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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Jetzt keinen Frieden zu wollen, führt uns alle an den Abgrund

Jürgen Vogelsang, Chemnitz

 

Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer hatten mit ihrem Manifest für Frieden auch zu einer Friedensdemo am 25. Februar 2023 in Berlin aufgerufen. Das Manifest für Frieden ist einzigartig in der jüngsten deutschen Geschichte. Es ist zustande gekommen unter dem Eindruck des anhaltenden Sterbens in der Ukraine.

Es war absolut notwendig angesichts der steigenden Gefahr einer Ausweitung des Krieges auf ganz Europa und der Gefahr eines 3. Weltkrieges, unter Einsatz von Atomwaffen. Die Menschheit würde das nicht überleben! Entsprechend groß ist auch die Resonanz des Auf­rufs im Internet. Ihn haben heute, am 29. Februar 2023, schon 700.000 Unterstützer unterschrieben.

Hiermit möchte ich den beiden mutigen Frauen danken, dafür, dass sie mit diesem Mani­fest sehr viele Menschen in Deutschland ermutigt haben, sich für Frieden einzusetzen. Diese Aktion hat die verunsicherte, zersplitterte Friedensbewegung in Deutschland wieder ein Stück geeint. Auch dieses Manifest ist ein Kompromiss und ich habe mir nach dem Lesen der ersten zwei Abschnitte die Frage gestellt, kannst du das unterschreiben oder nicht. Man muss nicht mit allem einverstanden sein, aber es ist der Anfang zu einem möglichen Weg, den Krieg um die Ukraine zu beenden.

Wir sind hier weit weg vom Geschehen in der Ukraine, leben in scheinbarem Frieden. In der Ukraine wird gestorben! Jeden Tag vielleicht 1.000 Menschen, Ukrainer und Russen, Militärs und Zivilisten. Die Ukraine als Land entvölkert, völlig zerstört, Millionen auf der Flucht. Den Menschen der Ukraine muss geholfen werden, aber nicht indem wir Waffen liefern. Der Krieg muss ein Ende haben, und das geht nur am Verhandlungstisch. Das war der Grundtenor des Aufrufs, am 25. Februar nach Berlin zu kommen.

Und die Menschen kamen. Früh, gegen 7:30 Uhr trafen sich am Hauptbahnhof etwa 35 Leute aus Chemnitz und Umgebung. Zwar bei recht schlechtem Wetter, aber trotzdem guter Laune ging es wegen der Tickets in 5er-Gruppen nach Berlin. Einige der Leute hatten Plakate mit gegen den Krieg und seine Ursachen, die nach meiner Ansicht dem Agieren von USA und NATO eher zuzuordnen sind als zu Russland. Es gab aber keinerlei National­flaggen zu sehen und es gab auch keine Zwischenfälle.

Die Berlin-Fahrer waren sicher auch verschiedener Meinung zu manchen Dingen, aber alle waren froh, dass jemand es geschafft hatte, so viele Menschen unter der Friedenstaube zu vereinen. Nur die LINKE hat das nicht geschafft, ihre Leute nach Berlin zu mobilisieren. Es war von der Parteiführung in Berlin schlicht nicht gewollt. Man hielt sich fein im Hinter­grund und versteckte sich hinter der Tatsache, dass man im Parteivorstand ja darüber be­schlossen habe, die Mitglieder nicht aufzurufen zu dieser Friedensdemo zu gehen. Die Kommunistische Plattform in der LINKEN hat natürlich den Aufruf und die Demo unterstützt und ich schämte mich für die völlig programmwidrige Handlung meiner Parteispitze.

Unter den Leuten aus Chemnitz sah ich etliche, die nicht Mitglied der LINKEN waren, und auch welche, die der LINKEN schon lange den Rücken gekehrt haben. Es gab Menschen, die ich aus der Friedensbewegung kannte, auch aus anderen linken Parteien und Alle waren sich einig: Es ist wichtig, nach Berlin zu fahren, ein Zeichen zu setzen, dass wir Frie­den wollen, und der Diplomatie zur Beendigung des Krieges eine breite Basis geben wol­len. Was wir unterwegs nicht sahen, waren Nazis, die offen ihre Weltanschauung nach außen trugen. Sicher waren auch welche da. Auch die sind sterblich, falls ein Atomkrieg die Welt bedroht, egal, wer ihn auslöst. So ist die aktuelle Lage, und wenn ein Krieg erst so weit eskaliert ist, fragt niemand mehr, ob man NATO-Versteher ist oder Russland-Freund, dann ist man tot – wenn man Glück hat, erst 6 Wochen später.

Dafür, dass es nicht erst so weit kommt, waren wir in Berlin. Und wir waren nicht nur 16.000, wie Presse oder Polizei verlautbarten – wir waren am Beginn der Demo vor dem Brandenburger Tor 60.000 und es kamen immer mehr. Von einem Ordner erfuhr ich, dass das Ende der Demo in Richtung Siegessäule bis zu dem sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten reichte. Später machte ich eine kurze Überschlagsrechnung unter Zugrunde­legung der Straßenbreite und dieser Länge bis zum Ehrenmal sowie einer Zahl von 3 Perso­nen pro Quadratmeter und kam auf eine Anzahl von etwa 65.000.

Ein paar Meter vor mir hatte jemand ein Schild, auf dem stand: »Ich weiß schon jetzt, was die Medien morgen berichten werden.« Auf meinem Schild stand auf einer Seite: »Wer den Teich trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen und Frieden geht nur gegen USA und NATO.« Dazu stand noch: »Ami go home and take away your military bullshit«. Andere Schilder trugen die Aufschrift: »Stell dir vor, es ist Krieg und keiner liefert Waffen«.

Wir standen eng gedrängt etwa 50 Meter vor der Tribüne, konnten zwar alle Beiträge gut hören, aber weniger sehen. Das Ende der Demo zu sehen war nicht möglich. Alle Redebei­träge hatten nur ein Ziel, die Menschen auf dem Platz zu ermuntern, gegen Waffenlieferun­gen aufzutreten und mit Diplomatie zu Frieden zu gelangen. Sehr interessant fand ich den Beitrag des Brigadegenerals a.D. Erich Vad, der die militärische Unsinnigkeit und damit auch Unwissenheit und Verantwortungslosigkeit unserer Politiker an der Spitze unserer Regierung ins rechte Licht rückte.

Dinge dieser Art waren es, die ich gedanklich mit nach Hause nahm und nicht irgendwel­che Einflüsterungen von AfD-Leuten und Neonazis. Zu Beginn hatte man die Auflagen seitens der Behörde bekanntgegeben, den Verzicht auf Nationalflaggen, auch der der Sowjetunion, keine Russlandfahnen aber auch keine Ukrainefahnen sowie nazistische und rassistische Symbole waren erlaubt. Das Einzige, was ich sah, waren zwei schwarze Fahnen mit der Aufschrift »Freie Jugend«, aber auch die gab es nicht lange und auch ein einsamer Rufer mit seinem Megafon konnte sich nicht allzu lange betätigen.

Ich finde es beschämend, dass der Bundesvorstand der LINKEN sich nicht einigen konnte, überhaupt und rechtzeitig zu dieser Friedensdemo aufzurufen. Viele Genossen von der Par­teibasis waren vor Ort und ich hoffe, dass sie das Signal dieses Aufbruchs für einen Frie­den mitgenommen haben und auch anderen Genossen Mut machen, sich für Frieden ein­zusetzen. Die LINKE muss aufhören, der AfD und anderen das Feld und die eigenen Argu­mente zu überlassen. Was wir nicht an Richtigem tun, nutzen AfD und Rechte gegen uns. Wenn wir nicht unsere Überzeugung nach außen tragen, gewinnen wir auch nicht wieder das Vertrauen unserer Wähler.

Die verantwortungslose deutsche Regierung verstößt mit ihren Waffenlieferungen gegen das Grundgesetz, gegen das darin verankerte Friedensgebot. Die militärische Unterstüt­zung der Ukraine mit immer mehr und schwereren Waffen lässt uns immer mehr zum Kriegsbeteiligten werden. Die Ukraine ist kein NATO-Mitglied und noch haben wir keinen diesbezüglichen Bündnisfall, kommen diesem aber immer näher.

Es gilt jetzt, einen offenen Krieg zwischen der NATO und Russland zu verhindern. Jetzt zu versuchen, Vernunft und Diplomatie eine Chance zu geben, ist nicht der Wille unserer Regierung und leider auch nicht von Teilen der LINKEN, die in traumtänzerischer Weise in Waffenlieferungen eine Hilfe für die Ukraine sehen. Jetzt keinen Frieden zu wollen, führt uns alle an den Abgrund.

Zwar mit solchen Gedanken, aber gestärkt ob der gewaltigen Demonstration des Friedens­willens, nicht nur von den 60.000 Menschen auf dem Platz, sondern der großen Mehrheit der Menschen in Deutschland, fuhren wir anschließend nach Hause. Jeder, der mit in Berlin war, sollte jetzt aktiv werden, dass endlich Frieden wird. Scholz redet von Zeitenwende, lasst sie uns gestalten mit Frieden und Diplomatie und nicht mit Waffen.

Jürgen Vogelsang ist Mitglied des Landessprecherrates der KPF Sachsen.