Gegen Konfrontationspolitik entschieden protestieren
Carsten Schulz, Berlin, Delegierter des Bielefelder Parteitags
Liebe Genossinnen und Genossen, im vorliegenden Entwurf des Leitantrages »Für eine starke LINKE – für Solidarität, Frieden und Gerechtigkeit« werden sowohl der Westen als auch Russland für die angespannte Situation in Europa verantwortlich gemacht. So werde laut Antragstext der Bürgerkrieg in der Ukraine von beiden Seiten befeuert.
Liebe Genossinnen und Genossen, ich kann mich dieser Bewertung nicht anschließen. In unmittelbarer Nachbarschaft zu Russland wurde in der Ukraine mit maßgeblicher Hilfe der EU und der USA ein Regime etabliert, dessen Macht auf dem alltäglichen Terror faschistischer Kräfte beruht, die ihre historischen Wurzeln in den Organisationen der Kollaboration mit dem Hitlerfaschismus haben.
Bevor der Konflikt im Osten der Ukraine als Bürgerkrieg eskalierte, haben gerade die nationalistischen Freiwilligenverbände, die sich aus den militanten Kräften des Euromaidan rekrutierten, zahlreiche Übergriffe gegen Andersdenkende, insbesondere in der russischsprachigen Zivilbevölkerung im Osten der Ukraine, verübt. Man denke nur an das Massaker im Gewerkschaftshaus von Odessa am 2. Mai vergangenen Jahres.
Ist es den vielen Menschen im Osten der Ukraine oder auf der Krim zu verdenken, dass sie nicht unter der Herrschaft eines Regimes leben möchten, das sich positiv auf den Verbrecher und Kollaborateur Bandera bezieht?
Es wird hierzulande in den Massenmedien oder von verantwortlichen Politikern der Einfluss faschistischer Kräfte auf die Militär- und Geheimdienststrukturen der Ukraine geleugnet oder verharmlost, wie es z.B. die Heinrich Böll Stiftung oder grüne Spitzenpolitiker wie die Fraktionsvorsitzende Göring-Eckardt tun.
Es regt sich hierzulande nur wenig Protest, wenn in der Ukraine Menschen z.T. vor laufender Kamera wie in Odessa angezündet, unliebsame Journalisten und Politiker auf regierungsnahen Websites (Seite »Friedensstifter«) in Steckbriefen unter Angabe ihrer Privatadresse zunächst eingeschüchtert und danach, wie im Falle des maidankritischen Journalisten Oles Busina oder des Oppositionspolitikers Oleg Kalaschnikow von der Partei der Regionen, ermordet werden.
Liebe Genossinnen und Genossen, dem Vorsitzenden der vom Verbot bedrohten Kommunistischen Partei der Ukraine, unserem Genossen Petro Simonenko, wurde in einem Verhör beim ukrainischen Geheimdienst SBU gedroht, wenn er sich nicht still verhalte, werde er enden wie die jüngst ermordeten Oles Busina und Oleg Kalaschnikow.
Gegen solche Verhältnisse mitten in Europa müssen wir noch viel entschiedener protestieren. Und wenn wie unlängst antifaschistische Symbole der Sowjetarmee in der Ukraine per Präsidentenerlass verboten und gleichzeitig Organisationen des ukrainischen Faschismus per Gesetz zu Freiheitskämpfern erklärt werden, wünsche ich mir den entschiedenen Protest von allen Mitgliedern unserer Partei.
Wir als aktive Antifaschisten sollten es noch mehr solchen verantwortlichen Sozialdemokraten wie Matthias Platzeck oder Günther Verheugen gleichtun, und diese Konfrontationspolitik gegen Russland zurückweisen.
Deshalb habe ich auch den offenen Brief an Gorbatschow mit seinen Inhalten gegen die Einkreisungspolitik des Westens bewusst als zu behandelnden Antrag an den Bundesparteitag als Delegierter mitunterzeichnet. Danke.
(Rede am 6. Juni 2015.)
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2014-06: Aktionen praktischer Solidarität folgen lassen
2013-08: Solidarität mit den Flüchtlingen in Marienfelde