Friedenspolitische Prinzipien nicht aufkündigen!
Wulf Kleus, Düsseldorf
Liebe Genossinnen und Genossen, die Mehrheit der Bevölkerung ist nie bereit, für Krieg und Gewalt einzutreten, solange sie nicht von Kriegsverfechtern und Mainstream-Medien mit Haß und Lügen indoktriniert wird. Deshalb ist es von großer Bedeutung, daß DIE LINKE dieser Mehrheit eine Stimme gibt und daß sie vor allem eine Partei ist und bleibt, die konsequent und lautstark Nein zu Militäreinsätzen sagt und die sich auf gar keinen Fall irgendein Hintertürchen offen hält, um bei Kriegseinsätzen mitzumischen. Das heute zu beschließende Programm sollte deshalb keine Interpretationsmöglichkeit beinhalten, die eine Befürwortung von Militärinterventionen zuläßt.
Liebe Genossinnen und Genossen, der Libyenkrieg wurde mit der Lüge gerechtfertigt, man wolle zum Schutz der Zivilbevölkerung eingreifen. Die Krieg führenden Staaten beriefen sich dabei auf die sogenannte Schutzverantwortung "responsibility to protect". Aber nun kommt scheibchenweise die Wahrheit heraus, daß in diesem Krieg bisher 60.000 Menschen getötet worden sind. Das ist ein Verbrechen, was die NATO in Libyen anrichtet.
Die von Sarkozy, Berlusconi, NATO-Generalsekretär Rasmussen und anderen befürwortete Konzeption von "responsibility to protect" dient nicht dem Schutz der Zivilbevölkerung, sondern es erodiert die staatliche Souveränität und das Prinzip des Gewaltverbots in den internationalen Beziehungen und zertrümmert damit elementare Grundsätze des Völkerrechts. Es dient nicht der Verwirklichung der Menschenrechte, sondern ist die modern-westliche Legitimation für kriegerische Interventionen.
Liebe Genossinnen und Genossen, nicht nur der Libyenkrieg hat bewiesen: Kriege selbst sind die größten Menschenrechtsverletzungen. Man kann Menschenrechte und Demokratie nicht herbeibomben. Und deshalb brauchen wir auch keine Einzelfallprüfungen darüber, ob Menschenrechte mit Waffengewalt durchgesetzt werden können. Wer die Einzelprüfung dennoch vertritt, sagt damit im Grunde, daß er militärische Gewalt als "ultima ratio" anerkennt. Ich finde, das ist für eine linke Partei, die immer auch Friedenspartei ist, eine völlig inakzeptable Position.
Und ich glaube auch nicht daran, daß die Regierungen der mächtigsten NATO-Staaten, die schon in der Vergangenheit den UN-Sicherheitsrat zur Durchsetzung ihrer bellizistischen Pläne massiv unter Druck gesetzt haben, in Zukunft aus humanistischen Gründen handeln werden. Ich glaube nicht daran, daß sich ausgerechnet die Sarkozy- und Berlusconi-Regierungen von Bellizisten zu Pazifisten verwandeln werden. Es ist einfach eine Illusion, davon auszugehen, im UN-Sicherheitsrat ginge es primär um Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Über die Frage, ob Menschenrechte verletzt sind oder nicht, über die Frage, ob militärisch interveniert wird oder nicht, bestimmen im UN-Sicherheitsrat eben in allererster Linie die Mächtigsten der Welt. Und diese richten sich zuvörderst nach ökonomischen und machtpolitischen Vorteilen. Deshalb ist es richtig, daß wir im Programm auch UN-mandatierte Militäreinsätze nach Kapitel VII der UN-Charta ablehnen.
Liebe Genossinnen und Genossen, die friedenspolitischen Prinzipien des Programms sind Teil des Markenkerns, der unsere Partei erfolgreich gemacht hat und für den uns viele Menschen gewählt haben. Ich finde, daß wir den kämpferischen Pazifismus, der im Programm zum Ausdruck kommt, unbedingt beibehalten sollten. Und dazu gehören, ich sage es noch einmal, ganz besonders unsere eindeutige Ablehnung militärischer Gewalt und damit verbunden die Absage an jede Art von Einzelfallprüfungen.
(Für den Erfurter Parteitag vorbereitete Rede)