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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Hanns Eisler

Gina Pietsch, Berlin

 

Eine Würdigung anlässlich seines 60. Todestages am 6. September 2022

 

Bis jetzt bin ich besiegt worden ...

… sagt Hanns Eisler in einem der langen Gespräche mit Hans Bunge über die Dummheit in der Musik. Er führte gegen diese einen lebenslangen Kampf und hört nach diesem Satz – vier Jahre vor seinem Tod – auch nicht auf, den Kampf weiterhin für notwendig zu halten. Was er darunter versteht, ist das erste Mal nachzulesen 1958 in der Zeitschrift Sinn und Form, in zusammengefassten Bunge-Eisler-Gesprächen. Was er meint mit »Dummheit in der Musik« sei hier zusammengefasst im Kürzel – eine Musik, die in ihrer Form und ihrem Inhalt hinter den tatsächlichen Verhältnissen zurückbleibt, und, um mit seinen Worten zu sprechen, daß moderne Methoden in der Musik mißbraucht werden für Dummheit und damit zur Verschmutzung der Gefühle. Er erklärt das an anderer Stelle so: völlig uninteressant, ob ein Herr im Frack die 9. von Beethoven so oder so dirigiert. Aber entscheidend ist, wie sechsjährige Kinder in Thale oder Thüringen, in den kleinen Dörfern, den LPGn musikalisch erzogen werden.Klar also,dass er als Publikum die Unteren im Auge hatte, die aus der Arbeiterklasse und die, die sich ihr nahe fühlten.

Letzteres hat dann 1947 in Eislers Exilland USA auch der leitende Ermittler beim Aus­schuss zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit, Robert Stripling, erkannt, der die209 Seiten Dokumente über Hanns Eisler damit begründet, dass Mr. Eisler der Karl Marx des Kommunismus auf musikalischem Gebiet ist. Verständlich die Antwort des Komponis­ten:Sie schmeicheln mir.

Wo kommt das her, dass er so denkt, lebt und arbeitet als Komponist, als Lehrer, als Musik- und Kulturtheoretiker? Sein Freund und Kollege Paul Dessau sagt das neidvoll so: Überlegen Sie auch mal seine Herkunft, sein Vater war Philosoph, seine Mutter war eine Arbeiterin. Welch großartige Kombination. Man kann auch sagen, er muss nicht zusätzlich politisiert werden, es ergab sich.

Am 6. Juli 1898 wird er in Leipzig als drittes Kind des tschechisch-jüdischen Philosophie­professors Dr. Rudolf Eisler geboren, der wiederum aus begüterter Tuchhändlerfamilie stammt. Die jüdischen Wurzeln sind bis zu Rabbi Löw hin zurückzuverfolgen. Die Mutter Ida Maria (geb. Fischer) stammte aus einer schwäbischen Bauernfamilie. Nach Hanns Eis­lers Erzählung kam sein Vater nach Leipzig, machte dort seinen Doktor, verliebte sich in eine hübsche Arbeitertochter, die auf der Leipziger Messe heiße Würstchen verkaufte, und die er gegen den enormen Protest seiner Familie heiratete. Da die Familie 1901 nach Wien übersiedelte, geht der Junge dort zur Volksschule und ins Gymnasium. Dort wird ihm der »Sprechclub sozialistischer Mittelschüler« wichtig, und sehr gegensätzlich dazu der Batail­lonskommandeur im ungarischen Infanterieregiment, bei dem er sich 1916 zum Militär­dienst meldet. Der nämlich macht ihm von Anfang an klar: Du stinkender Sozialist, wenn du deinen stinkenden Sozialismus meinen Jungens propagieren willst, werde ich dich erschie­ßen.

Anfang 1919 eingeschrieben am Neuen Wiener Konservatorium, merkt er aber bald, dass er Kontrapunkt besser bei Arnold Schönberg lernen konnte. Der nahm ihn als Privatschüler an, ohne Honorar von ihm zu verlangen. Eisler wurde bald sein Lieblingsschüler, sein Kom­munismus wurde ihm als Jugendtorheit vergeben und Schönberg von Eisler wiederum trotz großer ideologischer Differenz hoch verehrt. Schönberg vermittelte ihm die Stelle als Notenkorrektor beim Wiener Musikverlag Universal-Edition. Die Arbeit mit Wiener Arbeiter-Chören besserte seine geringen Finanzen auf und gaben ihm Kenntnis von der Notwendig­keit der Erneuerung des Repertoires der Arbeitersängerbewegung. So kann es wohl auch nicht ausbleiben, dass Eislers Verbindung zu seinem hoch verehrten Lehrer Arnold Schön­berg dann doch abreißt. Aber nie wird Eislers Dankbarkeit seinem Lehrer gegenüber enden, und er kann trotz gehörig kritischer Sicht auf dessen Leben und Kunst ehrlichen Herzens im Brief versichern: Wenn etwas Brauchbares aus mir werden wird, habe ich das nur Ihnen zu verdanken. Und tatsächlich zählen da nicht nur der unentgeltliche Privatunter­richt bei Schönberg, sondern die enormen Starthilfen in den Beruf ...

»... in dieser verdammt interessanten Zeit.«

So zieht es ihn denn 1926 nach Berlin, und zur oppositionellen »Novembergruppe«, in die er eintritt. Nach zwei, nach Schönberg klingenden, aber mit neuen Inhalten besetzten Kom­positionen, gibt es nun die ersten Lieder, die Kampfmusik genannt werden können, dank auch der glücklichen Verbindung zu Weinert, Weber, Piscator und zu seinem Interpreten Ernst Busch und seinem Dichter Bertolt Brecht. Durch die an intellektueller und politischer Höhe in der Kunstgeschichte selten großartige Zusammenarbeit des Teams Brecht/Eisler entstehen nun, mit beider Stücke »Die Maßnahme« und »Die Mutter« begonnen, eine illust­re Zahl an Meisterwerken für Bühne, Podium, Straße und Film, alles aufgenommen mit großer Resonanz bei denen, für die es gedacht war, und hilfreich auch dann noch, als 1933 die Nazis das Ende der Kampfmusikperiode erzwangen und die Elite der deutschen Kultur vertrieben oder in KZs auslöschten.

In den finsteren Zeiten …,

die nun beginnen, hört die Arbeit für Eisler glücklicherweise nicht auf. »Unter dem däni­schen Strohdach«, bei Brecht werden »Die Rundköpfe und die Spitzköpfe« fertig, das Stück mit der Sammlung der vielleicht großartigsten Lieder aus Eislers Feder, wie der »Ballade vom Wasserrad« oder dem »Lied von der belebenden Wirkung des Geldes«.

Das Jahr 1935 führt ihn durch fünf Länder, 1936 dann nach Spanien. Die »Hanns Eisler Tour« in den USA erreicht 60.000 Zuhörer mit 8.000 Sängern. Die Amis sprechen von der »Red Decade«.

Weiter aber immer wieder Traurigkeiten, in der Sowjetunion 1937, hervorgerufen durch die »Expressionismus-Debatte« gegen ihn, Brecht, und Freunde. Lukács, dessen Bedeutung darin besteht, dass er von Moskau aus schreibt, wie Brecht ihn karikiert, und Kurella schwingen sich auf zu infamen Sätzen wie diesem: Genau der Geist, der den Expressionis­mus hervorgebracht habe, habe auch in den Faschismus geführt. 1938dann in den USAdie Verweigerung des Nonquota Visums, trotz Lehrauftrag an der New Yorker New Scool of Social Research. Der progressive mexikanische Präsident Lázaro Cardenas aber erklärt, er werde wie andere Opfer des Faschismus auch Eisler »mit offenen Armen« aufnehmen. Das bringt einen Lehrauftrag am Konservatorium von Mexiko City mit sich und weitere Hilfen hinsichtlich eines endgültigen Nonquota Visum für Amerika. Der Hitler-Stalin-Pakt im Au­gust 39 löst Depressionen aus, aber sie werden abgefangen durch Arbeit am Film und neu­er Zusammenarbeit mit Brecht, der 1941 nach seiner Odyssee durch mehrere Länder nun auch in die USA einreisen durfte. Bis zum oben schon genannten Verhör über unamerikani­sche Tätigkeit, das mit 3-jähriger Überwachung durch das FBI vorbereitet war und das der spätere Präsident Richard Nixon den wichtigsten Fall nannte, der je vor den Ausschuss gekommen ist, war Eislers Zeit ausgefüllt mit praktischer und theoretischer Filmarbeit und einer großen Zahl von Liedern für die Bühne, Kammermusiken und Orchesterwerken, die großartige »Deutsche Sinfonie«, geschrieben von 1930 bis 58, und, wie fast alles seit 1933, für spätere Zeiten. Diese beginnen, trotz enormer Solidaritätsaktionen, organisiert von Chaplin, Bernstein und vielen anderen namhaften Künstlern, mit seiner Ausweisung aus dem großen Land der Freiheit.

»... dass ein gutes Deutschland blühe ...«

Diese Hoffnung führt ihn über Umwegen nach Ostberlin und durch die »dritte Sache«, wie sie ihren Kampf um eine sozialistische Gesellschaft immer nannten, wieder mit Brecht und Busch zusammen. Die letzten 13 Jahre seines Lebens sind im Übermaß ausgefüllt mit Professur an der Hochschule für Musik, Meisterklasse an der Akademie der Künste, Kompositionen für Brecht, Becher, Strittmatter und viele andere. Er erhält große Preise und große Schläge. Sein erstes Opernprojekt, »Johann Faustus«, passt nicht ins Erbe-Konzept der DDR und wird im Rahmen der unrühmlichen Formalismusdebatten von stalinistischen Fanatikern wie Abusch, Erpenbeck und Girnus, alspessimistisch, volksfremd, ausweglos, antinational abqualifiziert.Den seelischen Zusammenbruch, den das mit sich bringt, hält sein Freund Brecht auf. Das alles im Jahr des 17. Juni, zu dem er sagt: Was in Berlin geschah, hat nicht der Sache der Arbeiterklasse genützt.

Aber wie immer rappelt er sich auf, weil er sein Ziel im Auge behält: Wir Marxisten müssen jetzt dafür sorgen, daß unsere Leute etwas Kultur bekommen, ob sie wollen oder nicht. Wir Marxisten müssen den Leuten die Kultur in den Mund hineinstopfen, verstehen Sie. Das ist dringend notwendig. Sagt er und schreibt zu diesem Zwecke, seinem Ideal entsprechend, kühl, höflich und zärtlich, wieder Tucholskylieder für Busch und neue nach Majakowski, die Winterschlacht nach Becher und immer wieder Brecht, jetzt die Lieder zu dessen Stücken Schweyk im Zweiten Weltkrieg und Tage der Commune. Brecht-Eisler – ist eine der größten, produktivsten Künstlerfreundschaften, die wir Deutschen hatten. Dabei, wie sagt er das: die Stücke von Brecht gehen ohne meine Musik wunderbar. Und ich darf bescheiden sagen: Meine Musik geht auch ohne Stücke von Brecht – sagen wir – recht anständig.

Letzterer hat nach der Rede des Bundesaußenministers Heinrich von Brentano: Die späte Lyrik Brechts läßt sich eher mit der Horst Wessels vergleichen gerade seine 2. von 3 Boy­kott-Wellen in Westdeutschland hinter sich und wird sich verabschieden von seinem wich­tigsten Komponisten mit den Worten Entschuldige, ich habe nicht genug getan für Deine große Musik. Hanns Eisler stirbt am 6. September 1962 in Berlin.

(Erstabdruck in »UNSER BLATT«, Informationsblatt der Berliner VVN-BdA, September 2012, Seiten 8-9.)

Mit ihrem neuen Hanns-Eisler-Programm »Vielleicht sein Bestes – die Lieder« sind Gina Pietsch und Fabio Costa unterwegs. Auftrittstermine siehe »Kleine Mitteilungen«.

 

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2022-07: »das leben ist eine verknotete sache«

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