Frieden für Afghanistan – Bundeswehr raus
Dr. Peter Strutynski, Kassel
Im [neuen Afghanistan-] Konzept der Bundesregierung heißt es [...], daß der Aufbau afghanischer Sicherheitskräfte Fortschritte mache. Wie schön! Was aber nicht gesagt wird: Rund 60 Prozent der von Deutschland ausgebildeten afghanischen Polizisten „desertieren“; sie laufen zur anderen Seite über und verstärken die Reihen der Taliban-Kämpfer. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung unterstützt den Wiederaufbau der terroristischen Strukturen in Afghanistan. Wer also wirklich etwas gegen den Terrorismus unternehmen will, muß diesen Einsatz beenden.
Im Leitantrag des Grünenvorstands zum heutigen Sonderparteitag werden „gute Gründe“ für die Bundeswehrpräsenz in Afghanistan aufgezählt. Ein Grund: Die Bundeswehr sei doch „auf Bitte der gewählten Regierung“ dort. Da läßt bei den Grünen dann doch das Erinnerungsvermögen stark nach. (Wir werden eben alle älter. Aber man kann auch in Würde alt werden und muß nicht den politischen Verstand dabei verlieren.) Die Bundeswehr war schon drei Jahre in Afghanistan, bevor sich der Statthalter von Kabul, Hamid Karsai, zum Präsidenten hat wählen lassen. Und wie es mit dessen Legitimation heute aussieht, erzählte vor kurzem der SPD-Verteidigungsexperte Arnold (ein unverdächtiger Zeuge, weil glühender Verfechter des Bundeswehreinsatzes). Der Tagesschau sagte er, die Karsai-Regierung habe „jegliche Akzeptanz in der Bevölkerung verloren“. [...]
Auch wieder so eine Illusion, wenn nicht gar eine bewußte Lüge: ISAF schützt den zivilen Wiederaufbau! Zivile Hilfsorganisationen wie „Caritas International“, das „Rote Kreuz“, „medico international“ oder die „Kinderhilfe Afghanistan“ fordern für ihre Arbeit strikte Neutralität. Nur dort, wo kein ausländisches Militär sichtbar ist, könne auch zivile Aufbauarbeit gedeihen. Die von der Bundesregierung so hoch gelobte zivil-militärische Kooperation macht aus den zivilen Helfern Kombattanten. Sie geraten ins Visier krimineller Banden oder eines nicht exakt zu definierenden „bewaffneten Widerstands“. So manche Hilfsorganisation hat bereits das Handtuch geworfen.
Damit schwindet das Hauptargument der Befürworter des Militäreinsatzes: Die Hilfe, die es militärisch zu sichern gälte, zieht sich zurück. Das Militär „sichert“ am Ende nur noch sich selbst. Von den deutschen Truppen, die ihr Hauptquartier in Masar-i-Scharif haben, wird mittlerweile berichtet, daß sie ihre Stellung gar nicht mehr verlassen. Da können sie doch genauso gut nach Hause kommen. [...]
Aus dem Redebeitrag bei der Auftaktkundgebung der Demonstration „Frieden für Afghanistan – Bundeswehr raus“ am 15. September 2007 in Berlin. – Peter Strutynski ist Sprecher des Bundesausschuß Friedensratschlag. – Quelle: www.uni-kassel.de/fb5/frieden/Welcome.html.