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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Kein Unrecht: Enteignung der Kriegs- und Naziverbrecher

Horst Schneider

Horst Schneider, Was des Volkes Hände schaffen, soll des Volkes eigen sein. Der Volksentscheid über die Enteignung der Kriegs- und Naziverbrecher am 30. Juni 1946 in Sachsen. Erschienen im April 2016 bei Edition Freiberg, Dresden. ISBN: 9987-3-943377-53-8, 94 Seiten, 8 Euro.

Am 30. Juni 1946 stimmten in einem Volksentscheid 77,62 Prozent der abstimmenden Sachsen der Enteignung der Kriegs- und Naziverbrecher zu. In Hessen fand am 1. Dezember 1946 ein Volksentscheid über die Verfassung und gesondert über den Artikel 47 statt, der die Bildung von Gemeineigentum vorsah. In Berlin fasste die Stadtverordnetenversammlung Anfang 1947 ähnliche Beschlüsse. [...]

Der Volksentscheid in Sachsen stand zweifellos in Übereinstimmung mit den Potsdamer Vereinbarungen der Siegermächte vom 2. August 1945. Dieses Abkommen vom 2. August 1945 nennt als Ziel der Besetzung Deutschlands u. a. die »völlige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands und die Ausschaltung der gesamten deutschen Industrie, welche für die Kriegsproduktion benutzt werden kann«. In diesem Zusammenhang heißt es auch, dass alle »militärischen und halbmilitärischen Organisationen zusammen mit ihren Vereinen und Unterorganisationen, die den Interessen der Erhaltung der militärischen Traditionen dienen, völlig und endgültig aufgelöst (werden), um damit für immer der Wiedergeburt oder Wiederaufrichtung des deutschen Militarismus und Nazismus vorzubeugen«.

Weiter wird festgestellt: »... Der Unterhaltung und Herstellung aller Flugzeuge und aller Waffen, Ausrüstung und Kriegsgeräte wird vorgebeugt werden ...«. Und: »... In praktisch kürzester Frist ist das deutsche Wirtschaftsleben zu dezentralisieren mit dem Ziel der Vernichtung der bestehenden übermäßigen Konzentration der Wirtschaftskraft, dargestellt insbesondere durch Kartelle, Syndikate, Trusts und andere Monopolvereinigungen ...«

Weitere Punkte sind: Verhaftung aller Kriegsverbrecher und führenden Nazis, Abschaffung der Gesetze, die Grundlagen des Hitlerregimes gewesen waren, Reorganisation des Gerichtswesens und Ausschaltung aller aktiven Nazis aus verantwortlichen Posten nicht nur im Staat, sondern auch in der Privatwirtschaft.

Mitte Oktober 1945 veröffentlichte ein USA-Senatsausschuss (Kilgore-Ausschuss), der sich mit den Nazikriegsverbrechen befasste, die Namen von 42 Großindustriellen, die der Kriegsverbrechen beschuldigt wurden, unter ihnen Friedrich Flick, Alfred Krupp, Alfred Hugenberg, Robert Pferdmenges und Fritz Thyssen.

Vergleichen wir (nicht durch die Brille von DDR-Hassern) diese Feststellungen, auch der USA- und britischen Politiker, mit der Begründung des sächsischen Innenministers Kurt Fischer für den Volksentscheid:

»Die Abstrafung, die das gesamte Volk im Volksentscheid vornimmt, entzieht den Kriegsverbrechern jede materielle Grundlage, ihre Betriebe, und gibt sie in den Besitz des Volkes, damit diese Betriebe nie wieder zur Vorbereitung eines neuen Völkermordens ausgenutzt werden können.«

Musste den Alliierten denn nicht daran gelegen sein, dass ihre Auflagen für die deutsche Politik auch von einem Teil des deutschen Volkes – im wohlverstandenen Interesse – zur Sache des eigenen demokratischen Willens gemacht werden? Schließlich muss ein seriöser Politiker und Historiker noch berücksichtigen, dass die Alliierten selbst in den Nürnberger Prozessen dem Willen der Völker entsprechend ein Beispiel für die Bestrafung führender Nazis und Kriegsverbrecher gaben.

Zu den Angeklagten gehörten auch Krupp und Flick und ihre Mitarbeiter. [...]

Schließlich muss daran erinnert werden, dass die Militärregierung der USA Dokumentationen vorlegte, die beweisen, wie die Deutsche Bank, die IG Farben und andere Konzerne und Banken an den Raubzügen Hitlers, an der Arisierung, an Arbeitssklaven, sogar an Toten und Ermordeten profitierten.

Die USA-Militärregierung folgerte für die Deutsche Bank:

»Es wird empfohlen, dass:

  1. die Deutsche Bank liquidiert wird;
  2. die verantwortlichen Mitarbeiter der Deutschen Bank angeklagt und als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden;
  3. die leitenden Mitarbeiter der Deutschen Bank von der Übernahme wichtiger oder verantwortlicher Positionen im wirtschaftlichen und politischen Leben Deutschlands ausgeschlossen werden ...«

Und weiter: »... Die Untersuchung der Deutschen Bank hat ergeben, dass sie eine ungewöhnliche Konzentration wirtschaftlicher Macht darstellte und an der Durchführung der verbrecherischen Politik des Naziregimes auf wirtschaftlichem Gebiet teilgenommen hat ...« [...]

Mit Rüstung nichts zu tun?

Manche der Enteignungen scheinen auf den ersten Blick »überzogene« Sühnemaßnahmen gewesen zu sein, so z.B. im Falle der Teekanne GmbH, die ja mit Rüstung scheinbar nichts zu tun gehabt hatte. Was aber zeigen die Tatsachen?

Auch die Inhaber der Teekanne GmbH (und der R. Seelig & Hille Maschinengesellschaft Dresden), J. Nissle & R. Anders, waren beide aktive Nazis. Nissle war seit 1934 SA-Mann, gehörte dem sogenannten Opferring an und wurde später Mitglied der Nazipartei. Als »Förderer der SA-Standarte 100« erhielt er eine Ehrenplakette. Von seinen zahlreichen Verbrechen sei hier nur das der Auslieferung der französischen Arbeiterin Mireille Hulot an die Gestapo erwähnt. Die ausländischen Zwangsarbeiter behandelte Nissle menschenunwürdig. Bei den geringsten Vorkommnissen belegte er sie mit Geldstrafen und drohte ständig mit der Gestapo und dem KZ. Eine tschechische Arbeiterin, die eine Stunde und 10 Minuten zu spät zur Arbeit erschienen war, belegte Nissle mit 15,60 Mark Strafe. Als Geschäftsführer der Teekanne GmbH, die als Wehrwirtschaftsbetrieb anerkannt war, beteiligte sich Nissle am Kriegsgeschäft und erzielte große Profite.

Anders war bereits 1931 in die Hitlerpartei eingetreten. Als Geschäftsführer der Maschinengesellschaft bediente er sich ebenfalls der »Geldstrafen« gegenüber ausländischen Zwangsarbeitern. Anders spielte nach seinen eigenen Worten in der Kriegsproduktion der Maschinengesellschaft die führende Rolle. »Herr Rolf Anders ist alleinverantwortlicher Betriebsführer unserer Firma, die zu 95 - 100 % mit Wehrmachtsaufträgen der Sonderstufe SS beschäftigt ist und aus diesem Grunde zum Spezialbetrieb erklärt worden ist.« In der Maschinengesellschaft stieg die Kriegsproduktion auf das Neunfache. Die Anders und Nissle waren auch Einpeitscher kolonialistischer Eroberungen. Sie forderten afrikanische Teeplantagen. In einem Brief an ihren Gewährsmann in Berlin schrieben sie:

»Wir müssen uns naturgemäß heute bereits mit dem Gedanken beschäftigen, was wir für Schritte nach einer Beendigung des Krieges, die wohl hoffentlich in nicht allzu weiter Ferne liegt, zu unternehmen gedenken. Es besteht wohl kein Zweifel darüber, dass wir Kolonien und zwar sicherlich den größten Teil unserer alten und ein gutes Stück neuer Kolonien erhalten werden. Besonders sind wir ja an Ostafrika interessiert. In Ostafrika bzw. dem jetzt noch englischen Mandatsgebiet Tanganjika sind bereits zahlreiche gute Teeplantagen vorhanden, die einen recht brauchbaren Tee produzieren. So weiß ich z.B., dass die Firma Lyons-Tee-Plantagen Besitzungen in Ostafrika hat. Unsere Gedanken gehen nun dahin, dass bei Beendigung des Krieges diese Werte den Engländern seitens unserer Regierung abgenommen werden und die Plantagen interessierten einschlägigen Fachkreisen vom Reich zum Kauf angeboten werden.«

In einem Brief an das Kolonialpolitische Amt der Nazipartei meldeten die Teekanne-Herren dann ihre kolonialistischen Forderungen offiziell an, da sie Sorge hatten, bei der Aufteilung Afrikas zu spät zu kommen.

Diese unwiderlegbaren Tatsachen sind nur ein geringer Teil der Verbrechen monopolkapitalistischer Kreise und anderer Kriegsverbrecher und aktiver Nazis.

Diejenigen, die die Enteignung der Kriegs- und Naziverbrecher als »Unrecht«, »Sowjetisierung« und »Stalinisierung« der Ostzone verunglimpfen, geraten nicht nur in Konflikt mit dem Völkerrecht, den Lehren deutscher Geschichte und den Parteiprogrammen von SPD und CDU, sondern auch mit Entscheidungen in westeuropäischen Ländern.

(Auszug S. 25-30.)