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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Heinrich Fink wird 75

Thomas Hecker, Berlin

 

Die ersten, die ich am 14. Februar, am Tag nach den erfolgreichen Blockadeaktionen in Dresden, angerufen hatte, um meine Freude zu teilen, waren Ilsegret und Heinrich Fink.

Heinrich Fink, Vorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), hatte sich bereits im Vorfeld, auf der Solidaritätsdemonstration am 19. Januar in Berlin, gegen die Kriminalisierung des antifaschistischen Engagements gewandt (siehe Kasten). In Dresden harrten am 13. Februar zwölftausend Menschen an den Blockadepunkten auf der Straße aus und verhinderten so, daß die Nazis ihren von den Gerichten gestatteten Aufmarsch durchführen konnten. Fünfzehntausend Menschen hatten sich auf Initiative der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) versammelt und eine Menschenkette in der Altstadt gebildet. Dazu äußerte Heinrich Fink, ohne den beteiligten Bürgern zu nahe treten zu wollen, müsse festgehalten werden, daß Symbolpolitik nicht ausreiche, einen Aufmarsch gewalttätiger Neofaschisten zu stoppen. Er forderte die aus CDU und FDP bestehende sächsische Landesregierung zudem auf, die im vergangenen Monat vorgenommenen Verschärfungen des Versammlungsrechts umgehend rückgängig zu machen. "Die erfolgreichen Blockaden haben eindrucksvoll bewiesen, daß wir uns im Kampf gegen alte und neue Nazis nur auf uns selbst und schon gar nicht auf eine Landesregierung oder Polizei und Justiz verlassen können."

Heinrich Fink wird am 31. März 2010 fünfundsiebzig. In Bessarabien am Schwarzen Meer geboren, 1942 im Zuge der faschistischen Umsiedlungspolitik mit seinen Eltern ins deutsch besetzte Poznań verschlagen, wurde er bereits als Kind in der Nachbarschaft des Ghettos von Łódz mit der Deportation der Juden konfrontiert. "Diese komplexen Kindheitsmuster gehörten für mich zum Deutschsein: Volksdeutsche in Bessarabien waren die Herren der Russen, nach unserer Aussiedlung hatten wir nur Volksdeutschen den Reichsdeutschen zu gehorchen. In Polen angesiedelt, wurden wir Volksdeutsche wieder zu Herren über die ‚Polacken’ gemacht.

Nach der Flucht, angekommen im ‚Reich’, hießen wir Flüchtlinge, und meine Eltern wurden Knecht und Magd bei brandenburgischen Bauern und wurden auch so behandelt." [Dieses und weitere Zitate von Heinrich Fink sind entnommen aus: Bernhard Maleck: Heinrich Fink, "Sich der Verantwortung stellen", Dietz Verlag Berlin, 1992. ISBN 978-3320017897] Nie hat Heinrich Fink aus dieser Hackordnung, mit der er aufwuchs, eine Lebensphilosophie für sich gemacht. Im Gegenteil: Stets hat ihn sein soziales Gewissen als linker Christ geleitet. Von 1954 bis 1960 studierte er evangelische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität und arbeitete ab 1958 im Weißenseer Arbeitskreis mit. In den Jahren 1966 bzw. 1978 legte Fink an der HU in Berlin seine A- und B-Promotion mit Arbeiten über Friedrich Schleiermacher bzw. Karl Barth und das Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD) in der Schweiz ab. Von 1979 bis zu seiner Entlassung 1992 war er Professor für Praktische Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin, deren Rektor er von 1990 bis 1992 war. Zwischen 1978 und 1990 war er Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Region Ost). Gesellschaftlich engagierte er sich ab 1961 in der Christlichen Friedenskonferenz, deren DDR-Regionalausschuß-Vorsitzender er zeitweise war. 1992 war Heinrich Fink Mitbegründer des Komitees für Gerechtigkeit. Er ist Vorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten. Von 1998 bis 2001 war er für die PDS Mitglied des Deutschen Bundestages [Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Fink].

Bereits anhand dieser biographischen Daten läßt sich die Kontinuität des antifaschistischen Engagements von Heinrich Fink ablesen. Was man allerdings unter Wikipedia nicht findet, ist sein aktiver Widerstand gegen die "Abwicklung" der Humboldt-Universität, mit dem er sich einerseits einen Platz im Herzen tausender ehemaliger Studentinnen und Studenten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Humboldt-Universität erwarb, andererseits den Zorn der Herrschenden zuzog. Kennengelernt hatte ich Heinrich Fink als Moderator des Runden Tisches (13. Dezember 1989 bis 3. März 1990) und späteren Rektor der Humboldt-Universität (ab 4. Mai 1990). Über diese Zeit sagte er im Mai 1992: "Ich war ja, als es um die Wahl des Rektors in der Wende von 1989 zu 1990 ging, einer von elf Kandidaten. Studenten hatten mich aufgefordert zu kandidieren. […] Ich habe um der Studenten willen kandiert und alle Entscheidungen auch mit Studenten beraten. […] Ich habe mich mit den Studenten dafür eingesetzt, daß eine gewisse studentische Unabhängigkeit, die sie in der DDR hatten, nämlich das elternunabhängige Stipendium, für alle Studierenden erhalten bleibt. Ich war damals davon überzeugt, daß man diese positive Entwicklung aus der DDR übernehmen könnte." Heinrich Fink unterstützte die Aktionen der Studenten, beginnend mit der Demonstration am 7. Juni 1990 vor der Volkskammer, und wurde mit ihnen gemeinsam als Störenfried behandelt, mit Strafe wegen Mißachtung der Bannmeile bedroht. Im November 1991, in zeitlicher Nähe zur bevorstehenden Rektorwahl, waren Auskünfte der Gauck-Behörde schließlich der willkommene Anlaß, einen unbequemen Rektor loszuwerden. "Einen schlechteren Rektor als Heinrich Fink hat die Humboldt-Universtität nicht verdient. Einen besseren wird sie nicht finden", so formulierten wir damals in einem Flugblatt.

Zum Ende der DDR befragt, antwortete Heinrich Fink im Jahr 1992: "Ich hätte nie gedacht, daß der Sozialismus so kampflos sich aufgeben würde, also scheitert. Aber ich bin trotzdem überzeugt, daß die Hoffnung, die die aus westlichem und östlichem Exil heimkehrenden Antifaschisten auf machbaren Sozialismus setzten, einlösbar bleibt. […] Die sozialistische Utopie, daß eine Weltwirtschaftsordnung zu erstellen ist, die Aufrüstung und Kriege nicht mehr als Markt braucht, wird den Kindern als Aufgabe bleiben!"

 

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