Geschichtsschreibung, Zeitgeist, Antikommunismus und der Berliner Senat
Dr. Heinz Marohn, Berlin
Die Geschichte der internationalen und der deutschen Arbeiterbewegung sowie der DDR ist eine Grundlage des Denkens und Handelns der Linken. Aus ihren Abläufen gilt es, Erkenntnisse für einen neuen gesellschaftlichen Fortschritt zu gewinnen und zu befördern. Geschichte an die Gegenwart zu bringen, verständlich zu machen und für Zukünftiges den Weg zu bereiten, dabei historisches Bewußtsein zu erzeugen oder zu vertiefen auf der Grundlage des dialektischen und historischen Materialismus – sollte unser Anliegen sein. Geschichts"arbeit" ist in der Einheit von Forschung, Recherche und Analyse zu leisten. Wichtige Bedingungen dafür sind direkte Zeugnisse, Fakten und Belege, ihre Bewertung und Veröffentlichung. Das ist keine abseitige Angelegenheit nur einiger! Das gilt auch für die eigenen Erinnerungen. Dabei kann Geschichte nicht "aufgearbeitet" werden. Wenn man Menschen die Kraft nehmen will, sich gegen Unterdrückung und Entwürdigung zu wehren, müssen sie gedemütigt werden. Das erfolgt auch alltäglich durch Geschichtsverzerrung, -klitterung und -fälschung. Durch Mainstream-Historiographien einzelner "Schreiber" und durch die Massenmedien. Denen kommt es nicht mehr auf die geschichtlichen Fakten, die Tatsachen und noch weniger auf deren Kausalität, sondern vor allem auf ihre subjektivistische ideologische Deutung, vornehmlich im Sinne des "Zeitgeistes", an. Es entsteht eine "Deutungsgeschichte", die historisches Bewußtsein auf eine Zeitgenossenschaft schrumpfen läßt.
In diesem Geist verfaßte der Berliner Senat 2006 das "Gesamtkonzept zur Erinnerung an die Berliner Mauer ...".
Die "Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung (GRH) e.V.", Franz- Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, hatte aus diesem Anlaß eine Broschüre mit dem Titel "Zehn Thesen gegen Geschichtsklitterung" veröffentlicht, in der prägnant, beweiskräftig und überzeugend der antikommunistische Charakter der "Gedenkpolitik" des Berliner Senats charakterisiert wird. Diese Thesen sind von ungebrochener Aktualität angesichts des Fleißes und der Perfidie der "DDR-Aufarbeiter". Die neofaschistischen Provokationen im Vorfeld der Gedenkveranstaltungen für Karl und Rosa beleuchten den Geist und die Konsequenzen der antikommunistischen Hetze, auch wenn sie im pseudohistorischen Gewand daherkommen. Es ist das Verdienst der GRH, am Beispiel der jüngeren Berliner Stadtgeschichte Allgemeingültiges zur Geschichte beider deutscher Staaten zu sagen und die Hauptmethode der antikommunistischen Geschichtsverfälscher, die Herauslösung von Einzelerscheinungen aus ihrem historischen und gesellschaftlichen Zusammenhang, bloßzustellen. Behandelt werden unter anderem die tatsächlichen Hintergründe der Schließung der Westgrenze der DDR und dabei die Rollen von USA und UdSSR, die Aufgaben Westberlins als Frontstadt, der Wirtschaftskrieg gegen die DDR, der Mißbrauch der "Gedenkpolitik" als antikommunistische Propaganda und die Gleichsetzung von faschistischer Diktatur mit der DDR. Die Doppelzüngigkeit der Gedenkpolitik des Berliner Senats wird auch an seiner jahrelangen Verzögerung des Weiterbaus der Gedenkstätte "Topographie des Terrors" oder im Umgang mit dem S-Bahnhof Friedrichstraße nachgewiesen.
Zehn Thesen gegen Geschichtsklitterung. Zum "Gesamtkonzept zur Erinnerung an die Berliner Mauer: Dokumentation, Information und Gedenken" des Berliner Senats, März 2007. www.grh-ev.org, dort: "Aktuelles – 10 Thesen"