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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Keine leichte Entscheidung

Ellen Brombacher, Berlin

 

Im nd vom 6. September findet sich ein ambivalenter Umgang mit NATO-Gegnern. Eine Karikatur zeigt zwei weibliche Reinigungskräfte; der Text dazu: »Der Mindestlohn ist zu niedrig, die Rente wird nicht reichen, wir finden keine bezahlbare Wohnung. – Aber ich möchte jetzt endlich wissen, was die Linkspartei zur NATO sagt.« So gibt man ein Thema der Lächerlichkeit preis. »Am feinsten lügt das Plausible«, finden wir bei Emil Gött. Es scheint einleuchtend, dass brennende soziale Probleme weitaus wichtiger sind als die Haltung der Linkspartei zur NATO. Es ist richtig: Soziale Probleme darf man niemals unterschätzen. Die Kriegsgefahr allerdings ebenso wenig. Die jW berichtete kürzlich über US-Kriegsdebatten: Der ehemalige NATO-Oberbefehlshaber, Admiral a.D. James George Stavridis, ein unter Militärs renommierter Stratege, hat im März einen Roman publiziert, in dem er einen künftigen Krieg zwischen den USA und der Volksrepublik China beschreibt. Dieser eskaliert zum Atomkrieg; bei einem US-Angriff mit Nuklearwaffen auf Shanghai kommen in dem Roman mehr als 30 Millionen Menschen ums Leben. Viele seiner Offizierskollegen hielten das Szenario, das in dem Buch beschrieben wird, für sehr realistisch, berichtet Stavridis. Nur seine zeitliche Prognose stoße auf Kritik: Viel wahrscheinlicher sei es, dass der Krieg früher beginne, höre er immer wieder – 2026, vielleicht gar schon 2024.

Mir wurde übel, als ich das las, und ich hatte meinen dreijährigen Enkel vor Augen. Nun wird meine Partei von SPD und Grünen aufgefordert, sie solle – als Voraussetzung für eine Regierungsbeteiligung im Bund – ihre friedenspolitischen Grundsätze, so die Ablehnung der NATO als aggressives Kriegsbündnis, aufgeben. Dazu sind manche Protagonisten der LINKEN bereit. Andere wollen das offenkundig nicht. Es gibt keinen Grund, zu behaupten, die Angelegenheit sei schon entschieden. Auch das jüngste Papier der Partei- und Fraktionsspitze, das »Sofortprogramm für einen Politikwechsel«, belegt solche Behauptungen nicht. Viele vernünftige, notwendige Forderungen, besonders in sozialpolitischer Hinsicht, sind darin enthalten. Darüber, was davon realisierbar wäre – abhängig vom Kräfteverhältnis – soll hier nicht spekuliert werden. Im friedenspolitischen Teil des Sofortprogramms finden sich wesentliche Schwerpunkte aus dem Wahlprogramm wieder. Andere nicht. So fehlt die Forderung nach Auflösung der NATO. Dies sei keine Aufgabe im Rahmen einer Legislaturperiode, wird kommentiert. Zugleich ist festzustellen: Ein Bekenntnis zur NATO sieht anders aus. Wir haben eine Pattsituation. Gerade in einer solchen Lage hilft nur, zu sagen, was ist.

Wer DIE LINKE wählt, riskiert, dass deren zukünftige Bundestagsabgeordnete Olaf Scholz ihre Stimme geben. Wer Scholz nicht nur nach seinen derzeitigen Wahlkampfauftritten beurteilt, sondern seine gesamte politische Laufbahn im Blick hat, dürfte keine Illusionen darüber haben, was von ihm zu erwarten ist. Wer DIE LINKE nicht wählt, riskiert, dass es im kommenden Bundestag nur noch Mainstream-Parteien gibt und sich die AfD in diesem Rahmen noch weiter heuchlerisch als die Partei der sogenannten kleinen Leute profiliert.

Keine leichte Entscheidung. Dennoch habe ich sie getroffen: Ich werde DIE LINKE wählen.

Veröffentlicht als Gastkommentar in der jungen Welt vom 08.09.2021

 

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