Ich seh ihn so
Armin Stolper, Berlin
Als Strittmatter 70 wurde - also im Jahr 1982 -, schrieb ich ihm einen Glückwunsch, der ihm und seiner Frau Eva sehr gefiel:
Großvater-Narr, Pferdezüchter,
Familienvater, Sprüchedichter,
Komödienschreiber, Bienkopp-Erfinder,
Meisterfaun, Buchmacher für Kinder,
Seine eigenen, Stückzahl mir unbekannt,
Für viele und nicht nur hierzuland;
Brechtfreund, Bauer, Eulenspiegel.
Hantiert mit Feder, Sense und Striegel,
Geschichtenerzähler, Wundertäter,
Bewunderer literarischer Väter,
Tolstoi-Anhänger, dennoch Genosse,
Feind der Heuchler und Gernegroße,
Lausitzer Junge, heimatverbunden,
Keine Heimstatt in der Großstadt gefunden.
Wahrheit gesucht und aufgedeckt,
Hiebe verteilt und eingesteckt,
Bäume gepflanzt, Brücken geschlagen,
Fährt im Automobil, lieber mitm Pferdewagen,
Trinkt mäßig, liebt stark, Nichtraucher geworden,
(Man stirbt auch, ohne sich selber zu morden.)
Kämpft gegen das Übel, das jeden befällt,
Ist man das siebte Jahrzehnt in der Welt,
Lacht gern, hört zu, erzählt uns sein Leben,
Ein Dichter, ein Mensch, ein Arbeiter eben.
Manchmal, wenn's nötig ist, will ich ihm schreiben,
Ich denke an ihn und lass es bleiben.
Nachtrag 2012:
Nun kann man neuerdings in den Gazetten lesen,
Wie er, der Erwin, ist wirklich gewesen:
Erst SS-Verbrecher, dann Stasizuträger,
Ein Weiberbetrüger und Kinderschläger,
Unbeherrscht, jähzornig, ein Sack voller Lügen,
Anstifter auch von gemeinen Intrigen,
Ein Mauerbejubler, nationalpreisgeschmückt,
Handzettelverteiler, von Funktionären beglückt,
Und seine Sünden, so schwer sie wiegen,
Hat er uns geflissentlich alle verschwiegen.
Nun wird er 100, der Vagabund,
Gratuliere! Und, liebe Leut, ich sags euch genau:
Der Drommer, der über ihn schrieb, ist ein kluger Hund,
Und der Liersch, entschuldigt, eine blöde Sau.
Und um, wie zum Vierteljahrhundert die DDR zu beglücken,
Brächt ich, könnt ich's, wieder ein Stück aus vielerlei Stücken.
Den Kramkalender von ihm, dem literarischen Vater,
Auf die Bühne wie damals im Deutschen Theater!
Und all die Lebenden und leider schon Toten,
Die Mimen aller Couleur, besonders die Roten,
Sie wären, läutete Tommy zur Probe die Schelle,
Bei Schönemann, unserm Regieboß, wieder zur Stelle.
Denn wir bleiben, ob in guten oder bösen Stunden,
Die Truppe von damals, dem Dichter verbunden.
Und geben Leute wie Liersch auch keine Ruh,
Sag ich wie Kaschpar: Leck Arsch mir du!