter verbarg sich nichts anderes als die Einführung der Rente erst ab 67. Mit diesem Gesetz wurde der seit der Jahrtausendwende eingeleitete Kahlschlag der Gesetzlichen Rente vorläufig abgeschlossen. Die Kürzung des Rentenniveaus wurde für all diejenigen nochmal verschärft, die es nicht bis zu den neuen Altersgrenzen schaffen.
Konkret wurde und wird das normale Renteneintrittsalter – die Regelaltersgrenze – mit diesem Horror-Gesetz in den Jahren 2012 bis 2031 schrittweise von 65 auf 67 Jahre angehoben. Aktuell liegt sie für den Jahrgang 1952 bei 65 Jahren und sechs Monaten. Wer früher in Rente gehen muss, erleidet – wenn er bis dahin nicht 45 Beitragsjahre geschafft hat – Abschläge von am Ende bis zu 14,4 Prozent.
Die abschlagsfreie sogenannte »Rente ab 63« nach 45 Beitragsjahren ist schon seit dem vergangenen Jahr ihren Namen nicht mehr wert und nichts anderes als eine Mogelpackung! Denn schon der Jahrgang 1953 konnte erst ab 63 und zwei Monaten abschlagsfrei in Rente gehen. Jahr für Jahr steigt der abschlagsfreie Renteneintritt um zwei weitere Monate auf am Ende 65 Jahre an.
Und auch die Altersgrenze, ab der Schwerbehinderte und Erwerbsgeminderte, also kranke Frührentner*innen, eine abschlagsfreie Rente erhalten, wird schrittweise auf die Vollendung des 65. Lebensjahrs angehoben.
Das klingt kompliziert, deshalb in Euro und Cent: Für einen Bauarbeiter des Jahrgangs 1953, der wegen eines kaputten Rückens schon im Alter von 63 Jahren in Rente gehen muss und nicht 45 Jahre durchgängig gearbeitet hat, beträgt der Rentenabschlag wegen der schrittweisen Anhebung der Altersgrenze auf 67 Jahre in diesem Jahr 9,3 Prozent. Er bekommt also brutto statt 1.000 Euro Rente nur 910 Euro Rente monatlich. Jahr für Jahr wird seine Rente um mehr als 1.000 Euro gekürzt. Geht ein Bauarbeiter des Geburtsjahrganges 1964 vorzeitig ab 63 in Rente, schraubt sich die jährliche Kürzung auf sage und schreibe 1.728 Euro hoch!
Nein, für DIE LINKE im Bundestag ist und bleibt es völlig klar: Die Rente erst ab 67 muss abgeschafft werden – ohne Wenn und Aber. Jede und jeder muss wieder spätestens ab 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen dürfen. Nach 40 Beitragsjahren wollen wir einen abschlagsfreien Einstieg in die Rente schaffen. Das soll bereits ab der Vollendung des 60. Lebensjahres möglich sein.
Wer echte Wahlfreiheit der Älteren will, muss endlich die Kürzungsfaktoren aus der Rentenanpassungsformel streichen und wieder zu dem »Sicherungsniveau vor Steuern« von 53 Prozent des Jahres 2001 zurückkehren, d.h. zu dem Rentenniveau, das es in Deutschland gab, bevor Gerhard Schröder (SPD), Joschka Fischer (Bündnis90/Die Grünen) und Walter Riester (SPD) es politisch gewollt absenkten.
Das Rentenpaket des Sommers 2014 hat die wesentlichen Probleme des deutschen Rentensystems, die verheerenden Zustände auf dem Arbeitsmarkt (für Ältere) und den Verfall des Sicherungsniveaus vollständig ignoriert und auch die sogenannte Flexi-Rente hatte nicht viel mehr im Sinne als das Renteneintrittsalter deutlich über die 67 hinaus zu schieben. Die FAZ titelte deshalb zu Recht: »Die Koalition macht die Rente mit 70 attraktiver«.
Zudem wurden die Bedingungen für einen vorzeitigen Rentenübergang in den vergangenen Jahren deutlich eingeschränkt statt flexibilisiert. Die Altersrente für Frauen wurde abgeschafft, die »Rente wegen Arbeitslosigkeit und Altersteilzeit« lief aus. Auch an den völlig ungerechten Abschlägen bei den Erwerbsminderungsrenten wird nicht gerüttelt. Die Renten verlieren durch das sinkende Rentenniveau im Verhältnis zu den Löhnen an Wert. Das erhöht den Druck, weiterarbeiten zu müssen. Es erhöht den Druck, Abschlägen und Kürzungen hinterher zu sparen und hinterher zu arbeiten.
Diese unsoziale Politik ignoriert komplett die Realität, denn viele Menschen schaffen es gar nicht bis zum 67. Geburtstag. Im Jahr 2015 starben 24 Prozent aller Männer und 12 Prozent aller Frauen vor ihrem 67. Geburtstag. Sie würden also im Jahr 2031, wenn die Rente erst ab 67 voll wirkt, ihre Rente gar nicht mehr erleben. Außerdem wissen wir aus einer Untersuchung des Robert-Koch-Instituts, dass Männer, die im Alter über weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügen, im Durchschnitt mit 70 Jahren sterben. Jene, deren Einkommen das 1,5 fache des Durchschnitts und mehr beträgt, leben fast elf Jahre länger. Die Lebenserwartung steigt also nicht Jahr für Jahr in biblische Regionen, sondern sie ist höchst ungleich verteilt!
Die Abschaffung der Rente erst ab 67 ist aber auch notwendig, weil es immer noch viele Berufe gibt, in denen die Beschäftigten bei ihrem durchschnittlichen Berufsaustritt deutlich jünger als 63 Jahre sind. Bauarbeiter können zum Beispiel mit 57,6 Jahren nicht mehr arbeiten und das Berufsaustrittsalter von Krankenschwestern liegt bei knapp 61 Jahren.
Forderungen, die Regelaltersgrenze immer weiter anzuheben sind vor diesem Hintergrund nichts anderes als Klassenkampf von Oben. Es ist einfach eine irrsinnige Vorstellung, dass ein Tiefbauarbeiter oder eine Krankenschwester bis 65 oder gar bis 67 und erst recht nicht bis 73 im Beruf bleiben könnten.
Fast jede*r fünfte Neurentner*in geht wegen Krankheit vorzeitig in die Erwerbsminderungsrente, und zwar zu fast 100 Prozent mit Abschlägen von im Durchschnitt 85 Euro brutto im Monat! Das durchschnittliche Zugangsalter in die krankheitsbedingten Erwerbsminderungsrenten liegt nicht bei 65 oder 60 Jahren, sondern exakt bei 51,6 Jahren und zeigt wie kaputt Arbeit immer noch macht.
Und die, die nicht krank werden? Die trifft dann oft die Erwerbslosigkeit.
Die Arbeitslosenquote bei den 60- bis 64-Jährigen liegt bei 7,5 Prozent gegenüber 6,4 Prozent bei allen Beschäftigten. Der Sockel der älteren Erwerbslosen ist zwischen 2007 und 2015 von 42.000 auf 229.000 angewachsen. Die Hälfte davon ist langzeiterwerbslos. Das heißt dann, dass ein langes und hartes Arbeitsleben oft auf den letzten Metern mit Hartz IV und all seinen Schikanen endet.
Das heißt: Viele Ältere schaffen es nicht, bis zu ihrem verdienten Ruhestand in ihrem Beruf zu bleiben, sie werden krank oder sie werden entlassen. Von ihren Chefs werden sie auf den letzten Metern allein gelassen. Der DGB Index »Gute Arbeit« ergab, dass 60 Prozent der älteren Frauen gerne ihre Arbeitszeit im Übergang zur Rente reduzieren würden. Nur jede Vierte, die sich das wünscht, hat dazu aber die Möglichkeit.
Die anderen halten durch und ruinieren sich ihre Gesundheit noch mehr.
Über diese bittere Realität der Älteren auf dem Arbeitsmarkt dürfen uns die Abend für Abend im Fernsehen präsentierten aktiven und rüstigen Älteren und Rentnerinnen und Rentner nicht hinwegtäuschen. Sicher, es gibt sie und es gibt vielleicht auch immer mehr rüstige Ältere, die im wohlverdienten Ruhestand nicht nur die Enkel in den Kindergarten bringen, eine Jugendmannschaft betreuen oder sich endlich mal dem Garten widmen, sondern die weiter einer Erwerbsarbeit nachgehen wollen. Und es können.
Aber es gibt auch die anderen Rentnerinnen und Rentner, von denen in den Reportagen seltener die Rede ist und deren Existenz von unserer Gesellschaft nur allzu oft vergessen oder verdrängt wird.
Diese Älteren gehen nicht in den wohlverdienten Ruhe- oder Unruhestand, sondern sie sehen einer unsicheren Zukunft entgegen. Im Jahr 2015 mussten 2,9 Millionen Menschen im Rentenalter unterhalb der offiziellen Armutsschwelle der EU in Höhe von 1.033 Euro netto im Monat leben, in der Mehrzahl Frauen.
Viele arbeiten deshalb über ihre persönliche Regelaltersgrenze hinaus weiter. Manche in Vollzeit, viele in Teilzeit und sehr viele in Minijobs. Sie gehen zum Beispiel putzen oder fahren Taxi, sie tragen Zeitungen aus, sie arbeiten im eigenen Handwerksbetrieb, bei ihrem bisherigen Arbeitgeber, in Bäckereien, auf dem Markt oder auf dem Bauernhof weiter. Manche, weil sie wollen, immer mehr, weil sie müssen.
Das Motiv, endlich im Ruhestand wieder aufzutanken und die Knochen zu schonen, nicht mehr arbeiten zu müssen und sich endlich um die Enkelkinder kümmern zu können, verreisen zu können oder den eigenen Garten mal so richtig umzugraben, mag vielen vermeintlichen Demografieexpert*innen ein Graus sein. Für uns LINKE wird der Ruhestand im eigentlichen Sinne des Wortes ein zivilisatorischer Fortschritt und ein Ziel bleiben, für das es sich lohnt, politisch zu kämpfen.
Wir meinen: Die immer größer werdende Zahl von älteren Langzeitarbeitslosen, von Älteren mit zunehmenden Gesundheitsproblemen, die sich trotzdem noch auf Arbeit schleppen, weil sie immer noch von ihrer aktuellen Rentenauskunft geschockt sind und die gut ausgebildete, erfahrene Krankenschwester, oder der LKW-Fahrer, die beide mit ihren kaputten Rücken einfach nicht mehr weiterarbeiten können, weil sie keine Chance hatten, weniger Stunden zu arbeiten oder auf weniger belastende Stellen zu wechseln – diese Menschen benötigen unsere Unterstützung und unsere konsequente Stimme im Parlament gegen die Rente erst ab 67 und für einen wohlverdienten und abgesicherten Ruhestand!
Matthias W. Birkwald ist rentenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE.