Hanns Eisler oder Vom langen Atem des Komponisten
Dr. Jürgen Schebera
Eislers Emigration in den USA begann am 21. Januar 1938, jedoch hatte er bereits auf zwei ausgedehnten Reisen 1935/36 das Land studieren können. Die erste Reise führte ihn auf einer Konzert- und Vortragstournee im Auftrag des "Hilfskomitees für die Opfer des deutschen Faschismus" (Lord-Marley-Komitee) quer durch das Land, die zweite Reise diente der Vorbereitung der amerikanischen Erstaufführung der "Mutter" gemeinsam mit Bertolt Brecht sowie Lektionen an der New-Yorker New School for Social Research. Als Eisler am 13. Februar 1935 an Bord des Dampfers "Berengaria" zum erstenmal in New York eintrifft, liegen bereits zwei Jahre rastlosen Wirkens im Exil hinter ihm, er hat in Paris und London Film- und Bühnenmusiken geschrieben, er hat für den Internationalen Revolutionären Theaterbund und für das Internationale Musikbüro in Moskau weitergearbeitet an der antifaschistischen Einheitsfront der Arbeitersänger und -musiker. [...]
Bei Eislers Ankunft 1935 schrieb das Organ der KP der USA "Daily Worker": "Hanns Eisler wird hier eintreffen ... Dieser berühmte revolutionäre Komponist, der seit der Machtergreifung Hitlers im Exil in Paris und London gelebt hat, ist sowohl in Europa als auch in Amerika für seine brillanten Kompositionen bestens bekannt." […] Das erste Konzert fand am 22. Februar in New York statt, Eisler referierte über die Verbrechen des deutschen Faschismus und über die Krise der bürgerlichen Musik. Danach dirigierte er einen Massenchor von 1000 amerikanischen Arbeitersängern. Das Konzert im traditionellen Veranstaltungssaal Mecca Temple mußte am 2. März wiederholt werden. Danach begann die Tournee quer durch den Kontinent, es fanden etwa 35 Veranstaltungen statt, unter anderem in Pittsburgh, Chicago, Denver, Detroit, St. Louis, Los Angeles und San Francisco. Ständiger Begleiter Eislers war der junge amerikanische Tenor Mordecai Baumannn, der Eislers Lieder vortrug. Daneben wurden internationale Lieder der Arbeiterklasse aufgeführt. Die Tournee hatte eine große aktivierende Bedeutung für die amerikanische Arheitersängerbewegung und unterstützte die Bestrebungen der Workers Music League, der amerikanischen Sektion des Internationalen Musikbüros. Während der Tournee, auf der Fahrt von Denver nach San Francisco, schreibt Eisler an Brecht in Dänemark: "Meine Reise durch dieses, sehr eigenartige Land, beginnt großartige Formen anzunehmen und zwar in Bezug auf die politische Wirkung. Es ist mir gelungen, zum ersten Mal in diesem Land die Frage Musik neu zu stellen und die Wirkung ist kaum beschreibbar." [...]
Etwas wehmütig schreibt er dem Freund: "Seit Januar habe ich ca. 16.000 Meilen zurückgelegt und weiß gar nicht mehr, wie Notenpapier aussieht. Ich glaube, da gibt es 5 Linien und da muß man Punkte machen, die auf Striche aufgesetzt werden. Die gute alte Musik."[…] Eislers Kurse liefen vom 5. Oktober 1935 bis zum 18. Januar 1936. Zu seiner erneuten Anwesenheit in New York bemerkt der "Daily Worker": "Eislers Erfahrungen (sind) hier von enormen Wert, nicht nur ... bei den Konzerten, sondern auch deshalb, weil sie in den verschiedenen neuformierten Arbeitermusikgruppen überall im Lande die Anregungen eines in musik-organisatorischen Fragen langgeübten Geistes brachten." […][…]
Wie aufmerksam die reaktionäre Administration schon bei diesen zwei Besuchsreisen die Aktivitäten Eislers beobachtete und registrierte, wurde Jahre später deutlich, als 1947 die Anklage bei Eislers Verhören vor dem "Ausschuss zur Untersuchung unamerikanischer Tätigkeit" Akten und Dokumente aus den Jahren 1935/36 präsentierte. So schreibt der Polizeichef von Phoenix (Arizona) am 25. Februar 1935 an die oberste Einwanderungsbehörde in Washington, er entnehme dem kommunistischen "Daily Worker", daß Eisler Konzerte gäbe und Vorträge hielte. Dann fährt er fort: "Wir haben schon eine Horde von Agitatoren unter uns, die alles daransetzen, Sand ins Getriebe unseres Staates zu streuen, um so weniger können wir einem weiteren Agitator erlauben, Unruhe und Streit unter unsere ohnehin verbitterten, arbeitslosen und mittellosen Männer und Frauen zu bringen. Deshalb muß Eisler deportiert werden."[…] In einem anderen Papier, einem Memorandum der Einwanderungsbehörde, heißt es: "Wie es auch sei, der Mann kann sehr wohl ein Kommunist sein, und tatsächlich kann ein populär werdendes kommunistisches Lied mehr explosive revolutionäre Kraft entwickeln als hundert Pamphlete oder Reden."[…][…]
Am 26. März 1948 verließ Hanns Eisler die USA in Richtung London-Prag. Die Gefühle ihm gegenüber hatte für alle aufrechten Amerikaner die Journalistin Mildred Norton formuliert: "Beste Wünsche für Hanns Eisler, möge er seine Wahlheimat nach dem Verhalten dieser Männer" (des Solidaritätskomitees – J. S.) "beurteilen und nicht nach jenen, die Haß und Intoleranz im Namen von ,Amerikanismus‘ versprühen."[…]
Dr. Jürgen Schebera, 1979. Auszug aus dem Band 3 ("Exil in den USA") von "Kunst und Literatur im antifaschistischen Exil", S. 309ff, Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig, 1979. Herausgegeben von Eike Middell u.a., mit einem Vowort von Werner Mittenzwei.
Der Ernst-Busch-Chor Berlin e.V. gibt am 19. September 2012 ein Hanns-Eisler-Konzert. Als Zeitzeuge ist dabei: Prof. Dr. Dr. Dieter B. Herrmann. Ort: Münzenbergsaal, Bürogebäude, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, Zeit: 18:00 Uhr, Eintritt: 5 Euro.
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Mittwoch 13:45-16:00 Uhr, Münzenbergsaal, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, oder bei Dr. Ursula Joseph, Vorsitzende, Tel.: 030/53 25 255 (Siehe www.ernst-busch-chor-berlin.de)