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Mitteilungen der Kommunistischen Plattform

Halle, Ziegenhals, Weimar, Berlin und anderswo: Über den Umgang mit Ernst Thälmann

Max Renkl (Aus: antifa, Jan./Feb. 2022, Beilage, S. 6)

 

Am 16. April 2022 begehen wir den 136. Geburtstag des nach 11 Jahren Haft von den Faschisten ermordeten Kommunisten Ernst Thälmann. Die CDU in Berlin-Pankow will, dass das Thälmanndenkmal an der Greifswalder Straße eingeschmolzen wird. Der Erlös aus dem Verkauf der Bronze soll Ukraine-Opfern zugute kommen. Der entsprechende CDU-Antrag lautet »Keine Ehrung für Demokratiefeinde – Ernst-Thälmann-Denkmal abbauen!« Aus doppelt-aktuellem Anlass dokumentieren wir den nachfolgenden Artikel. (»Mitteilungen«-Redaktion)

 

Antifaschistische Gedenkarbeit liegt in diesem Land in erster Linie bei uns Antifaschist:innen selbst. Es kommt auf uns an, ob Gedenkveranstaltungen oder die Pflege von Gedenkstätten und Denkmälern organisiert werden. Das gilt insbesondere für die Erinnerung an den Widerstandskampf der deutschen Arbeiter:innenbewegung, allen voran an den Kampf der KPD gegen die Hitlerfaschisten.

Der Hamburger Hafenarbeiter Ernst Thälmann, KPD-Vorsitzender seit 1925, ist unmittelbar Betroffener von dieser Gedenkpolitik, die einerseits den kommunistischen Widerstand ganz in Vergessenheit geraten lassen will oder ihn dort diffamiert und herabwürdigt, wo er nicht ausgeblendet werden kann. Ernst Thälmann, der weltweit (und z. B. in Russland bis heute) als Sinnbild des antifaschistischen Widerstandskampfes gilt; Thälmann, dessen Partei noch im März 1933 unter faschistischer Herrschaft fünf Millionen Stimmen errang; Thälmann, dessen Partei den Faschismus als Keimzelle bereits bekämpfte und für die Schaffung der größten antifaschistischen Bündnisorganisation steht, der Antifaschistischen Aktion; Thälmann, der trotz Isolations- und Einzelhaft im Austausch mit seinen Genoss:innen und mit seiner Partei stand, dieser Thälmann gilt hierzulande, wenn alle Anschuldigungen verhallt sind, maximal als »Opfer des Faschismus« – mehr ist an Würdigung nicht drin.

Widerstand gegen den Faschismus

Als Sinnbild des deutschen Widerstands gilt hierzulande der 20. Juli um Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Während Thälmann als Anti-Demokrat gilt, der letztlich gemeinsam mit den Nazis die Weimarer Republik zerstörte und daher des offiziellen Gedenkens unwürdig sei, ist man bei von Stauffenberg nicht so zimperlich. Kein Wort davon, dass dieser erst zum Hitlergegner wurde, als sich die militärische Niederlage anbahnte, kein Wort von seinen Konzepten für ein militaristisches »Nachkriegsdeutschland« ohne Hitler. Wer jenen politisch kurzsichtigen Widerstandsakt, der auf das bloße Auswechseln von Personen abzielte, als Sinnbild des Widerstands gegen das Hitlerregime hochstilisiert, der hat nicht viel vom Faschismus verstanden oder will es gar nicht.

Da passt natürlich ein Ernst Thälmann überhaupt nicht ins Konzept, der bereits im Jahr 1932 warnte: »Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg!« Er deckte damit nicht nur die Nähe von Teilen der bürgerlichen, konservativen Parteien und Eliten zum Faschismus auf, sondern auch den Willen zur Aufrüstung und zum Überfall auf die Sowjetunion. Um Thälmann einen Anti-Demokraten zu nennen, muss man schon gehörig die Augen verschließen vor den gravierenden Defiziten der hochgelobten Weimarer bürgerlichen Demokratie, die mit Verboten, Notstand, faschistischer Beteiligung und Polizeiterror (»Blutsonntag«) regierte und ganz offensichtlich auf dem rechten Auge blind war (was ihr ja auch zum Verhängnis wurde).

Das Thälmann-Denkmal in Berlin

Aktuell geht es auch wieder einmal um das Berliner Thälmann-Denkmal im gleichnamigen Park. Seit 1990 haben dort Kamerad:innen der VVN-BdA-Bezirksorganisation Prenzlauer Berg das Gedenken an Thälmann organisiert und durchgeführt. Wir haben es Volkmar Harnisch zu verdanken, dass die Erinnerung an Thälmann nicht abriss und sich Antifaschist:innen jährlich am Geburtstag und am Jahrestag der Ermordung dort versammelten. Anwohner:innen verliehen ihrem Unmut über die komplette Verwahrlosung und Beschmierung des Denkmals mit Graffiti Ausdruck, indem sie unübersehbar die Aufschrift anbrachten »Eingekerkert, ermordet, beschmiert«.

Um diesen Umgang nicht länger hinzunehmen, gründeten im Jahr 2000 junge Antifaschist:innen das »Aktionsbündnis Thälmann-Denkmal Berlin«. Ihm traten unmittelbar die VVN-BdA, die Basisorganisationen der Linkspartei (damals PDS), Genossinnen der DKP und KPD sowie zahlreiche Einzelpersonen bei. Das Aktionsbündnis organisierte sowohl zwei Kundgebungen im Jahr, antifaschistische Lesungen und Veranstaltungen und reinigte das Denkmal dutzende Male, mit dem Erfolg, dass immerhin zwischen 2012 und 2019 das Denkmal vom Bezirk zu den beiden Jahrestagen gereinigt wurde! Vorher und nachher wurden die klammen Kassen als Grund genannt, warum eine Pflege nicht möglich sei. Ebenso wie bezüglich der Inbetriebnahme der vorhandenen Scheinwerfer, um Beschmierungen zu erschweren und Licht in den stockdunklen Park zu bringen. Für all das war kein Geld vorhanden.

Kunst oder Politik?

Für eine künstlerische Kommentierung waren jedoch ganze 200.000 Euro vorhanden! Der Künstlerkommentar zum Thälmann-Denkmal stammt von Bettina Kuntzsch, deren Konzept sich in einem Wettbewerb durchsetzte. Fünf rote Sockel, verkleinert, im Maßstab des großen Denkmalssockels, mit Inschriften wie »Irmas Teddy« oder »Kopf Faust Fahne« versehen, tragen QR-Codes, mit denen man auf Videos einer Internetseite geleitet wird. Diese Videos setzen sich kaum mit der Person Ernst Thälmanns auseinander, zudem geht es hier nicht um Kunst, sondern vor allem um Politik. Politik jedoch aus der Sicht einer Bettina Kuntzsch, die ihre subjektiven Einschätzungen zur DDR, zur Errichtung des Thälmann-Parks oder zu ihren Kindheitserinnerungen zum Besten gibt. Eine differenzierte Auseinandersetzung sieht anders aus. Der Titel »Vom Sockel denken« lässt bereits Raum für ein »vom Sockel stoßen« und trifft damit auch glänzend Inhalt und Absicht der Installation: Solange man das Denkmal zu Ehren Ernst Thälmanns nicht abreißen kann, soll zumindest die Hauptperson dieses Denkmals und die Entstehung des Denkmals diffamiert werden. Wir sollten jedoch überlegen, inwieweit wir diese Videos nutzen können, um den Entstellungen entgegenzutreten und Thälmann den Platz zuweisen, den er verdient: Ein Vorbild für alle, die für eine Welt ohne Krieg und Faschismus eintreten.

Weitere Informationen: www.vomsockeldenken.de, www.etg-ziegenhals.de.